21.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 35 / Zusatzpunkt 2

Dagmar WöhrlCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den entführten Schulmädchen in Nigeria

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erst einmal meinen Dank dafür sagen, dass heute diese Aktuelle Stunde zu diesem Thema möglich gemacht wurde. Es ist wichtig für uns, wichtig für die internationale Gemeinschaft, wichtig für unser Parlament, zu zeigen, dass wir bei Verletzungen von Menschenrechten nicht wegschauen, dass wir nicht wegschauen, wenn Terror und Gewalt ganze Regionen, Gebiete und Länder destabilisieren.

234 Mädchen wurden im Norden Nigerias entführt, über 40 Mädchen konnten noch flüchten. Sie haben erzählt, wie ihre als Soldaten verkleideten Entführer sie wie Vieh auf Lastwagen geladen haben. Da haben die Mädchen gemerkt, dass sie nicht in Sicherheit gebracht, sondern entführt werden sollten. Diese 40 Mädchen konnten fliehen, aber von den übrigen 234 Mädchen fehlt jede Spur.

Wir sind über den weltweiten Aufschrei über diese Tat froh. Wir sind entrüstet über die Zurschaustellung dieser Mädchen in der Hidschab, dem islamischen Gewand, die erste Sure des Koran lesend. Dabei hat man gemerkt, dass sie dazu gezwungen wurden. Wir sind auch deswegen über den weltweiten Aufschrei froh, weil für das Massaker vor einigen Wochen, bei dem über 60 Schuljungen niedergemetzelt worden sind, kein Mitglied der internationalen Gemeinschaft überhaupt auch nur ein Schulterzucken übrig hatte.

Es ist von den Kolleginnen und Kollegen schon erwähnt worden: Die Entführung hat im Norden Nigerias stattgefunden, einer der ärmsten Gegenden der Welt in einem der reichsten Länder Afrikas. Wie geht das zusammen? Auf der einen Seite ist der Norden Nigerias die ärmste Region und hat inzwischen Somalia als gewalttätigste Region abgelöst. Auf der anderen Seite gibt es im Land Ölvorkommen, Jachten, Klubs, also Reichtum par excellence, hohe Einnahmen aus Ölgeschäften, die sich jedoch die Eliten des Landes in die eigene Tasche stecken, während sie den Norden des Landes, den anderen Teil der Bevölkerung, vergessen.

Durch diese Diskrepanz zwischen dem Zerfall eines Staates und dem vermeintlichen Aufschwung wurde der Nährboden für die islamistische Terroristengruppe Boko Haram geschaffen. Unsere Aufgabe und die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft ist es, die entstandene Kluft wieder mit überwinden zu helfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Boko Haram wird auch als „Taliban Nigerias“ bezeichnet. Diese Gruppe möchte einen neuen Staat, ein mittelalterliches islamistisches Kalifat in Nigeria errichten. Leider wird Boko Haram immer mächtiger, weil der Nährboden für diese Gruppe nun einmal da ist.

Über 2 000 Menschen wurden allein dieses Jahr durch Boko Haram getötet. 250 000 Nigerianer sind im Land auf der Flucht, über 60 000 Menschen haben das Land verlassen. Das Töten und Morden nimmt kein Ende. Erst gestern haben wir gehört, dass 118 Menschen in Jos durch eine Autobombe ums Leben gekommen sind, wieder überwiegend Frauen.

Nigeria ist, wie gesagt, eines der reichsten Länder in Afrika. Wie kann es dazu kommen, dass ein Land mit der mächtigsten Armee in Afrika des Terrorismus nicht Herr wird? Wie kann es dazu kommen, dass die Zentralregierung jegliche Kontrolle in Abuja verloren hat? Wie kann es dazu kommen, dass es Präsident Jonathan nicht schafft, diesem Terrorismus beizukommen?

Wir sind dankbar, dass es durch die Social-Media- Kampagne möglich geworden ist, dass die internationale Gemeinschaft auf dieses Problem aufmerksam geworden ist, dass die Präsidenten Nigerias und seiner Nachbarländer in Paris zusammengekommen sind. Es ist das erste Mal, dass der nigerianische Präsident mit dem kamerunischen Präsidenten zusammengetroffen ist. Aber die Afrikaner müssen hier zusammenhalten.

Wir hoffen, dass der Sicherheitsrat am Donnerstag Boko Haram offiziell als Terrororganisation einstuft und auf die Sanktionsliste gegen das Terrornetzwerk setzt. Wichtig ist aber, dass wir im Rahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit mithelfen, die Perspektivlosigkeit des Nordens zu beseitigen. Für Bildung und Jobs zu sorgen, das sind die Aufgaben, die sich stellen. Gerade Mädchen und Frauen sind in Afrika diejenigen, mit denen wir die Hoffnung auf eine nachhaltige Entwicklung verbinden.

Das Verbrechen der Terroristen ist ein doppelter Anschlag: sowohl gegen die Menschenrechte als auch gegen die Frauen Afrikas. Das Wichtigste ist, die Kinder zurück zu ihren Familien zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind mit unserem Herzen, aber auch mit unseren Hoffnungen bei den Familien, die abends mit dem Gedanken schlafen gehen: Bitte bringt uns unsere Kinder zurück! – Ich glaube, jeder von uns kann das nachvollziehen.

Wir können nur an die Entführer appellieren: Geben Sie die Mädchen frei! Aber vor allem müssen wir an die verantwortlichen Akteure appellieren, wirklich alles zu tun, was in unserer Macht steht, damit die Mädchen wieder in Freiheit kommen. Wir appellieren auch an uns alle: Lassen Sie uns nicht unsere Politik von der Hand der Terroristen diktieren! Ich glaube, das ist ganz wichtig.

Wir können nur mit Nachdruck den Appell der Social-Media-Kampagne wiederholen: Bringt diese Mädchen unversehrt und unbeschadet zu den Familien zurück! Bring back our girls!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Liebe Kollegen, ich appelliere auch an Sie: Bitte machen Sie mit! Lassen Sie Ihre Website mit der Kampagne verlinken. Ich glaube, es hilft, auch wenn es nur wenig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächstem Redner erteile ich Kollegen Frank Schwabe, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3436488
Wahlperiode 18
Sitzung 35
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den entführten Schulmädchen in Nigeria
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