21.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 35 / Zusatzpunkt 2

Charles M. HuberCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den entführten Schulmädchen in Nigeria

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Boko Haram hat natürlich aufgrund der Schrecklichkeit des Sachverhalts und der Vorgänge Einfluss auf das Gesamtbild von Afrika. Ich nutze die Gelegenheit hier, Afrika auch in anderer Form darzustellen, und zwar in Bezug auf das Land, aus dem ich stamme bzw. mein Vater stammt. Mein Vater stammt aus dem Senegal und war als Diplomat für dieses Land tätig. Der Senegal ist zu 94 Prozent von Moslems und zu 6 Prozent von Christen bewohnt. Mein Vater war also Diplomat in einer islamischen Gesellschaft. Sein Onkel war Staatspräsident Senghor, ein katholisches Staatsoberhaupt bei 94 Prozent Moslems. Wenn ich meine Verwandten im Senegal besuche, dann sehe ich, dass zu Weihnachten ein Christbaum aufgestellt wird. Wenn ich den Senegal in Zeiten des Ramadan besuche, dann sehe ich, dass die Christen zusammen mit den Moslems das Ende des Fastenmonats feiern.

Der Name „Boko Haram“ klingt in unseren europäischen Ohren zunächst einmal relativ harmlos. Es gab ähnliche Gruppierungen in anderen Bürgerkriegen, zum Beispiel in Sierra Leone die West Side Boys. Auch dieser Name klingt harmlos. Tatsache ist, dass es sich bei diesen Gruppierungen überwiegend um Jugendliche handelt, die für eine Mission wie diese rekrutiert werden. Zu Deutsch heißt Boko Haram in etwa: westliche Bildung verboten. – Tatsache ist auch, dass es sich um eine Terrorvereinigung handelt. Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, wie gefährlich diese Vereinigung ist.

Seit 2010 gehen 200 Anschläge auf das Konto von Boko Haram. Nach Erhebungen von Amnesty International gab es seit Anfang 2014 bereits 1 500 Tote. Am 14. April, dem Tag, an dem die jungen Mädchen entführt wurden, gab es am Rande von Abuja einen Anschlag auf einen Busbahnhof mit 71 Toten und 200 Verletzten. Die Bevölkerung redet von 200 Toten und noch mehr Verletzten. Der überwiegende Teil – das wurde hier schon häufiger angesprochen – waren absurderweise Moslems. Den Gott, der dies angeordnet hat, gibt es meines Erachtens nicht. Die Zeiten, in denen hier unter religiösem Vorwand Christen Christen gemeuchelt haben, hießen Mittelalter. Das haben wir längst hinter uns gelassen. Ich kann Ihnen sagen: Afrika will da nicht hin.

Was die Ursachenanalyse betrifft, so gibt es interne und externe Faktoren. Es wurden zahlreiche interne Faktoren angesprochen, zum Beispiel Korruption, Misswirtschaft und schlechte Regierungsführung. Zu den externen Faktoren gehört, dass Boko Haram einem Netzwerk angehört, welches mit al-Qaida und al-Schabab in Verbindung steht und welches sich unter dem Vorwand der religiösen Läuterung die Destabilisierung eines Kontinents und die Verhinderung seiner wirtschaftlichen Entwicklung zum Ziel gesetzt hat.

Ich möchte hier kurz auf eine Bemerkung meines Vorredners von den Grünen, Herrn Kekeritz, eingehen. Herr Kekeritz, Sie haben von Waffenlieferungen gesprochen. Wir wissen – das zeigt das Beispiel Ruanda –, dass in einem Land, in dem sich ein Bürgerkrieg oder Krisen anbahnen, auch ohne Waffenlieferungen Menschen höchst effizient anderen Leid zufügen können. In Ruanda gab es 300 000 oder noch mehr Tote; ich habe die genaue Zahl nicht im Kopf. Damals gab es keine Waffenlieferungen, sondern die Menschen haben Macheten benutzt. Zum anderen: Boko Haram ist, wie bereits angesprochen, Teil eines Netzwerks. Es steht in Verbindung mit al-Qaida. Es gibt einen Gürtel, der sich entlang der Sahelzone zieht. Er reicht hinunter bis nach Guinea. In Guinea gibt es einen Austausch von Kokain gegen Waffen mit südamerikanischen Gruppen. Dieser Austausch hat nichts mit Waffenexporten aus Deutschland zu tun. Das möchte ich hier klarstellen.

Afrika ist dennoch ein Chancenkontinent, und Nigeria ist, wie viele andere Länder Afrikas, ein tolerantes Land. Ich habe in vielen Gesprächen mit Botschaftern aus Afrika diese Angst gespürt. Sie sagten: Wir bekommen das Phänomen des Terrorismus alleine nicht in den Griff. – Das bezieht sich nicht allein auf Nigeria; vielmehr ist das Phänomen des Terrorismus ein weitgehend unterschätztes Problem in Afrika.

Da ich sehe, dass ich meine Redezeit schon überschritten habe, möchte ich zum Ende kommen. Afrikas Bevölkerung braucht Vertrauen, vor allen Dingen Vertrauen in den Staat. Dazu möchte ich sagen: Wir leben mit dem Staat, und für uns ist der Staat selbstverständlich. Wir haben eine Rentenversicherung, wir haben eine Krankenversicherung, wir haben Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II. Jemand, der das für sich in Anspruch nehmen kann, glaubt an den Staat. Wir müssen helfen, in Afrika Strukturen aufzubauen, damit die Menschen an den Staat glauben und solche Phänomene keine Chance mehr in der Zukunft haben.

Vielen Dank, und entschuldigen Sie, dass ich die Redezeit überschritten habe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als letztem Redner erteile ich in dieser Debatte dem Kollegen Frank Heinrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3436491
Wahlperiode 18
Sitzung 35
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den entführten Schulmädchen in Nigeria
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