22.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 3

Willi BraseSPD - Berufliche Bildung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir die Struktur, die Bedeutung und die Perspektiven der dualen Ausbildung intensiv diskutieren. Es ist auch sicherlich richtig, dass wir uns mit Blick auf die eine oder andere Zahl in Erinnerung rufen, was noch alles zu machen ist. Ich habe mir die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen angeschaut und stimme Frau Wanka zu, dass darin an der einen oder anderen Stelle durchaus Lesenswertes zu finden ist.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Mehr Lob geht nicht!)

Wenn wir aber wünschen, dass die jungen Menschen in Deutschland nicht nur alle den Weg des Abiturs und des Studiums gehen wollen, sondern sich auch für den Weg der dualen Ausbildung entscheiden, dann müssen wir vor allem über Qualität und Weiterentwicklung sprechen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur wenn die jungen Menschen begreifen, dass beide Bildungswege gleiche Chancen, gleiche Lebensperspektiven und gute Arbeitsbedingungen bieten, dann werden sie sich in Zukunft anders entscheiden, als sie sich heute entscheiden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In Bezug auf die Qualität gibt es viele Untersuchungen. Ich habe eine herausgesucht, die sich mit der Frage beschäftigt, wie es eigentlich in den Betrieben läuft. Es wurde festgestellt, dass in mitbestimmten Betrieben, in denen also das Betriebsverfassungsgesetz gilt und in denen es Betriebsräte gibt, die Ausbildung ein Stück weit intensiver und qualitativ hochwertiger ist und dass die Jugendlichen nach der Ausbildung öfter übernommen werden und teilweise auch besser verdienen. Das ist der Arbeit der Betriebsrätinnen und Betriebsräte zu verdanken; denn sie haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz den Auftrag, die Ausbildung mit zu kontrollieren, zu unterstützen und nach vorne zu bringen. Denjenigen, die sich tagtäglich für die jungen Leute einsetzen, gehört unser Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE])

Wir werden darüber reden müssen, wie wir die Beruflichkeit bzw. die berufliche Bildung weiterentwickeln. Was ist das Konzept der Beruflichkeit? Was sind moderne Berufe? Müssen wir nicht wieder Kernberufe ein Stück weit stärker in den Mittelpunkt stellen? Die Diskussion darüber gibt es dort, wo sie hingehört, im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung. Dort werden die entsprechenden ordnungspolitischen Regelungen vorbereitet. Danach werden sie gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Wirtschaftsministerium verordnet. Der Weg führt wieder in Richtung Berufsfamilie.

Die Zeit spricht dafür, dass wir die Ausbildungsordnung modernisieren. Entsprechende Bemühungen haben wir in den letzten Jahren vorangetrieben. Die Perspektive ist, weniger spezialisierte Einzelberufe und mehr Kernberufe zu haben. Damit steigen auch die Chancen für die jungen Leute, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mir ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dieses vor allem im Konsens, in Übereinstimmung der Sozialpartner passiert; denn die Akzeptanz der dualen Ausbildung lebt doch davon, dass Menschen in Betrieben und Verwaltungen unseres Landes positiv dazu stehen. Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen sich tagtäglich, wöchentlich, monatlich und jährlich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren? Die Deutsche Handwerks Zeitung hat für mein Bundesland Nordrhein-Westfalen den Wert dieses Engagements – nur bezogen auf das Handwerk – berechnet. Das Ehrenamt ist Millionen Euro wert. Man spricht davon, dass allein in Nordrhein- Westfalen die Arbeit der Prüfungsausschussmitglieder und Arbeitsgruppenmitglieder, die Prüfungsordnungen vorbereiten und diskutieren, 5 Millionen Euro wert ist. Wenn man das auf das Bundesgebiet hochrechnet und den Gegenwert der Arbeit des DIHK sowie der anderen Kammern hinzurechnet, geht es um fast dreistellige Millionensummen. Ich sage an dieser Stelle den Ehrenamtlern in den Prüfungsausschüssen, im Bereich des DIHK, in den Handwerkskammern und in den anderen Kammern ein ganz großes Dankeschön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir werden überlegen müssen, wie wir in noch stärkerem Maße die Durchlässigkeit zwischen den beiden großen Systemen hinbekommen. In der dualen Ausbildung wird im Arbeitsprozess gelernt. Das wird theoretisch durch die Berufskollegs ergänzt. Das heißt für uns: Auf der einen Seite wollen wir den betrieblichen Teil stärken; auf der anderen Seite müssen wir aber auch von den Ländern fordern, dass die Situation der Berufskollegs, lieber Rainer Spiering, ein Stück weit verbessert wird.

Ist es nicht richtig, auch zu fordern, dass sich die Ausbildung der Berufsschullehrer in unserem Lande wieder stärker an wissenschaftlichen Kriterien orientiert? Der Abbau von Lehrstühlen ist für die Qualitätsentwicklung der dualen Ausbildung nicht gut. Die Universitäten müssen weiterhin beachten, dass jemand, der aus dem dualen Ausbildungssystem zu ihnen kommt, eine andere Erfahrung des Lernens gemacht hat als jemand, der über den rein schulischen Weg zur Hochschule kommt. Das hat nicht nur etwas mit der Brückenfunktion, sondern auch mit dem Selbstverständnis der Hochschulen zu tun. Dieses Selbstverständnis fordere ich ein.

Meine Damen und Herren, der Wissenschaftsrat hat Empfehlungen formuliert und herausgegeben. Er stellt fest, wie wichtig es ist, die jungen Leute in den Schulen frühzeitig über Strukturen, Berufe, Verdienstmöglichkeiten, spätere Arbeitsbedingungen, Weiterqualifizierung und Aufstiegschancen zu informieren. Wir haben dieses aufgegriffen, Frau Pothmer, und schon sehr viel Konkretes gemacht, indem wir beispielsweise den entsprechenden Titel um 10 Millionen Euro erhöht haben. Das ist genau richtig. Alle Diskussionen hier im Hause in den letzten zehn Jahren hatten immer wieder die Frage zum Gegenstand, wie wir der Berufsorientierung zu mehr Beachtung in den Schulen verhelfen können. Diese Koalition unternimmt hier etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich möchte noch zwei Punkte ansprechen. Wenn es um Ausbildung geht, geht es nicht nur um das duale Ausbildungssystem. Es gibt sehr viele junge Leute, die nach Landesrecht ausgebildet werden. Wir führen in unserer Gesellschaft eine Diskussion über die Verbesserung der Betreuung im Bereich der Pflege. Wir brauchen hier eine stärkere Ausbildungsleistung. Wir brauchen die dreijährige Pflegeausbildung. Wir wollen und müssen sie ein Stück weit reformieren, da wir mehr junge Menschen für eine dreijährige Pflegeausbildung gewinnen wollen. Diese Ausbildung muss für junge Menschen kostenfrei sein. Ich möchte das eine oder andere Bundesland auffordern, an dieser Stelle aktiv zu werden. Es geht nicht an, dass sozusagen noch Schulgeld bezahlt werden muss; das gehört in das letzte Jahrhundert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir das System der dualen Ausbildung weiter vorantreiben wollen – und das wollen wir –, dann sollten wir auch begreifen, dass die duale Ausbildung ein Stück weit die Innovationskraft der Unternehmen bzw. Betriebe stärkt. Die duale Ausbildung hat zuerst eine wirtschaftliche Komponente, einen betriebswirtschaftlichen Nutzen. Es geht um die einzelbetriebliche Sicherung der Fachkräfte. Es geht darum, immer wieder neues Wissen zu erwerben und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Sie ist Teil der betrieblichen Personalplanung. Sie ist im Prinzip keine sozialpolitische Veranstaltung, sondern hat eine betriebswirtschaftliche Ausrichtung.

Deshalb fordere ich die Unternehmen im eigenen Interesse auf, gemeinsam mit uns in vorausschauender Politik mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Wenn wir den Fachkräftenachwuchs, die Fachkräftesicherung auf den Weg bringen wollen, brauchen wir – so sagt das Bundesinstitut für Berufsbildung – jährlich 600 000 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse. Hier gibt es noch eine Menge Luft nach oben. Es muss noch eine Menge gemacht werden. Deshalb werden wir die Allianz für Aus- und Weiterbildung gut vorbereiten.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!)

Wir werden eine ehrliche Betrachtung vornehmen, uns reale Ziele setzen und sie konkret umsetzen – und dies nach dem Motto „Weniger ankündigen, dafür aber stark liefern“.

Ich danke für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat nun der Kollege Thomas Feist für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3437861
Wahlperiode 18
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Berufliche Bildung
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