22.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 3

Thomas FeistCDU/CSU - Berufliche Bildung

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Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir über die Debatte zum Berufsbildungsbericht hinaus zu grundsätzlichen Fragen gekommen sind; denn diese grundsätzlichen Fragen müssen wir klären. Auch mein Vorredner, der Kollege Brase, hat es angesprochen: Wie können wir die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung herstellen? Die Ministerin hat in ihrer Einführungsrede gesagt: Wir müssen die Attraktivität beruflicher Bildung stärken. – Da gebe ich ihr recht. Ich halte es allerdings für den verkehrten Weg, zu sagen, dass wir eine Stärkung der Attraktivität der beruflichen Bildung erreichen, indem wir die akademische Bildung schlechtreden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sage ich als Heizungsmonteur und promovierter Musikwissenschaftler aus ganz persönlichem Interesse; beides ist etwas wert. Es ist ja nicht so, dass man durch eine neue Qualifikation die bereits erworbene Qualifikation abgibt. Es wurde vorhin gefragt: Was passiert, wenn die Heizung am Wochenende defekt ist? Ich kann mir da zum Teil auch selber helfen.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Zum Teil!)

– Zum Teil. Ich will die Wirtschaft vor Ort nicht außen vor lassen.

Aber mir ist dies auf jeden Fall lieber, als in einer Telefonhotline von einem Psychologen betreut zu werden. Deswegen müssen wir mehr für die berufliche Bildung und deren Attraktivität tun. Der Antrag, den wir heute eingebracht haben, weist dazu genau den richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wie schaffen wir das? Es gibt vier Themen, die wir bearbeiten müssen: Das eine ist die Berufsorientierung, und zwar für alle Schüler. Berufsorientierung heißt für mich auch Studienorientierung. Frau Kollegin Pothmer, Sie haben es vorhin angesprochen: 1,4 Millionen junge Menschen sind ohne Abschluss. Sie haben vergessen, zu erwähnen – neben der Tatsache, dass die Hälfte in Beschäftigung ist –, dass ein Großteil davon von den Hochschulen kommt, und zwar ohne Abschluss. Deswegen ist es wichtig, dass wir an den Gymnasien eine Berufs- und Studienorientierung durchführen und nicht einfach sagen: Studiere erst mal etwas, und dann schauen wir, was kommt. – Das ist der richtige Weg; den werden wir beschreiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Zweite, das ich ansprechen möchte, ist das Übergangssystem. Ich kann in den allgemeinen Tenor, dass das Übergangssystem schlecht ist, nicht einstimmen. Sie sagen damit auch, dass die vielen engagierten Menschen, die sich den Schwächsten der Gesellschaft widmen und das in einer aufopferungsvollen Tätigkeit tun, diesen Job umsonst machen. Das kann und will ich so nicht stehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das hat aber nichts miteinander zu tun!)

Es gibt natürlich das Phänomen – Frau Hein, Sie haben es angesprochen –, dass Jugendliche acht bis neun Jahre im Ausbildungs- und Übergangssystem verharren. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Ich habe selber in diesem Bereich als Ausbilder gearbeitet, das heißt, ich spreche aus der Innensicht, und neben sehr guten Einrichtungen im Übergangssystem gibt es auch welche, die daraus ein ganz gutes Geschäftsmodell gemacht haben und Kundenbindung betreiben.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sie kritisieren jetzt die berufsbildenden Schulen! Ich tue das nicht!)

Deswegen positionieren wir uns in unserem Antrag dazu und sagen: Wir müssen hier unterscheiden; wir müssen das Übergangssystem so gestalten, dass von Anfang an das Ziel einer vollwertigen dualen Ausbildung für jeden verfolgt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wenn wir in dieser Legislaturperiode etwas für die berufliche Bildung tun wollen, dann müssen wir uns auch mit Themen beschäftigen, die letzten Endes etwas mit Geld zu tun haben. Man muss auf jeden Fall einmal darüber diskutieren, ob die Summen, die der Bund pro Studienanfänger bereitstellt – egal ob er sein Studium vollendet, egal wie lange das Studium dauert –, in einem angemessenen Verhältnis zu dem stehen, was wir für junge Berufsanfänger tun. Natürlich kommen die jungen Berufsanfänger – das hat mein Vorredner, Kollege Brase, schon gesagt – in erster Linie der Wirtschaft zugute; aber die Ausbildungsleistung selbst ist Millionen, wenn nicht gar Milliarden wert. Insofern gilt den Unternehmen, die ausbilden, unser Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Im Bereich der Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse haben wir in der Bildungspolitik schon viel erreicht: Wir haben einen deutschen Qualifikationsrahmen, und wir haben im Zusammenhang mit dem europäischen Qualifikationsrahmen dafür gekämpft, dass hochwertige Abschlüsse in Lehrberufen wie dem des Technikers oder auch weiterführende Qualifikationen wie der Titel des Meisters mit dem Bachelor gleichgesetzt wurden. Das ist etwas, was wir stärker betonen müssen.

Daraus folgt für mich aber die Frage: Warum ist ein Bachelorstudium generell kostenfrei, und welcher Systematik folgt es, dass ein Meister sein Studium selbst bezahlen muss? Ich verstehe das nicht, und ich denke, auch hier sollten wir etwas ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie mal los!)

– Wollen Sie etwas fragen?

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich frage Sie jetzt mal was!)

Bitte.

Sie haben die Gerechtigkeitslücke angesprochen, die sich daraus ergibt, dass das Studium kostenfrei ist, während die Meister ihre Ausbildung selber bezahlen müssen. Jetzt frage ich Sie, in welche Richtung Sie die Gerechtigkeitslücke schließen wollen: in Richtung der Einführung von Kosten für das Studium oder in Richtung der Einführung von Kostenfreiheit für die Meisterausbildung?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist eine sehr gute Frage, Frau Kollegin.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich danke Ihnen für dieses Kompliment! Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut! –Zurufe: Oh!)

– Wow! Da werde ich ja richtig rot. – Ich möchte nicht in die Richtung gehen, die meine Kollegin Hein von den Linken vorhin in ihrer Rede vorgegeben hat. Sie können es nachlesen: Frau Kollegin Hein hat sich indirekt für Studiengebühren ausgesprochen; das fand ich schon sehr bemerkenswert.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Nein! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was?)

– Ja, Frau Sitte, da haben Sie nicht aufgepasst, da haben Sie die Rede nicht kontrolliert. –

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Lesen Sie unseren Antrag! Da steht das ganz genau drin! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Eine sehr freie Interpretation!)

Mir geht es darum, dass ein Meisterstudium aus meiner Sicht kostenfrei sein muss; das ist mein Ansatz. Im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit halte ich die Systematik, die momentan vorherrscht, für schief – ich erkläre es noch einmal –: Das Bachelorstudium ist generell kostenfrei, das Meisterstudium nicht. Wenn ich versuchen wollte, mit Ihnen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, dann würde ich nicht das sagen, was die OECD sagt, nämlich dass wir für ein sozial gerechtes Studiensystem nachgelagerte Studiengebühren brauchen – O-Ton Professor Schleicher erst vor zwei Tagen –, sondern würde dafür plädieren, zu sagen: Ein Meisterstudium sollte kostenfrei sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD] – Zuruf von der SPD: Sag das mal den Haushältern!)

– Das sagen wir auch den Haushältern.

Herr Kollege, jetzt gibt es noch 15 Sekunden für das Finale.

Recht vielen Dank, Herr Präsident. – In 15 Sekunden werde ich die großen Anstrengungen, die wir in unserem Antrag beschrieben haben, nicht weiter ausführen können. Aber eines ist mir noch ganz wichtig: Wir müssen etwas für die Berufsschullehrer tun, die in den Ländern leider oft das fünfte Rad am Wagen sind. Das heißt auch, dass wir die akademische Ebene der Ausbildung von Berufslehrern stärken müssen. Dafür werden wir uns starkmachen.

Recht vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Ernst Dieter Rossmann für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3437862
Wahlperiode 18
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Berufliche Bildung
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