22.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 4

Joachim PfeifferCDU/CSU - Fairer Handel

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man dem Kollegen Hofreiter zugehört hat und die Anträge liest, die heute vorgelegt wurden,

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist immer hilfreich!)

dann muss man leider feststellen: Zur Sache wird überhaupt nichts gesagt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört!)

Vielmehr wird hier ein Wahlkampfgetöse veranstaltet. Es wird auf Emotionen abgehoben. Es werden Ängste geschürt, die wirklich abwegig sind.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Belegen Sie diese Behauptung!)

Es wird ein Popanz aufgebaut, was Vertraulichkeit und angebliche Geheimhaltung anbelangt. Das ist geradezu abwegig.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch etwas zur Sache! – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die EU-Kommission verhandelt für Europa. Wir stehen am Beginn eines Verhandlungsprozesses. Wir sind gerade in der fünften Verhandlungsrunde. Sie aber glauben schon zu wissen, was dabei herauskommt.

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann frage ich mich: Wo waren Sie denn, als die Chefunterhändler sowohl der Europäischen Union als auch der USA mehrfach in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages und in den Arbeitsgruppen zugegen waren, in denen alle Themen angesprochen wurden, um die es geht und die verhandelt wurden? Wo ist da die Geheimhaltung? Das müssen Sie mir schon einmal erklären.

(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr richtig!)

Jegliche Verhandlungsposition der EU ist ins Internet eingestellt und nachlesbar, vorher und nachher. Wo ist da die Geheimhaltung? Das müssen Sie mir schon einmal erklären.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat sie denn ins Internet gestellt?)

Herr Kollege Ernst möchte Ihnen eine Frage stellen. Lassen Sie sie zu?

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sprechen doch nachher noch!)

Ja.

Herr Pfeiffer, Sie tun ja so, als sei das, wovon wir reden, völlig aus der Luft gegriffen. Ist Ihnen denn bekannt, dass im Rahmen von CETA, also dem fast identischen Abkommen, das mit Kanada geschlossen werden soll, eigentlich letzte Woche über die Texte final hätte verhandelt werden sollen? Dieses Abkommen ist also im Prinzip fertig. Ist Ihnen auch bekannt, dass die Paraphierung offensichtlich auf Druck des deutschen Wirtschaftsministeriums erst einmal nicht durchgeführt wurde und es deshalb noch kein fertiges CETA-Abkommen gibt?

Sie tun so, als würde das Abkommen erst irgendwann kommen und sei noch lang nicht fertig. Wenn das CETA-Abkommen geschlossen wird und dies offensichtlich die Blaupause für TTIP ist, dann können Sie hier doch bitte schön nicht so tun, als gebe es hier gar nichts und wir wären alle neben der Spur.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dass Sie neben der Spur sind, ist unbestritten!)

Lieber Kollege Ernst, ich kann auch anhand Ihres Beitrags nicht erkennen, wo hier Geheimniskrämerei vorherrschen sollte.

(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Zeigen Sie uns den Text!)

Ganz im Gegenteil: Es werden Freihandelsabkommen verhandelt. Die EU hat ein Abkommen mit Südkorea ausgehandelt, das ist in Kraft getreten. Es werden Freihandelsabkommen mit Kanada, mit Japan, mit den ASEAN-Staaten und anderen mehr verhandelt.

Was ist das Ergebnis bisheriger Freihandelsabkommen? Freihandelsabkommen sind Wohlstandsmehrer.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedes Freihandelsabkommen, das wir bisher abgeschlossen haben, hat für alle Beteiligten zu mehr Wohlstand geführt.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Meine Frage war eine andere!)

Ihre Genossen in Kuba und Nordkorea sind keine Teilnehmer der Globalisierung.

(Widerspruch bei der LINKEN)

Mit diesen Ländern haben wir kein Freihandelsabkommen geschlossen. Deshalb geht es den Menschen dort schlechter als uns in Europa und den anderen beteiligten Staaten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Pfeiffer, die Frau Kollegin Höhn möchte Ihnen eine Frage stellen.

Neuer Versuch mit Frau Höhn, beim Kollegen Ernst hat es nicht geklappt. Bitte schön.

Herr Pfeiffer, Sie haben eben gesagt, zum TTIP-Abkommen liege noch gar nichts vor. Was aber vorliegt, sind die Texte zu dem CETA-Abkommen, insbesondere auch die Texte zu den privaten Schiedsverfahren, zu den Geheimgerichten, wie sie der SPD-Spitzenkandidat Schulz immer nennt. Genau diese Texte sind aber jetzt im Rahmen der TTIP-Konsultationen in die Verhandlungen eingebracht worden. Von daher ist in der Tat das CETA-Abkommen die Blaupause für das TTIP-Abkommen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ist Ihnen bekannt, dass in einem solchen Schiedsgerichtsverfahren zum Beispiel Vattenfall aufgrund von anderen, schon früher abgeschlossenen Verträgen die Bundesregierung auf 3,7 Milliarden Euro verklagt hat und dass ein anderes Unternehmen, das in Libyen 5 Millionen Dollar im Tourismusbereich investiert hat und vor das Schiedsgericht gezogen ist, nicht nur diese 5 Millionen Dollar ersetzt bekommen hat, sondern 30 Millionen Dollar zugesprochen bekam, weil sein Ruf ruiniert war, sowie 900 Millionen Dollar für entgangene Gewinne? Halten Sie solche Verfahren, die absolut unfair sind und nur der Investitionssicherheit für Unternehmen und nicht auch allgemeinen Interessen dienen, für gerechtfertigt, und unterstützen Sie diese Verfahren?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Antworten! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Das bestimmen Sie noch lange nicht, wer wie antwortet! Mal ganz ruhig da drüben!)

Genau über diese Fragen wird jetzt verhandelt. Sie sprechen den Investitionsschutz an. Wer ist denn Erfinder des Investitionsschutzes, Frau Höhn?

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland!)

Deutschland ist Erfinder des Investitionsschutzes, und Deutschland hat über 130 Investitionsschutzabkommen mit anderen Ländern abgeschlossen.

Was ist das Ziel von Investitionsschutzabkommen? Wenn Investitionen nicht geschützt sind, sind erfolgreiches Wirtschaften und dementsprechend Investitionen nicht möglich. Deshalb ist das Ziel, dass Investitionen in anderen Ländern entsprechend geschützt werden. Das gibt es schon seit 50 Jahren. Es wird sich jetzt im weiteren Verfahren mit der EU und den USA zeigen, ob Investitionsschutzklauseln oder Schiedsgerichtshöfe notwendig sind oder ob wir zu anderen Lösungen kommen können. Ich kann per se nichts Negatives an solchen Verfahren erkennen, ganz im Gegenteil: Dann können internationale Schiedsgerichte streitige Fragen entsprechend entscheiden.

(Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

Woher nehmen Sie das Recht, zu sagen: „Wir wissen alles besser“ oder „Das amerikanische Rechtssystem ist nicht dafür geeignet“? Solche Fragen werden doch jetzt verhandelt. Wir sind jetzt in der fünften Verhandlungsrunde, und es ist einmal darüber gesprochen worden. Wir, die EU und die USA, haben ein ambitioniertes Ziel, nämlich bis Ende nächsten Jahres zum Ziel zu kommen. Wir sind am Anfang der Verhandlungen, aber Sie wollen schon wissen, wie sie ausgehen. Ich kann nicht erkennen, wo das Problem liegt.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ausverhandelt!)

Lassen Sie uns jetzt aber zur Sache kommen, nämlich zu der Frage, um was es denn wirklich geht.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Genau!)

Kollege Hofreiter hat zumindest einen richtigen Satz gesagt: Wir schaffen den weltgrößten Binnenmarkt mit 800 Millionen Menschen, der 50 Prozent des Weltbruttoinlandsproduktes und ein Drittel des Welthandels ausmacht. – Das ist richtig. Deshalb haben gerade wir Deutsche ein originäres Interesse an dem Abkommen. Wir haben einen Exportanteil von über 50 Prozent. Insbesondere unsere mittelständischen Unternehmen sind deshalb auf Investitionsschutz in anderen Ländern und Planungssicherheit angewiesen. Dieses Abkommen schafft Wachstum in Europa und in den USA.

(Zuruf von der LINKEN: Wie viel denn?)

Ein solches Abkommen führt zu mehr Wachstum in einer Größenordnung von pro Jahr 120 Milliarden Euro in Europa und 95 Milliarden Euro in den USA.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und wann?)

Es geht um 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze, die wir gerade in den Krisenländern Europas dringend benötigen und die dort Wohlstand und Beschäftigung schaffen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt stimmen die Linken zu!)

Insofern ist ein solches Freihandelsabkommen,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Gegen die Menschen gerichtet!)

wie gesagt, ein Wohlstandsmehrer. Gerade wir in Deutschland profitieren doch von solchen Freihandelsabkommen.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Finanzwirtschaft!)

Lassen Sie uns anhand von ein paar Beispielen darstellen, um was es geht. Es geht zum Beispiel um Zollabbau. Jetzt sagen Sie sicherlich: Dabei geht es nicht um viel. Die durchschnittlichen Industriezölle betragen nur 4 Prozent. Aber bei einem täglichen Handelsvolumen von über 2 Milliarden Euro geht es allein im Bereich der Automobilindustrie um über 1 Milliarde US- Dollar pro Jahr an Zöllen, die damit eingespart werden können. Das bedeutet beispielsweise bei einem Mercedes-Pkw, dass dadurch ein Wettbewerbsnachteil im hohen vierstelligen Bereich ausgeglichen wird. Das heißt, es beflügelt unsere Exporte und die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie müssen über Porsche sprechen! – Gegenruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Nehmen Sie das Beispiel Standards. Es geht nicht darum, die Standards zu senken, was wieder behauptet worden ist.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum reden Sie nicht zum Thema?)

Es geht vielmehr darum, dass gleichwertige Standards, zum Beispiel bei Zulassungsverfahren, gegenseitig anerkannt werden.

Wir haben als Union gestern ein Gespräch mit dem neuen VDMA-Präsidenten geführt, der selber mittelständischer Unternehmer ist. Er hat an einem konkreten Beispiel dargelegt, dass seine Maschinen einen Kostenaufschlag von 18 Prozent erfahren, weil er dieselben Maschinen sowohl in Europa als auch in den USA zertifizieren lassen muss. Das stellt überhaupt keinen Mehrwert, sondern nur ein außertarifäres Handelshemmnis dar und erhöht die Kosten. Solche Kosten sollen in Zukunft durch das Freihandelsabkommen mit den USA gesenkt werden. Die gegenseitige Anerkennung von Standards eröffnet insbesondere dem deutschen Mittelstand riesige Chancen und verschafft ihm riesige Wettbewerbsvorteile in den USA.

Nehmen Sie das öffentliche Beschaffungswesen, die Buy-American-Klausel in den USA oder den Tankerauftrag, der zuerst Airbus erteilt wurde, dann aber rückgängig gemacht wurde, als Beispiele. Sie machen deutlich, dass die Beschaffungsprozesse bislang weder transparent noch nachvollziehbar und aus unserer Sicht auch nicht gerecht ablaufen. So etwas soll in Zukunft im gegenseitigen Interesse geregelt werden. Im Ergebnis werden beide Seiten Vorteile haben, wenn niemand mehr bei den Beschaffungsprozessen des jeweils anderen benachteiligt wird. Auch dies ist eine Chance, den Mehrwert zu steigern.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist Realitätsverweigerung!)

– Das sind die Fakten, über die wir reden. Es geht nicht um eine angebliche Absenkung von Standards.

(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Wo werden denn Standards abgesenkt? Herr Ernst, Sie sind doch angeblich Gewerkschafter. Fragen Sie doch einmal Ihre Kollegen aus Skandinavien. Diese sind an der Spitze der Bewegung pro TTIP,

(Beifall bei der CDU/CSU)

weil sie die Chance sehen, dass unsere Standards weltweit verankert werden. Die Gewerkschaften in Skandinavien sind alle für dieses Freihandelsabkommen. Gehen Sie bei diesen einmal in die Lehre, Herr Ernst! Dann können wir darüber sprechen, ob es Sinn macht oder nicht.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Es macht keinen Sinn, wenn er in die Lehre geht!)

Herr Pfeiffer, der Kollege Dehm wünscht, eine Zwischenfrage zu stellen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Den lassen wir nicht fragen!)

In Ordnung.

Herr Kollege, alles, was Sie jetzt aufgeführt haben, wurde zum Beispiel in Bezug auf Südafrika gelöst, ohne dass Freihandelsabkommen abgeschlossen wurden. Vieles lässt sich vereinheitlichen und vereinfachen, zum Beispiel Zertifizierungsverfahren oder Doppelbesteuerungsabkommen, alles ohne ein Freihandelsabkommen abzuschließen, das die zivilisatorischen und sozialen Standards systematisch senkt und die Tarife und Standards reduziert, also die Menschen um das bringt, was sie errungen haben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das denn? Wenn Sie Wahrsager sind, sagen Sie die Lottozahlen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Blödsinn!)

Dies alles darf nicht Gegenstand eines Freihandelsabkommens sein. Ich bitte Sie einfach, Birnen nicht mit Äpfeln zu vergleichen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Als hätten wir bislang keine Freihandelsabkommen!)

Sie müssen mir schon einmal erklären, wo Standards durch Freihandelsabkommen gesenkt wurden; das würde mich interessieren.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: NAFTA!)

Worum geht es denn? Ich habe vorhin auf die Bedeutung und das Ausmaß dieses Freihandelsabkommens hingewiesen: 50 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts und 800 Millionen Menschen. Was ist denn die Alternative? Ich habe gerade gesagt, mit wem wir noch über Freihandelsabkommen verhandeln. Auch die USA verhandeln über weitere Freihandelsabkommen, zum Beispiel TPP, Trans-Pacific Partnership. Die entscheidende Frage lautet, ob es uns zusammen mit den USA gelingt, unsere Standards im Arbeitnehmerschutz, im Umweltschutz, im Datenschutz und im Verbraucherschutz gegenseitig anzuerkennen und damit die Chance zu eröffnen, dass sie weltweit zum Standard werden, oder ob andere Staaten aus Asien wie China zusammen mit den USA die Standards setzen. Das ist die Frage, vor der wir stehen. Es geht darum, ob wir in der Welt mitgestalten oder nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden in der Welt nicht mitgestalten, wenn wir uns, wie Sie fordern, verabschieden und die Verhandlungen über TTIP beenden. Das ist an Absurdität nicht zu überbieten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jawohl! Hunderttausende in Deutschland wollen das beenden!)

Frau Künast, Sie haben das Chlorhühnchen als Thema immer ganz oben auf der Agenda stehen, während Herr Hofreiter mittlerweile die Fahne etwas eingerollt hat. Ich will erläutern, worum es bei dem Chlorhühnchen eigentlich geht. Auch da wird ein Popanz aufgebaut und so getan, als stehe der Weltuntergang beim Verbraucherschutz unmittelbar bevor. Um was geht es? Die Hühnchen werden in den USA nicht mit Chlor oder was weiß ich gefüttert, sondern sie werden in Chlor getaucht, um sie zu desinfizieren.

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir in Europa haben andere Verfahren. Der amerikanische Verbraucher wundert sich zum Teil schon sehr, was in Europa so in die Pfanne kommt, ohne desinfiziert zu werden.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die haben eine ganz andere Sicht der Dinge. Im Moment gibt es ein Verfahren bei der WTO, in dem es darum geht, ob die Chlorhühnchen nach Europa importiert werden können oder nicht. Alle Gutachten der Europäischen Union kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die gechlorten Hühnchen nicht giftig sind und es keinerlei Grund gibt, sie nicht nach Europa zu importieren.

(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bravo!)

Was wird das Ergebnis des WTO-Verfahrens sein? Das Ergebnis wird sein, dass ungekennzeichnet und unbegrenzt Chlorhühnchen nach Europa kommen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Chlorhühnchen auf dem Oktoberfest!)

Über TTIP haben wir umgekehrt die Chance – das muss doch in Ihrem Interesse sein –, zu einer Kennzeichnungspflicht zu kommen oder über Kontingente zu sprechen. Darüber wird jetzt verhandelt. Unterstützen Sie uns doch in den Verhandlungen, damit wir zu einer Kennzeichnungspflicht kommen.

Ich fühle mich in der Angelegenheit sehr fatal an die Diskussion erinnert, die wir vor 25 Jahren über das Reinheitsgebot des deutschen Bieres geführt haben. Als der europäische Binnenmarkt verabredet wurde, war man in Deutschland auch der Meinung, der Untergang des Abendlandes und des Reinheitsgebotes des deutschen Bieres stünden nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland unmittelbar bevor. Was ist das Ergebnis der Entwicklung? Heute trinken wir in Deutschland immer noch zu über 95 Prozent Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde. Das ist ein anerkannter Qualitätsstandard. Der Konsument kann selbst entscheiden, welches Bier er trinkt. Entgegen anderslautender Befürchtungen ist auch noch keiner beim Trinken von Heineken-Bier in der Hotelbar geschädigt worden.

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Zumindest nicht, wenn er das Bier in angemessenen Mengen getrunken hat. Am Reinheitsgebot wird es mit Sicherheit nicht liegen. – Genauso wenig wird das bei den Chlorhühnchen der Fall sein. Deshalb geht es darum, entsprechende Standards zu setzen, wobei am Markt jeder Verbraucher entscheiden kann, was er konsumiert.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann Ihnen empfehlen, nach dieser Rede nicht nach Bayern zu reisen!)

– Dass strafrechtliche Aspekte auch im Freihandelsabkommen behandelt werden, glaube ich nicht, Herr Hofreiter; insofern müssen Sie keine Befürchtungen haben, dass in dieser Angelegenheit irgendetwas anbrennt.

Ich möchte zusammenfassen. Es gibt viele offene Fragen, die in dem Verhandlungsprozess zu klären sind. Deshalb müssen wir verhandeln und das Abkommen zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten machen, insbesondere für uns in Deutschland, für den deutschen Mittelstand, für die deutsche Wirtschaft und für den deutschen Verbraucher. Wenn wir uns dem verweigern und nicht verhandeln, dann werden, wie gesagt, die Standards von anderen in der Welt gesetzt. Das Ergebnis wird sein, dass wir weder in Deutschland noch in Europa in diesen Fragen weltweit eine Rolle spielen.

Ich frage Sie: Wollen Sie das? Ich glaube nicht, dass Sie es wollen. Deshalb lassen Sie uns die Gelegenheit, die wir auch als nationales Parlament haben, nutzen, uns in den Verhandlungsprozess einzubringen, uns zu informieren und unsere Positionen deutlich zu machen, damit diese in den Verhandlungen berücksichtigt und umgesetzt werden. Dann haben wir die Chance, mit dem weltgrößten Binnenmarkt Wachstum zu schaffen, den Menschen zu nützen und durch Freihandel und Investitionsschutz als Wohlstandsmehrer in der Zukunft Zeichen zu setzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als nächster Redner hat der Kollege Ernst das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3439641
Wahlperiode 18
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Fairer Handel
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