Edelgard Bulmahn - Fairer Handel
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Freihandelsabkommen EU/USA, TTIP, ist ein Streit entbrannt, nicht nur hier im Plenum.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?)
Es gibt zwei Lager, zwei extreme Lager. Das eine Lager sagt – das scheint auch aus Ihren Anträgen heraus –: Wir lehnen Verhandlungen ab bzw. wir verlangen, dass sie abgebrochen werden.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir beantragen die Zitate von Herrn Gabriel! Kennen Sie Herrn Gabriel?)
Das zweite Lager sagt: Wir wollen TTIP. Wir wollen ein Freihandelsabkommen um jeden Preis. Was darin steht, ist egal. – Beide Positionen sind extrem.
Die SPD spricht sich für ein kritisches, aber substanzielles Verhandeln
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiter wie bisher!)
mit den USA aus – auf der Ebene der EU.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis zum 25. Mai!)
Die SPD setzt sich also dafür ein, dass wir den Versuch unternehmen, diese beiden Wirtschaftsräume mit einem Freihandelsabkommen noch stärker zu verschränken.
Die Verhandlungen finden unter denkbar schwierigen Ausgangsbedingungen statt. Wir haben auf der einen Seite die Erfahrung mit ACTA. Wir haben auf der anderen Seite die Erfahrung mit der NSA und den Unwillen der USA, ein No-Spy-Abkommen abzuschließen. Wir haben in der Öffentlichkeit eine Diskussion, in der gesagt wird, dass die Verhandlungen mangelnde Transparenz hätten. Eine Riesenbewegung – Campact, 450 000 Unterschriften – stellt sich gegen Verhandlungen auf. Ich begrüße es, dass sich die Öffentlichkeit mit diesem Thema beschäftigt und dass wir heute im Parlament die Gelegenheit haben, öffentlich darüber zu diskutieren.
(Beifall bei der SPD)
Auch wenn die Ausgangsbedingungen schlecht sind, lohnt es sich meiner Ansicht nach, in die Verhandlungen zu gehen und Sondierungsgespräche zu führen. Das lohnt sich aber nur dann, wenn ganz klar ist, was wir nicht wollen, und wenn klar ist, was wir wollen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie doch mal, was Sie wollen!)
Ich möchte nun darlegen, was wir nicht wollen:
Erstens. Wir wollen nicht, dass die Verhandlungen im Hinterzimmer stattfinden. Erst die Sozialdemokraten und andere haben auf europäischer Ebene dafür gesorgt, dass die Verhandlungskommission in der EU überhaupt Dokumente transparent gemacht hat.
(Beifall bei der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Schwachsinn!)
Wie kann es sein, dass man, nachdem man die Erfahrungen mit ACTA gemacht hat, dies nicht von vornherein tut? Das hat die Öffentlichkeit verunsichert.
Zweitens. Es wird mit der SPD kein Abkommen geben, wenn nicht ein sogenanntes gemischtes Verfahren zur Anwendung kommt. Für die Damen und Herren auf der Tribüne: Das besagt genau das, was Herr Ernst gefordert hat, nämlich, dass der Deutsche Bundestag und alle anderen nationalen Parlamente an den Abstimmungen beteiligt werden. Ist dies nicht der Fall, wird es keine Zustimmung der Sozialdemokraten geben.
(Beifall bei der SPD)
Drittens. Wir ziehen ganz klare rote Linien, was die Standards angeht. Das betrifft unter anderem den Gesundheitsbereich und die Lebensmittel, beispielsweise das Chlorhühnchen.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Arbeitsschutz!)
Wir werden im Rahmen von TTIP keinen Standard in der EU oder in Deutschland verringern.
(Beifall bei der SPD)
Herr Ernst, ich glaube, Sie waren dabei, als der Verhandlungsführer der EU, Herr Bercero, bei uns war. Wir haben damals die Frage nach den ILO-Arbeitsnormen, den internationalen Standards, gestellt. Wir wissen, dass die USA bisher erst zwei von zwölf Kapiteln ratifiziert haben. Da wurde gesagt: Wir können es nicht zur Vorbedingung machen, dass die ILO-Normen ratifiziert werden. Die SPD wird es aber zur Bedingung machen, dass ein Kapitel im Rahmen der TTIP-Verhandlungen in den Vertrag einfließt, das zur Anerkennung der ILO-Arbeitsnormen in den USA führt.
(Beifall bei der SPD)
Herr Tiefensee, lassen Sie eine Frage von Herrn Liebich zu?
Bitte.
Vielen Dank, Herr Tiefensee, dass Sie die Frage zulassen. – Wie bewerten Sie denn den Vorschlag des SPD- Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass das Freihandelsabkommen nur unterzeichnet werden darf, wenn der US-Geheimdienst NSA seine Spionage auf deutschem Boden beendet?
Vielen Dank für die Frage. Das ist genau der Punkt. Es gelingt offensichtlich nicht. Es ist anscheinend selbst zwischen befreundeten Partnern nicht möglich, ein dringend notwendiges No-Spy-Abkommen abzuschließen. Es dauert noch wesentlich länger, als wir glauben.
Die TTIP-Verhandlungen für die Aufnahme eines entsprechenden Kapitels nutzen oder in Parallelverhandlungen die Unterzeichnung eines No-Spy-ähnlichen Abkommens erreichen zu wollen, das dem Vorschlag von Sigmar Gabriel gerecht wird, ist aller Ehren wert. Diese Verhandlungen müssen geführt werden. Wir haben die Riesenchance, das zu tun.
(Beifall bei der SPD)
Noch einmal: Die ILO-Arbeitsnormen müssen sowohl in Europa als auch in den USA Standard sein.
Es gibt noch eine zweite Nachfrage, und zwar vom Kollegen Ebner.
Das habe ich gesehen. Bitte schön.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Tiefensee, Sie sagten, mit der SPD werden im Rahmen der TTIP-Verhandlungen keine Standards abgesenkt. Ich möchte Sie fragen: Wie bewerten Sie denn die Tatsache, dass bereits jetzt im Vorfeld des Abkommens die geltenden Standards bzw. beabsichtigten Regulationen der EU im Bereich der Umwelt und der Gesundheit reihenweise abgesenkt werden? Ich nenne da nur die Milchsäurebehandlung von Schlachtkörpern bei Rindern, die bislang heiß umstritten war und nun erlaubt wurde. Ich nenne den Wegfall der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderten Honig. Ich nenne auch das In-der-Schublade-Verschwinden einer EU-Richtlinie zum Vorgehen gegen Endokrin, also gegen hormonell hochwirksame Pestizide, die dringend notwendig gewesen wäre. Auch nenne ich den derzeitigen Entwurf der EU-Ökoverordnung, aus dem mir nichts, dir nichts jeder Grenzwert für gentechnisch veränderte Organismen herausgestrichen wurde. Das alles geschah in vorauseilendem Gehorsam. Wenn wir schon vorher die Standards absenken, haben Sie am Ende recht, wenn Sie sagen: Bei TTIP senken wir nichts ab. Wie bewerten Sie das?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Was für eine absurde Sichtweise!
(Beifall bei der SPD)
Die EU verhandelt auf unterschiedlichsten Feldern über Richtlinien, Verordnungen und Gesetze. Sie wollen jetzt mit Ihrer Frage suggerieren, dass während dieser Sondierungsgespräche – das sind übrigens keine Verhandlungen – all die Gesetze, Verordnungen und Verlautbarungen der EU etwas mit diesen Verhandlungen – es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit weiß, dass wir frühestens Ende 2015, Anfang 2016 in die Endkurve kommen werden – zu tun haben, und deshalb müssten wir sie ablehnen. Was für ein Unsinn! Kümmern Sie sich gemeinsam mit uns darum, dass in der EU die Standards gleich bleiben oder erhöht werden und dass es auf allen Feldern – ob Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz oder sozialer Bereich – Verbesserungen gibt. Das ist unsere Aufgabe – und nicht, eine unsinnige Verknüpfung mit laufenden Sondierungsgesprächen herzustellen.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt noch eine rote Linie.
Herr Tiefensee, Entschuldigung, es gibt noch zwei Wünsche nach einer Zwischenfrage.
Ich habe Verständnis dafür.
Frau Hänsel und Herr Ernst möchten eine Zwischenfrage stellen. – Ich habe eine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen. Wir haben jetzt schon eine Tagesordnung bis 0.30 Uhr. Ich bitte Sie, das ein wenig im Auge zu behalten. Die Debatte, die wir führen, ist – keine Frage – wichtig und auch notwendig, trotzdem bitte ich Sie, die Tagesordnung im Auge zu behalten. – Frau Hänsel.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich muss Ihnen diese Nachfrage stellen, Herr Tiefensee, weil Sie selbst nämlich in dem Gespräch mit Herrn Bercero, auf das Sie sich beziehen, gesagt haben, es gäbe kein Junktim zwischen TTIP-Verhandlungen und einem No-Spy- Abkommen. Da frage ich mich doch: Wie kommen Sie denn jetzt zu einer anderen Erkenntnis? Stehen Sie eigentlich – auch mit Blick auf die Diskussion im Wahlkampf – so unter Druck, dass Sie nun plötzlich mit anderen Aussagen hier an die Öffentlichkeit gehen, was TTIP und die Frage des No-Spy-Abkommens betrifft?
Zweitens möchte ich Sie etwas in Bezug auf die ILO- Konventionen fragen. Da haben wir auch schon Erfahrungen. Wir haben so viele Erfahrungen mit Freihandelsabkommen: Im Rahmen des NAFTA-Abkommens zwischen Mexiko, den USA und Kanada wurde genau das – nämlich Einhaltung der ILO-Konventionen bzw. aller internationalen Arbeitsstandards – vereinbart. In einem Nebenabkommen wurde aber festgehalten, dass man den jeweiligen Rechtszustand des einzelnen Staates anerkennt. Damit waren die ILO-Normen, die großartig bestätigt wurden, plötzlich unterlaufen. Was war die Folge? Für US-Konzerne und auch für kanadische Konzerne, die sich in den USA niedergelassen haben, war es möglich, sämtliche ILO-Standards in Kanada – was Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz usw. angeht – zu zerschlagen. Weil wir schon zahlreiche Erfahrungen mit Freihandelsabkommen haben, finde ich, dass es mehr als blauäugig ist, hier solche Dinge zu erzählen. Es ist eine Täuschung der Bevölkerung.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Hänsel, ich bin enttäuscht darüber, dass Sie diese Bühne nutzen, mich in Bezug auf die Befragung Herrn Berceros falsch zu zitieren. Das ist nicht in Ordnung!
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen aufpassen, dass wir auch unter Abgeordneten fair bleiben. – Das weise ich ganz entschieden zurück. Ich habe definitiv gesagt: Es gibt kein Junktim: No-Spy-Abkommen Voraussetzung für TTIP. Im gleichen Atemzug habe ich gesagt: Die SPD wird aber keinem Abkommen zustimmen, welches nicht ein Datenschutzkapitel beinhaltet, das unter anderem den Vorschlag von Sigmar Gabriel und anderen aufgreift. Sie verkürzen das hier und unterstellen mir sogar, ich hätte meine Meinung geändert. Sie wissen, dass die Gespräche seit Wochen und Monaten laufen. – Das war der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist: Erfahrung hin oder her – wir werden gleich auf das Investorenschutzabkommen zu sprechen kommen –, wir sind in neuen Sondierungsgesprächen über ein Freihandelsabkommen, das möglicherweise zustande kommt. Dieses Freihandelsabkommen soll eine Art Blaupause sein für einen globalen Handel im 21. Jahrhundert. Die Abkommen der Vorzeit, unter anderem das berühmte mit Pakistan mit der ersten Investorenschutzklausel, liegen weit zurück. Wir werden dafür sorgen, dass Normen, auch die ILO-Arbeitsnorm, in Deutschland, der EU oder wo auch immer nicht abgesenkt werden auf dem Wege von TTIP. Das wird nicht möglich sein. Wenn es in irgendeiner Weise möglich wäre, wird es mit der SPD ein solches Abkommen nicht geben.
(Beifall bei der SPD)
Es gibt immer noch die Bitte von Herrn Ernst, eine Zwischenfrage zu stellen.
Herr Tiefensee, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Ich bin Ihnen dankbar für die klare Position, dass die SPD nicht zustimmen wird. Ich nehme das mit Freude zur Kenntnis. Ich nehme das auch ernst. Aber ich frage mich, ob es überhaupt notwendig ist. Wenn es so sein sollte, dass sich die Europäische Kommission bei der Frage durchsetzt, dass es sich überhaupt nicht um ein gemischtes Abkommen handelt, dann frage ich Sie: Schätzen Sie die Macht der SPD so stark ein, dass ihr Einfluss unterhalb der Ebene der parlamentarischen Abstimmung, die es dann nicht gibt – mit uns und den Grünen hätten Sie vermutlich eine Mehrheit zur Ablehnung –, reicht, um das fertige Abkommen, auf das Sie und wir gar keinen Einfluss mehr haben, noch zu verhindern, oder müssen wir zu anderen Maßnahmen kommen? Ich freue mich, dass Sie dies so sagen, aber ich weiß nicht, ob es so klappt.
Zu einem anderen Punkt: zu CETA. Wird die SPD auch CETA verhindern, wenn es eine Klausel zum Investorenschutz geben wird, wie es sich derzeit abzeichnet?
Zwei Vorbemerkungen zum gemischten Verfahren. Ich bin dankbar für Ihre Frage. Sie haben vorhin sehr laut und sehr theatralisch gefragt: Wie kann es sein, dass der Europäische Gerichtshof angerufen wird? Wenn man Europa ein bisschen kennt, weiß man: Nur der Europäische Gerichtshof kann entscheiden, ob es ein gemischtes Verfahren ist.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das muss die EU aber nicht machen!)
Der zweite Punkt ist: Selbst für den Fall, dass es kein gemischtes Abkommen gäbe – wir wollen das –, kann eine Bundesregierung nie ohne ein Parlament entscheiden, weil der Europäische Rat, das heißt die Regierungschefs, ausschließlich mit einem Mandat ihrer Parlamente abstimmen dürfen. Also in Bildern gesprochen: Frau Merkel ist Bundeskanzlerin. Wenn das Thema noch bis zur Legislaturperiode 2017 auf der Tagesordnung steht, dann kann sie unmöglich nach Brüssel reisen und einem Abkommen zustimmen, wenn das nationale Parlament nicht zugestimmt hat. Das als Vorbemerkung.
Dennoch sagen wir: Wir wollen ein gemischtes Verfahren. Warum? Es ist notwendig, dass die Parlamente beteiligt werden, um deutlich zu machen, dass es eine Aufgabe und ein Thema von nationaler Bedeutung ist. Aus diesem Grunde verlangen wir ein gemischtes Verfahren. Das wird auch so kommen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: CETA? Meine zweite Frage!)
– CETA ist jetzt auf dem Tisch.
Ich bin sicher, dass wir all das, was wir jetzt in breiter Öffentlichkeit zu TTIP diskutieren, auch auf CETA übertragen werden, in welcher Form auch immer. Die Verhandlungen sind von der Öffentlichkeit nicht so stark beachtet worden, deshalb denke ich, dass es eine Harmonisierung sowohl der Beschlussfassung über CETA als auch möglicherweise über TTIP geben wird.
Jetzt zum Investorenschutz. Der Investorenschutz – sprich: die Klausel, die Investoren und Staaten in einem Schiedsgerichtsverfahren verbindet – ist zwischen den USA und der EU nicht nötig. Das Europäische Parlament mit seiner sozialdemokratischen Fraktion hat eindeutig gesagt: Wir werden einem Abkommen mit einer Investorenschutzklausel nicht zustimmen. Die brauchen wir nicht. Im Übrigen wissen Sie durch Äußerungen von Herrn Gabriel und Frau Zypries, dass Deutschland auf europäischer Ebene eine solche Klausel nicht will. Deutschland ist einer der wenigen Nationalstaaten innerhalb der EU, die dafür kein Verhandlungsmandat erteilen wollten; leider sind wir überstimmt worden. Wir werden das bei der Bewertung des Ergebnisses berücksichtigen.
Herr Tiefensee, die Kollegin Höhn bittet um eine Zwischenfrage.
Frau Höhn, bitte.
Ich mache es total kurz und bitte auch um eine total kurze Antwort. In der Tat haben Sie eben gesagt: Einer Investitionsschutzklausel werden Sie nicht zustimmen, weil Sie sie für falsch halten; auch Ihr Spitzenkandidat für die Europawahl hält sie für falsch, die Umweltministerin hält sie für falsch, der Wirtschaftsminister hält sie für falsch. Im CETA-Abkommen ist aber eine solche Investitionsschutzklausel enthalten. Unternehmen, die in den USA ihren Hauptsitz haben, können über Tochterfirmen in Kanada auf Grundlage des CETA-Abkommens klagen. Deshalb die Frage: Gilt die Aussage, dass Sie gegen jede Investitionsschutzklausel sind, auch für das CETA-Abkommen? Werden Sie gegen das CETA-Abkommen stimmen, wenn es eine solche Investitionsschutzklausel enthält, ja oder nein?
Ich will und kann das allein deshalb nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten,
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)
weil wir jetzt in einer Phase der Harmonisierung der beiden Verhandlungen sind, wobei die Verhandlungen über CETA wesentlich weiter fortgeschritten sind. Im Zusammenhang mit dem Investorenschutz denkt man bei den Verhandlungen über CETA darüber nach, ähnlich wie bei der WTO eine Kammer einzurichten, also eine besondere, neue Art von Schiedsgericht. Man muss sich diesen Vorschlag anschauen.
Sie wissen vielleicht – es könnte Ihrer Information dienen –, dass wir uns im Zusammenhang mit dem Investorenschutz im völkerrechtlichen Bereich und nicht im nationalstaatlichen Bereich befinden. Das heißt, es war interessant, bei den Verhandlungen über CETA darüber zu diskutieren: Gibt es möglicherweise eine Harmonisierung zwischen dem Verfahren, das in der WTO angestrebt wird, und dem Verfahren, das wir bei dem Abkommen zwischen Kanada und Europa brauchen? Diese Diskussion ist – so meine Kenntnis – nicht abgeschlossen. Wenn das Abkommen eine Kammer vorsieht, die keinen Sinn und keinen Wert hat, oder man hier gar in das bekannte Verfahren einmündet, dass ein Schiedsgericht entscheiden soll, dessen Zusammensetzung nicht klar ist, dann gehe ich davon aus, dass wir von der SPD auf europäischer Ebene nicht zustimmen können.
(Beifall bei der SPD)
Schließlich möchte ich ein paar rote Linien ansprechen. Es muss sich keiner Sorgen machen, dass unsere Regeln für öffentliche Ausschreibungen ausgehöhlt werden. Es gibt in den Kommunen eine große Sorge, dass in einem entsprechenden Kapitel des Abkommens dafür gesorgt werden könnte, dass die öffentliche Daseinsvorsorge, die in Deutschland und Europa ganz anders gestaltet ist als in den USA, einen Schaden erleiden könnte. Auch da gibt es für uns eine rote Linie.
Das Gleiche gilt für – ich höre auch hier immer wieder von den Sorgen – die Buchpreisbindung. Ich habe unlängst bei der Eröffnung der Leipziger Buchmesse gehört, wie der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels dringend darum gebeten hat, dieses hohe Gut in Deutschland zu schützen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir sowohl bei der öffentlichen Daseinsvorsorge als auch bei unserem Bankensystem und der Frage unserer dualen Berufsausbildung vielleicht nicht so sehr mit den USA zu kämpfen haben, sondern zunächst einmal auf der europäischen Ebene.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
Deutschland wird dafür sorgen, dass diese Standards weder auf der europäischen Ebene, durch die Hintertür, noch über TTIP abgesenkt werden.
Summa summarum, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir gehören weder zu dem Lager, das eine strikte Ablehnung des Abkommens fordert, noch zu dem Lager, das eine Annahme fordert, egal was drinsteht. Wir wollen den Weg gehen, etwas für die beiden Handelsräume zu tun, indem wir nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen, Normen und Standards vereinheitlichen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zu einer höheren Wertschöpfung beitragen, damit – falls die Verhandlungen erfolgreich sind – beide Wirtschaftsräume und indirekt alle Menschen in diesen Räumen einen Nutzen daraus ziehen. Lassen Sie uns in die Sondierungen, in die Verhandlungen gehen, lassen Sie uns gründlich verhandeln, sehr kritisch, aber nicht prinzipiell ablehnend.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katharina Dröge von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3439686 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Fairer Handel |