22.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 4

Claudia TausendSPD - Fairer Handel

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Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, dass wir heute Gelegenheit haben, uns mit dem Freihandels- und Investitionsschutzabkommen auseinanderzusetzen; denn das Thema beherrscht die Öffentlichkeit und die Schlagzeilen. Nicht alles, was wir in der Presse lesen und was wir auf den Veranstaltungen in unseren Wahlkreisen erleben, trifft den Kern der Debatte richtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen, noch lieber wäre mir gewesen, diese Debatte in der nächsten Sitzungswoche in 14 Tagen zu führen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich!)

Das hätte manches entspannt und mit Sicherheit auch den sachgerechten Umgang mit diesem Thema befördert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde die Debatte zwar sehr lebhaft, interessant und auch sehr zünftig, wie ich als Bayerin sagen darf. Aber ich glaube, dass unsere Aufgabe als Mitglieder des Bundestages in der Aufklärung sowie der sachgerechten Information und Beratung besteht.

Ich glaube nicht, dass uns die Zeit davongelaufen wäre. Die Kollegin Lanzinger hat nicht als Einzige betont, dass wir am Anfang der Diskussionen stehen. Wir werden mehrere Verhandlungsrunden vor uns haben. Dass in der laufenden Verhandlungsrunde – genauso wie in den Verhandlungsrunden in den nächsten Monaten – nicht sehr viel passieren wird, dürfen wir vermuten. Schließlich findet in wenigen Tagen die Europawahl statt. Danach muss sich die Kommission neu bilden. Wir wissen noch nicht, wer neuer zuständiger Kommissar wird. Gleichzeitig finden in den USA Midterm Elections statt. Wir stehen also überhaupt nicht unter Zeitdruck, sondern können uns alle Zeit der Welt lassen, um die komplexe Materie gründlich zu beleuchten.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit CETA?)

Kollegin Höhn, viele Menschen haben Angst vor TTIP. Wir nehmen das absolut ernst. Die 480 000 Unterschriften von Campact – das ist die Zahl, die mir bekannt ist – werden wir zu würdigen haben und in unseren Überlegungen berücksichtigen müssen. Wer in seinem Wahlkreis unterwegs ist, hört quasi live, wie groß die Angst ist, wie viele vermeintliche oder tatsächliche Gefahren von TTIP ausgehen.

(Beifall bei der SPD)

Das öffentliche Bewusstsein zeigt: Das Frühwarnsystem hat funktioniert. Es wurde reagiert, auch von der EU-Kommission durch das Konsultationsverfahren für das Investitionsschutzabkommen. Unabhängig davon, wie man zu diesem Thema steht – der Kollege Tiefensee hat sich dazu ausführlich geäußert –, begrüße ich, dass auch die Kommission lernfähig war und erkannt hat, dass mehr Transparenz zwingend erforderlich ist, um Klarheit in der Öffentlichkeit zu schaffen und so überhaupt erst Zustimmung zum weiteren Vorgehen und zum Ergebnis zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn sich schon die Kollegin Lanzinger in diesem Punkt verdient gemacht hat, möchte ich versuchen, zu erklären, worum es bei TTIP eigentlich geht. Es geht wirklich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, um die Einfuhr des Chlorhuhns oder des Chlorhähnchens, es geht auch nicht um den Marktzugang für das Genfood oder für das Hormonfleisch. Sie können es mir glauben oder nicht, aber in der offiziellen Information der EU-Kommission ist zu lesen – ich zitiere –:

Ich denke, man sollte weniger Misstrauen walten lassen, sondern diese Auskünfte der Europäischen Kommission ernst nehmen.

Worum geht es dann? Es geht auch – das wurde schon ausführlich dargestellt – um den Abbau von Zollschranken und in zweiter Linie um den Abbau von technischen Handelshemmnissen, von nichttarifären Handelshemmnissen, von Doppeltests, von doppelten Zulassungs- und Prüfverfahren. Jetzt komme auch ich zum Thema Mittelstand. Was will der Mittelstand? Den Mittelstand, Herr Kollege Ernst, nehmen auch wir in Bayern sehr ernst. Der will nicht seine Bäckersemmel – das haben Sie mir vorhin zugeflüstert – exportieren. Es gibt auch Zulieferer zu exportorientierten Industrieunternehmen, Automobilkonzernen etc. Ich kenne Umfragen, nach denen etwa zwischen 60 und 80 Prozent der Mittelständler – ich hatte gestern ein Gespräch mit unserer IHK – TTIP begrüßen, weil sie sich erhoffen, ihre Exportchancen zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich muss zum Schluss kommen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schade!)

Ich begrüße ausdrücklich die Initiative des Bundeswirtschaftsministers, die Zivilgesellschaft einzubinden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gestern hat er einen Beirat gegründet. Dazu gehören der BDI, der Außenhandelsverband, der DGB, der Deutsche Städtetag, die Verbraucherzentrale, der Naturschutzring und der Bund Naturschutz. Das ist der richtige Weg, um mit den Bedenken der Zivilgesellschaft umzugehen. Die roten Linien sind ausführlich dargestellt worden. Aber lassen Sie mich bitte noch einen Punkt herausgreifen. Es ist mir als langjähriger Kommunalpolitikerin ein besonderes Anliegen, die öffentliche Daseinsvorsorge auf Dauer zu sichern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir hatten das Thema Wasser zweimal im Feuer vonseiten der Kommission, einmal mit der Konzessionsrichtlinie und zuvor mit der Dienstleistungsrichtlinie. Ich schließe mich auch hier komplett der Forderung des Deutschen Städtetags unter seinem Vorsitzenden Dr. Uli Maly an: Die öffentliche Daseinsvorsorge muss ohne Wenn und Aber erhalten bleiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, die sozialen Dienstleistungen, der ÖPNV, Abfallwirtschaft, Kultur und Bildung gehören dazu. Deswegen bin ich ausdrücklich für eine Positivliste, was bedeutet, dass nur über die Dinge, die ausdrücklich im Verhandlungsmandat stehen, tatsächlich verhandelt wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum Schluss. Es ist mehrfach dargestellt worden: Die SPD nimmt das Thema Risiken ernst, sieht aber durchaus auch Chancen. Wir begleiten die Verhandlungen kritisch, führen den Dialog mit der Zivilgesellschaft und sagen klipp und klar: Ein Freihandelsabkommen und Investitionsschutzabkommen um jeden Preis wird es mit uns nicht geben.

Ich bedanke mich für das Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede, Frau Tausend, in dieser lebhaften Debatte.

(Beifall)

Jetzt hat der Kollege Matthias Heider von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3439743
Wahlperiode 18
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Fairer Handel
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