Kersten SteinkeDIE LINKE - Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2013
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute fast in der Kernzeit unseren Jahresbericht vorstellen können – ich hoffe, das nächste Mal wird die Debatte in der Kernzeit stattfinden –; deshalb mein herzliches Dankeschön an die parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen!
Das Berichtsjahr 2013 war in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich.
Zum Ersten ist unser Bericht – bezogen auf die Tätigkeit der Abgeordneten – eigentlich ein Halbjahresbericht; denn die Sommerpause und die Bundestagswahl sowie die darauffolgenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche bescherten uns eine unfreiwillige und ungewohnt lange Auszeit. Ein knappes halbes Jahr gab es keine parlamentarische Beratung von Petitionen. Dies hat sich in einigen Fällen auch auf die Bearbeitungszeit von Petitionen ausgewirkt. Ich bitte deshalb die vielen Bürgerinnen und Bürger, die die Weiterführung bzw. den Abschluss ihres jeweiligen Petitionsverfahren in dieser Zeit anfragten, um Verständnis.
Zum Zweiten wird die jetzige Debatte weitgehend von Ausschussmitgliedern bestritten, die im Berichtsjahr noch gar nicht Mitglied des Bundestages, geschweige denn Mitglied des Petitionsausschusses waren.
Zum Dritten wurde mit einem Anteil von 45 Prozent an den Gesamteingaben ein neuer Spitzenwert seit 2005 bei der Eingabe von Petitionen auf elektronischem Weg erreicht.
Zwei Zahlen prägten die Arbeit des Petitionsschusses im Jahre 2013 in besonderer Weise. Die erste Zahl ist die der Gesamteingaben. 14 800 Petitionen wurden im Berichtsjahr eingereicht. Die Zahl der Eingaben ist zwar im Vergleich zu den Vorjahren leicht rückläufig, aber dafür stieg die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger über Unterschriften und Mitzeichnungen im Internet, wie man an der zweiten wichtigen und beeindruckenden Zahl erkennen kann: Über 1,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich bis Ende 2013 auf der Internetseite des Petitionsausschusses angemeldet, um Petitionen auf elektronischem Weg einzureichen, um öffentliche Petitionen mitzudiskutieren oder mitzuzeichnen. 426 veröffentlichte Petitionen im Jahr 2013 wurden von über 500 000 Bürgerinnen und Bürgern durch ihre Mitzeichnung unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2 bis 3 Millionen Seitenaufrufe pro Monat zeigen das rege Interesse der Bevölkerung an diesem Angebot des Petitionsausschusses. Unser Internetportal ist damit klarer Spitzenreiter unter den Internetangeboten des Deutschen Bundestages; und darauf sind wir auch ein bisschen stolz.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
All die genannten Zahlen zeigen: Der Petitionsausschuss hat in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert, und die Bürgerinnen und Bürger haben Vertrauen in unsere Arbeit. Genau dieses Vertrauen gilt es jährlich und täglich aufs Neue zu rechtfertigen.
Wie in den Jahren zuvor, entfiel der größte Teil der Eingaben, etwa 20 Prozent, also 3 076 Vorgänge, auf das Ressort Arbeit und Soziales. Hier ging es vorrangig um Beruf und Einkommen und um gerechte Renten. Der Themenblock „Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II“ war 2013 mit 1 464 Eingaben das Schwergewicht in diesem Bereich. Immer wieder stellt die Rentenanpassung ein großes Thema bei den Petitionen dar, so auch 2013. Die Bürgerinnen und Bürger kritisieren dabei die geringe und vor allem die unterschiedliche Rentenanpassung in den östlichen und westlichen Bundesländern.
Auf dem zweiten Platz der Bundesressorts folgt das Bundesministerium der Justiz mit 1 879 Eingaben bzw. circa 13 Prozent der Gesamteingaben. Hier ging es unter anderem um das Sorgerecht für nichteheliche Kinder oder um Probleme beim Abschluss von Verträgen im Internet und deren Folgen wie missbräuchliche Abmahnungen sowie illegale Downloads.
Trotz der kurzen Parlamentszeit hat der Petitionsausschuss im Jahr 2013 16-mal getagt und 18 Berichterstattergespräche mit einzelnen Ministerien geführt, um Lösungen für schwierige Fälle zu finden. Hier wurden beispielsweise Visaangelegenheiten, die Sicherheit im Straßenverkehr und die Auslagerung von Dienstleistungen durch Behörden thematisiert.
Hervorzuheben sind weiterhin die drei öffentlichen Sitzungen, in denen zehn Petitionen zur Einzelberatung aufgerufen wurden. Themen waren unter anderem die Petition zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Altenpflege mit 108 146 Unterstützerinnen und Unterstützern, die Petition zu bezahlbarem Strom für alle Verbraucher mit fast 48 000 Unterschriften, die Petition zur Verpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutralität mit fast 77 000 Unterschriften und die Petition zur Abschaffung der Luftverkehrsteuer mit fast 150 000 Unterstützerinnen und Unterstützern. Die zuletzt genannte Petition ist übrigens die am häufigsten mitgezeichnete öffentliche Petition im vergangenen Jahr. Dieser folgt an zweiter Stelle die Petition zur Abschaffung der Hartz-IV- Sanktionen mit über 91 000 Mitzeichnungen.
(Beifall der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE])
Zu folgenden Petitionen führte der Ausschuss drei Ortstermine durch: Besprochen wurden gemeinsam mit den Petenten und den Vertretern der zuständigen Verwaltungen vor Ort der Schienenlärm und die Streckenführung der Bahn in Coswig, Bad Oeynhausen und Hameln sowie die Koordinierung mehrerer Großprojekte der Infrastruktur und Energieversorgung in der Region der Gemeinde Birkenwerder und der Stadt Hohen Neuendorf.
Trotz dieser beeindruckenden Zahlen und Fakten sieht sich der Ausschuss seit einiger Zeit in einer Konkurrenzsituation: Sogenannte Petitionsplattformen schießen wie Pilze aus dem Boden. Ich sage hier aber ganz deutlich: Nicht überall, wo Petition draufsteht, ist Arti- kel 17 des Grundgesetzes drin. Nur bei uns können sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen, dass ihr Anliegen gemäß Artikel 17 Grundgesetz behandelt wird, es also eine Dreifachgarantie gibt: Die Petition wird entgegengenommen, geprüft und beschieden. Ich bin der festen Überzeugung: Besonders das Instrument der öffentlichen Petitionen kann helfen, dem scheinbar steigenden Desinteresse an Politik entgegenzuwirken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei all den Möglichkeiten, die das Petitionsrecht in Verbindung mit dem Internet bringt, dürfen wir eines nicht vergessen: die privaten Sorgen und Nöte des einzelnen Bürgers, quasi das Kerngeschäft des Petitionsausschusses und damit auch der Hauptanteil unserer Arbeit. All die persönlichen Bitten und Beschwerden, etwa wegen einer falsch berechneten Rente, eines nicht finanzierten Rollstuhls oder eines abgelehnten Besuchervisums, beziehen sich auf Probleme, die für den Einzelnen, der sich an uns wendet, existenziell sein können. Die Bearbeitung dieser Eingaben eignet sich nicht für Diskussionsforen und öffentliche Beratungen. Doch auch diese Beschwerden zeigen, wo Politik nicht funktioniert, und werden von uns sehr ernst genommen und gründlich bearbeitet.
Der Petitionsausschuss wird täglich mit vielen Einzelschicksalen konfrontiert, bei denen Bürgerinnen und Bürger zwischen die Mühlsteine der Bürokratie geraten sind und nicht mehr ohne fremde Hilfe herauskommen. Hier ein Beispiel: Kürzlich erst hat sich ein ehemaliger Petent gemeldet und dem Ausschuss nach der positiven Erledigung seiner Eingabe gedankt. Er hatte sich im Namen seiner 92-jährigen erblindeten Mutter an uns gewandt, deren Ehemann bei einem Arbeitsunfall bei der Deutschen Reichsbahn verstarb. In der DDR erhielt sie eine Hinterbliebenenrente, doch der Bezug endete, da sie bereits 1988 nach West-Berlin übersiedelte und ihr die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt wurde. Anträge auf eine Unfall-Hinterbliebenenrente wurden daraufhin trotz eines sehr geringen Einkommens wiederholt abgelehnt. Durch die Petition ihres Sohnes stellte die Unfallkasse des Bundes ihren Witwenrentenanspruch jedoch rückwirkend für die letzten vier Jahre fest. Solche Fälle sind eine große Motivation für uns Abgeordnete im Petitionsausschuss, zeigen sie doch, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern helfen können, zu ihrem Recht zu kommen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sehr geehrte Damen und Herren, unser Petitionsausschuss wird in diesem Jahr 65. Ich weiß, man sieht es uns nicht an, aber es ist so.
(Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Am 14. Oktober 1949 kam er das erste Mal zu seiner Konstituierung zusammen, um sich, fußend auf Artikel 17 Grundgesetz, künftig der Bitten und Beschwerden der Bevölkerung anzunehmen. Seitdem gibt es ein demokratisches Petitionsrecht, das im Laufe der Jahre immer wieder Verbesserungen erfuhr.
Doch das war nicht immer so. Es gab auch die Vorgängerin der Petition. Bittschriften oder Bittbriefe gab es schon in der frühen Neuzeit seit dem 13. Jahrhundert, man nannte sie Supplik. Diese konnte man bis ins 19. Jahrhundert an eine höher gestellte Institution oder einen Landesherren stellen. Damals mussten die Suppliken mit großem Respekt und vielen Unterwürfigkeitsformeln als alleruntertänigste Bitte aufgesetzt werden. Es ist gut, dass das heute nicht mehr so ist.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bürgerinnen und Bürger können sich heute demokratisch und ganz bequem von zu Hause aus politisch einmischen.
Ich bin davon überzeugt: Die Mitglieder des Petitionsausschusses und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes werden auch weiterhin alles dafür tun, dass dies so bleibt bzw. immer weiter verbessert wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in diesem Jahr möchte ich mich besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsausschussdienstes unter Leitung von Herrn Dr. Schotten recht herzlich bedanken und den Wunsch und die Hoffnung äußern, dass die Zusammenarbeit weiterhin so gut bleibt. Herzlichen Dank!
(Beifall im ganzen Hause)
Ein spezieller Dank geht an unseren Ausschusssekretär, Herrn Finger, der mich seit 2005 bei meiner Arbeit begleitet und unterstützt. Herzlichen Dank, Herr Finger!
(Beifall im ganzen Hause)
Mein Dank geht auch – das ist nicht ungewöhnlich – an meinen Stellvertreter, Herrn Storjohann, mit dem ich seit 2005 sehr gut zusammenarbeite. Herzlichen Dank, Herr Storjohann. Ich glaube, wir sind ein gutes Team.
(Beifall im ganzen Hause)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, für das kommende Jahr erhoffe ich mir von den Mitgliedern unseres Parlaments, des Petitionsausschusses und des Petitionsausschussdienstes weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit, um unsere Bemühungen für die Bürgerinnen und Bürger noch effektiver gestalten zu können. Unseren neuen Ausschusskolleginnen und -kollegen möchte ich sagen: Schön, dass Sie sich für den Petitionsausschuss entschieden haben! Sie werden es nicht bereuen. Denn eine Lebensweisheit besagt: Der Pessimist sieht in jeder Aufgabe ein Problem. Der Optimist sieht in jedem Problem eine Aufgabe. – Wir vom Petitionsausschuss sind Optimisten und sehen in der Lösung der vielen Probleme unserer Petentinnen und Petenten unsere Aufgabe. Ich freue mich, diese gemeinsam mit Ihnen lösen zu können.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall im ganzen Hause)
Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Günter Baumann, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3439815 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2013 |