22.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 36 / Zusatzpunkt 4

Iris GleickeSPD - Aktuelle Stunde zu Rüstungsexportgenehmigungen

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn festhalten: Rüstungsexporte sind kein Mittel der Wirtschaftspolitik. Sie sind Instrument der Sicherheitspolitik. In einem demokratischen Land dürfen sie nicht mit dem Schleier der Geheimhaltung verdeckt werden.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist erstens: Noch nie hat eine Bundesregierung so transparent und offen Auskunft über den Export von Rüstungsgütern gegeben wie diese.

Tatsache ist zweitens: Diese Bundesregierung legt bei Rüstungsexporten an sogenannte Drittstaaten – also Staaten außerhalb von EU und NATO sowie gleichgestellte Staaten – sehr strenge Maßstäbe an. Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen für eine Genehmigung sprechen. Ein Anspruch auf Genehmigung besteht nicht.

Es gelten die strengen, im Jahr 2000 von Rot-Grün eingeführten politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Das heißt, wir werden auch dann keine Genehmigungen für zweifelhafte Geschäfte erteilen, wenn damit der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sein könnte; denn bei Rüstungsexporten geht es um Leben und Tod.

Tatsache ist drittens: Erstmalig legt eine Bundesregierung strenge Maßstäbe auch für den Export von Überwachungstechnologie an; denn im Internetzeitalter werden Menschen nicht nur mit Gewehren und Panzern unterdrückt. Dafür hat Bundesminister Gabriel – national und auf europäischer Ebene – Vorschläge gemacht.

Meine Damen und Herren, wir meinen es ernst mit der Transparenz. Wir legen Entscheidungen des Bundessicherheitsrates und seines vorbereitenden Ausschusses der Staatssekretäre offen. Dieses Parlament wird von uns über abschließende Genehmigungsentscheidungen zeitnah unterrichtet.

(Beifall bei der SPD)

Derzeit ändert das Bundeskanzleramt dazu die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates, um den Bundestag innerhalb von zwei Wochen zu informieren.

Ferner wird der Rüstungsexportbericht bereits vor der Sommerpause erscheinen. Wir werden diesen Bericht voraussichtlich am 11. Juni vorlegen. Darüber hinaus werden wir zusätzlich zu dem Jahresbericht bereits im laufenden Jahr – in der zweiten Jahreshälfte – über die Zahlen des ersten Halbjahres berichten.

Im Übrigen nimmt die Bundesregierung zu zahlreichen aktuellen Fragen der Rüstungsexportkontrolle, die aus dem parlamentarischen Raum kommen, regelmäßig sehr präzise und umfassend Stellung. Ein solches Maß an Transparenz, meine Damen und Herren, ist ein Novum in der Geschichte dieses Landes.

(Beifall bei der SPD)

Wir legen alles offen, was wir genehmigt haben; aber wir können mit Rücksicht auf die legitimen Interessen der betroffenen Firmen auch in Zukunft nicht darüber reden, was wir abgelehnt haben. Wir müssen damit leben, dass es auch in Zukunft nur die Schlagzeile „Gabriel genehmigt“ geben wird – und nie die Schlagzeile „Gabriel lehnt ab“. Weiter müssen wir damit leben, dass die Opposition immer wieder versuchen wird, das auszuschlachten.

Ich will hier aber etwas klarstellen. In den ersten vier Monaten des Jahres 2014 hat Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ein Viertel weniger Rüstungsgüter exportiert. Insbesondere die Exporte in Entwicklungsländer sind stark zurückgegangen. Weiter wissen Sie so gut wie ich, dass der ganz überwiegende Teil der erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr in die aufgeführten Drittländer auf Entscheidungen früherer Bundesregierungen aus den vergangenen Jahren zurückgeht. Eine neue Bundesregierung findet deshalb zum Teil rechtlich bindende Entscheidungen vor.

Ein ganz wesentlicher Anteil der gesamten Ausfuhrsumme der ersten Monate in 2014 in Drittstaaten – 300 Millionen Euro – war schon 2013 rechtlich bindend beschlossen. Der weitaus größte Einzelposten betrifft eine Genehmigung für den Export von Panzern nach Singapur. Egal wie man in der Sache über dieses Projekt denkt, eines haben wir zur Kenntnis zu nehmen: Es handelt sich dabei um eine Bundeswehrabgabe. Hierfür wurde vor Jahren zwischen Deutschland und Singapur ein völkerrechtlich bindender Vertrag geschlossen.

Weitere Beispiele für eine bereits existierende Rechtsverbindlichkeit sind die im November 2013 erteilte und bis zum Oktober 2014 gültige Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zur Ausfuhr eines Patrouillenbootes nach Brunei mit einem Genehmigungswert von circa 96 Millionen Euro und die im November 2012 erteilte und bis Ende 2015 gültige Genehmigung zur Ausfuhr von Lenkflugkörpern nach Saudi-Arabien mit einem Genehmigungswert von circa 21 Millionen Euro. In beiden Fällen lag eine bindende Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vor.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Falsch!)

Das heißt, Exporte von über 300 Millionen Euro waren rechtlich zwingend.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Nein!)

Voranfragen zählen hierzu ausdrücklich nicht. Zur Frage, ob positiv beschiedene Voranfragen rechtlich binden, hat sich die Bundesregierung im verfassungsrechtlichen Verfahren zum Auskunftsrecht von Abgeordneten ausführlich geäußert. Ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach einer positiv beschiedenen Voranfrage besteht in der Tat nicht. Aber natürlich kann eine neue Bundesregierung positiv beschiedene Voranfragen nicht einfach ignorieren. Es gibt eine politische Bindung und es gibt rechtliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um von einer Voranfrage absehen zu können.

Damit ist der weitaus überwiegende Teil des Volumens bereits verbindlich von der alten Bundesregierung zugesagt worden, nämlich Exporte in Drittstaaten im Wert von 460 Millionen Euro von 650 Millionen Euro. Das sind über zwei Drittel.

Meine Damen und Herren, Sigmar Gabriel hat immer wieder deutlich gemacht, dass Waffenhandel kein Mittel der Wirtschaftspolitik ist. Bei allen neuen Entscheidungen, die der Minister zu verantworten hat, wird er dafür sorgen, dass Deutschland damit deutlich vorsichtiger umgeht. Die Entscheidungen der letzten Jahre kann er aber nicht rückgängig machen. Deshalb wird es in diesem und auch im nächsten Jahr noch Exporte geben. Nicht jede Lieferung von Rüstungsgütern ist politisch abzulehnen. Ein international vertrauenswürdiges Deutschland steht zu seiner Verantwortung für die internationale Sicherheit. Es wird auch in Zukunft Einzelfallentscheidungen geben. Insgesamt aber gilt: Wir steigern die Transparenz, und wir handeln restriktiver. Das sind die Tatsachen. Wenn Sie diese Tatsachen auch in Zukunft ignorieren wollen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3440045
Wahlperiode 18
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Rüstungsexportgenehmigungen
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