Sabine Sütterlin-WaackCDU/CSU - Sukzessivadoption durch Lebenspartner
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute in abschließender Beratung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner sowie mit dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, der die gemeinschaftliche Volladoption durch gleichgeschlechtliche Partnerschaften festschreiben will.
Um drei Dinge gleich vorwegzunehmen: Erstens. Wir sollten dieses Thema, bei dem es um die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft geht, nicht als Vehikel – das ist eben schon wieder geschehen – für eine Grundsatzdiskussion über die Gleichstellung homosexueller Paare missbrauchen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweitens. Wir sollten nicht im Rahmen der jetzt anstehenden Entscheidung eine Diskussion über das Recht auf ein Kind führen. Dieses Recht gibt es nämlich nicht, für keinen, und zwar unabhängig von seiner sexuellen Identität.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Adoptionsrecht ist ein Recht für die Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können. Für sie wird eine geeignete Ersatzfamilie gesucht, in der sie möglichst unbeschwert aufwachsen können. Nur für sie müssen wir das Gesetz ändern.
Drittens. Wir werden den Gesetzentwürfen von Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen: Auch nach der geltenden Rechtslage können Kinder schon heute bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen. Allerdings besitzt nur ein Elternteil die Elternrechte. Das wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ändern. Die Zahl der Kinder, für die wir diese Regelung beschließen, ist gering. Ich halte es trotzdem für richtig, dass wir für diese Kinder die bestmögliche rechtliche Situation schaffen. Bei der überwiegenden Zahl der Adoptionen in homosexuellen Partnerschaften handelt es sich im Übrigen um Stiefkindadoptionen, also um die Annahme des leiblichen Kindes des Partners.
Die entscheidenden beiden Fragen, die in diesem Zusammenhang immer wieder gestellt werden, sind folgende: Warum lassen Sie eigentlich die Sukzessivadoption für Gleichgeschlechtliche zu, die gemeinschaftliche Volladoption aber nicht? Und: Wachsen die Kinder in einer homosexuellen Beziehung genauso gut auf wie in einer heterosexuellen?
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sollten sie das nicht?)
Zunächst zur ersten Frage. Die Sukzessivadoption ist ein Sonderfall im Rahmen der Adoptionen. Sie ist auch nicht das, was uns die Opposition immer wieder berichtet, nämlich eine verkappte Volladoption, da sie ja in zwei Schritten dicht aufeinanderfolgend durchgeführt werden kann. Ja, diese Möglichkeit gibt es. Sie ist aber nicht die Regel. Jedenfalls liegt sie nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde. Dort handelt es sich im ersten Fall um ein im Jahr 2000 geborenes Kind, das im November 2002 das erste Mal adoptiert wurde. Nach Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Dezember 2002 wollte der Lebenspartner des Adoptivvaters das Kind adoptieren.
Der zweite Fall betrifft ein 1999 geborenes Kind, das im Juli 2004, also fünf Jahre später, erstmals adoptiert wurde und irgendwann nach der im Oktober 2005 begründeten eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Partnerin der Adoptivmutter angenommen werden sollte. Das Gericht hatte – das ist sehr wichtig – also nur über zwei echte Sukzessivadoptionen zu entscheiden.
Schon aus dem zeitlichen Ablauf wird der Unterschied zur Volladoption deutlich. Die betroffenen Kinder hatten schon vor der zweiten gewünschten Adoption eine soziale und rechtliche Bindung zum Adoptivvater bzw. zur Adoptivmutter; denn sie lebten schon eine Zeit lang mit dem ersten Adoptivelternteil zusammen. Sie bekommen durch die Sukzessivadoption einen zweiten Elternteil mit allen Rechten und Pflichten hinzu. Sie geben allerdings keine Rechte auf. Sie haben nach der Sukzessivadoption mehr Rechte als vorher, nämlich insbesondere Erb- und Unterhaltsrechte, und – auch das ist wichtig – sie fühlen sich mit anderen Kindern gleichwertig. Sie haben nun ebenfalls zwei rechtliche Elternteile.
Ganz anders ist es hingegen bei der Volladoption. Dort werden durch die Adoption die bestehenden Rechtsbeziehungen zu den leiblichen Eltern gekappt. Die Kinder kommen in eine neue Familie, und zwar belastet mit der Trennung von den leiblichen Eltern.
Jetzt kommen wir zur zweiten Frage. Diese Kinder müssen Diskriminierungen, die es unstreitig immer noch gibt, aushalten, Diskriminierungen wegen der von vielen Menschen immer noch als besonders empfundenen Situation in den sogenannten Regenbogenfamilien. Wir müssen uns nun fragen, ob diese Diskriminierungen so schwer wiegen, dass es uns unsere staatliche Wächterfunktion hinsichtlich des Kindeswohls verbietet, Kinder in eine für sie unbekannte homosexuelle Partnerschaft zu geben.
(Unruhe bei der SPD – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist absurd!)
Denn, meine Damen und Herren, wir müssen uns immer vor Augen halten, dass die Adoption generell ein staatlicher Hoheitsakt ist, der Grundrechtseingriffe beinhaltet.
Jetzt komme ich zu der oft zitierten Studie der Universität Bamberg aus dem Jahr 2009. Genau diese ist bei Fachleuten umstritten, auch in einer der Stellungnahmen, die das Bundesverfassungsgericht für seine Entscheidung einholte. Der Studie fehlt es an allgemeingültigen Aussagen über männliche gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Sie machten nur 7 Prozent der befragten Paare aus. Diese Studie hat darüber hinaus weitere empirische Schwächen. Sie lässt keine Entwicklungsaussagen zu. Kindeswohlaspekte werden nicht aussagefähig untersucht. Sie setzt sich nicht mit kritischen Stimmen auseinander.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann geben Sie doch eine Studie in Auftrag!)
– Dazu kommen wir gleich. – Kurz, diese Studie ist zur Beantwortung unserer Frage einfach nicht ausreichend geeignet.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Genau das wurde auch in der öffentlichen Anhörung durch zwei Sachverständige bestätigt.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass es dafür noch Studien braucht! Ich meine, die Lebensrealität reicht doch aus!)
Sie kritisierten, dass die Frage, welche Folgen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften langfristig hat, nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht worden sei. Die Sachverständigen vermissten in der Studie vor allem Aussagen zu möglichen Diskriminierungs- und Stigmatisierungserfahrungen der Kinder.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Ja, zwei Sachverständige von sieben!)
– Ja, zwei.
Auch wenn die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in unserer Gesellschaft zunimmt, reagieren Teile der Gesellschaft immer noch mit Vorurteilen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften. Nach dieser Studie sind circa 45 bis 50 Prozent der befragten Kinder von derartigen Diskriminierungen betroffen. Sie sind dieser Situation oft relativ schutzlos ausgeliefert.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oft durch so subtile Formen wie Ihre Reden!)
Ich möchte noch einen weiteren Aspekt erwähnen. Das Gericht befasst sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit der Sukzessivadoption und verpflichtet den Gesetzgeber nicht, die gemeinschaftliche Volladoption zuzulassen. Die beiden bereits erwähnten Hochschullehrer, beides übrigens Verfassungsrechtler, haben während der Anhörung ausdrücklich erwähnt, dass der Gesetzgeber in dieser Sache Entscheidungsspielraum hat.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Weiterhin muss bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden, dass es Richtlinien zur Adoption gibt, die Kriterien festlegen, nach denen Eltern auszuwählen sind, bei denen möglichst wenig weitere Belastungen zu erwarten sind. Denn im Großen und Ganzen geht es einzig und allein darum, dem Kind eine problemlose Entwicklung zu ermöglichen, die nur durch den Ausschluss aller denkbaren Risikofaktoren erreicht werden kann.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns vor Augen halten, dass die staatliche Gemeinschaft in Form von Adoptionsbehörden und Familiengerichten über einen wesentlichen Teil der Zukunft der betroffenen Kinder entscheidet. Wir haben mit der Neuregelung der entsprechenden Normen eine große Verantwortung. Diese nehmen wir wahr. Ich bitte darum – auch die verehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition –, auch diejenigen, die mit diesem Thema die vielzitierten Bauchschmerzen haben, ernst zu nehmen, ihnen ihr Verantwortungsbewusstsein abzunehmen und sie nicht als Ewiggestrige zu verdammen.
Bedenken muss man auch, dass uns das Bundesverfassungsgericht eine sehr enge zeitliche Vorgabe gesetzt hat, bei der nicht alle dargestellten Aspekte berücksichtigt werden konnten. Wir haben also noch nicht die notwendige Sicherheit, um der Volladoption zuzustimmen. Die Empfehlung aus der Sachverständigenanhörung, eine neue, aussagekräftigere wissenschaftliche Studie als Entscheidungsgrundlage hinzuzuziehen, werden wir weiter erörtern.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3440256 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Sukzessivadoption durch Lebenspartner |