Matthias HauerCDU/CSU - Kommunalfinanzen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag haben Sie von der Linksfraktion ganz tief in die politische Mottenkiste gegriffen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Niemals!)
Sie präsentieren uns heute einen veralteten Antrag.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Er ist immer noch richtig!)
Er ist vier Jahre alt, wurde damals nahezu wortgleich gestellt und aus guten Gründen schon 2010 vom 17. Deutschen Bundestag abgelehnt. Ich sage Ihnen schon einmal eines voraus: Auch die Neuauflage heute wird scheitern; denn Ihr Antrag bedeutet nichts anderes als eine massive Steuererhöhung für den Mittelstand, und das wird es mit dieser Bundesregierung nicht geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD])
Sie wollen, dass Freiberufler Ihre Gemeindewirtschaftsteuer zahlen; Sie wollen also eine neue Steuer zulasten von Freiberuflern. Sie wollen, dass der Mittelstand durch eine veränderte Bemessungsgrundlage stärker belastet wird. Sie wollen also höhere Steuern auch für andere Selbstständige. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir wollen das nicht. Ihre Pläne führen zu einer existenzgefährdenden Substanzbesteuerung. Wenn Sie dem Mittelstand die Luft zum Atmen nehmen, dann treiben Sie Unternehmen in die Pleite. Sinkende Steuereinnahmen, steigende Arbeitslosigkeit – das ist die Konsequenz Ihres Antrags.
Ihr Antrag ist aber nicht nur inhaltlich falsch, er ist auch handwerklich schlecht. Sie fordern die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage. Davon würden jedoch die Kommunen profitieren, die ohnehin schon ein hohes Gewerbesteueraufkommen haben. Gerade den finanzschwachen Kommunen, denen wir alle helfen wollen, würden Sie mit dieser Maßnahme nicht helfen. Die in Ihrem Antrag beklagte Ungleichentwicklung zwischen armen und reichen Kommunen würde sich dadurch sogar noch verstärken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Bund hat in den vergangenen Jahren massive Anstrengungen unternommen, um die Finanzkraft aller Kommunen zu stärken. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit der Übernahme der Kosten der Grundsicherung die größte Kommunalentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Allein im Zeitraum 2012 bis 2016 ist das eine Entlastung von knapp 20 Milliarden Euro. Von dieser Übernahme profitieren insbesondere die finanzschwachen Kommunen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diesen Weg der konsequenten Kommunalentlastung geht die Große Koalition weiter. Beispielsweise wird der Bund die Kommunen mit dem Bundesteilhabegesetz um 5 Milliarden Euro jährlich entlasten. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes wird mit einer Entlastung von jährlich 1 Milliarde Euro begonnen. Insgesamt profitieren die Kommunen allein im Jahr 2014 direkt oder indirekt von den Entlastungen durch den Bund in einer Höhe von 22,3 Milliarden Euro. Zumindest das hätten Sie von der Linksfraktion in Ihrem Antrag berücksichtigen müssen.
Wir dürfen eines nicht übersehen: Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Während im letzten Jahr die Kommunen insgesamt einen positiven Finanzierungssaldo von etwa 1,1 Milliarden Euro aufweisen konnten, stehen einige Kommunen buchstäblich mit dem Rücken zur Wand.
In den Städten Nordrhein-Westfalens ist die Lage besonders dramatisch. Ich betone das; denn ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Die sechs Städte mit der höchsten Gesamtverschuldung in Deutschland liegen allesamt in Nordrhein-Westfalen. Fast die Hälfte aller Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt: 177 von 396 Gemeinden, befindet sich in einer Haushaltsnotlage, Tendenz steigend. Beispielsweise drohte meiner Heimatstadt noch vor einigen Jahren der vollständige Verzehr des Eigenkapitals. Auch wenn ein breites Parteienbündnis vor Ort mit klugen Entscheidungen dafür gesorgt hat, dass Essen heute erstmals seit 1982 keine neuen Schulden mehr macht, belasten uns die Altschulden weiterhin massiv.
Vor allem der zunehmende Anteil der Kassenkredite, also sozusagen der Dispokredit der Kommunen – Frau Karawanskij, das haben Sie schon erwähnt –, bereitet mir große Sorgen. Ein Problem ist, dass diese Kassenkredite eben nicht an Investitionsausgaben geknüpft sind und dass eine mögliche Erhöhung der Zinssätze wie ein Damoklesschwert über den Kommunen schwebt. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben – das sei noch erwähnt – mehr Kassenkredite aufgenommen als alle anderen Kommunen in allen anderen Bundesländern zusammen.
Es ist auch kein Zufall, dass vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen betroffen sind. NRW hat den höchsten Kommunalisierungsgrad in ganz Deutschland. Das heißt, nirgendwo anders werden so viele Aufgaben und damit auch so viele Ausgaben vom Land auf die Kommunen übertragen. Diesem hohen Kommunalisierungsgrad steht gerade in Nordrhein-Westfalen leider ein völlig unzureichender kommunaler Finanzausgleich durch das Land gegenüber. Hier muss das Land endlich seiner Verantwortung gerecht werden; denn es ist Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes, für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen. So könnte den notleidenden Kommunen tatsächlich geholfen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich komme nun zum Schluss. Der Bund leistet trotz der klaren Länderzuständigkeit einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Stärkung der Kommunen. Diesen Weg muss der Bund weiterhin gehen. Der Antrag der Linksfraktion nutzt den finanzschwachen Kommunen hingegen überhaupt nichts. Er führt stattdessen zur Belastung des Bundeshaushalts. Er gängelt den Mittelstand mit höheren Steuern. Deshalb gehört dieser Antrag dahin, wo er herkommt: in die politische Mottenkiste, verbunden mit der Hoffnung, dass Sie uns diesen Antrag in vier Jahren nicht erneut vorlegen.
(Zuruf von der LINKEN: Vorher schon!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kollege Hauer, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses viel Erfolg für Ihre Arbeit.
(Beifall)
Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3440492 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Kommunalfinanzen |