Ansgar HevelingCDU/CSU - Sprachliche Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Uhrzeit, zu der wir heute den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Einsetzung einer Unabhängigen Kommission zur sprachlichen Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen, insbesondere von Gesinnungsmerkmalen“ beraten, ist geradezu sinnfällig. Es ist gleichsam eine Mondscheindebatte. Zuallererst ist sie das, weil der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gerade in dieser Woche eine eigenständige Kommission eingesetzt hat, die sich für ihn mit der Frage der Notwendigkeit einer Überarbeitung der Tötungsdelikte im Strafrecht befassen soll.
Bei der Einsetzung dieser Kommission hat Bundesminister Maas dezidiert darauf abgestellt, dass die Regelung von Mord und Totschlag zur Zeit des Nationalsozialismus Eingang in das Strafgesetzbuch gefunden hat. Diese Regelung soll besonders im Fokus der Arbeit der Kommission stehen.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)
Mithin haben wir eine Kommission, die, so hat es Bundesjustizminister Maas gegenüber der Presse artikuliert, die Aufgabe haben soll, eine fundierte Grundlage für die parlamentarische Diskussion zu schaffen. Einer weiteren Kommission bedarf es also nicht; einer Ergänzung ebenso wenig.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Doch! Genau das!)
Das Ansinnen der Fraktion Die Linke ist damit in der Sache ziemlich überflüssig;
(Beifall bei der CDU/CSU)
es sei denn, es geht den Linken einzig und allein darum, die Unabhängigkeit der von Bundesminister Maas eingesetzten Kommission infrage stellen zu wollen. Wenn die Linke von Unabhängigkeit spricht, scheint immer Vorsicht geboten zu sein; denn meistens geht es dann geradezu um unverhohlene Lenkung an demokratisch legitimierten Institutionen vorbei. Aber vermutlich ist das jene Form von Dialektik, die ich niemals verstehen werde. Auch das lässt sich der Maas-Kommission nicht ernsthaft unterstellen. So sind beispielsweise Wissenschaftler und Vertreter der Richterschaft Mitglieder der Kommission. Es sind mithin Persönlichkeiten, deren Arbeit sogar grundgesetzlich als frei und unabhängig geschützt ist.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von was sind die eigentlich unabhängig?)
In der Sache, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, macht der vorliegende Antrag damit auf ganzer Linie keinen Sinn, zumal es nur Camouflage ist, wenn darin von „sprachlicher Bereinigung“ gesprochen wird. Darum geht es – das zeigt schon der Rest des Antragstitels – überhaupt nicht. Denn es geht bei dem Antrag natürlich um die inhaltliche Veränderung von Strafrechtsnormen und nicht nur um semantische Bereinigungen. Darüber aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, müssen wir sehr viel breiter diskutieren, als wir das heute Abend nach 22 Uhr tun können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Erkenntnisse der jetzt vom Bundesjustizminister eingesetzten Kommission können dafür sicherlich eine gute Grundlage sein.
Wir müssen uns aber gleichzeitig auch die Frage stellen, ob eine Reform des Strafgesetzbuches und insbesondere des Bereichs der Tötungsdelikte wirklich so vordringlich ist. Zunächst einmal ist es sicherlich richtig, dass eine Reihe von Merkmalen des § 211 StGB ihre Grundlage in einer Strafrechtslehre haben, die nicht unserem heutigen Strafrechtsverständnis des Tatstrafrechts entspricht. Zutreffend ist auch, dass die heutige Fassung der §§ 211 und 212 im Wesentlichen auf einem Gesetz aus dem Jahr 1941 beruht, sodass es sich in zeitlicher Hinsicht tatsächlich um eine Vorschrift aus der Zeit des Nationalsozialismus handelt.
Die zugrundeliegende Strafrechtslehre ist indessen viel älter und in Europa andernorts durchaus sogar bis heute verbreitet. Die Konzeption der Mordmerkmale beruht auf Überlegungen des Schweizer Rechtswissenschaftlers Carl Stooss, und die Merkmale stammen im Wesentlichen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Bis heute begegnen sie einem im Übrigen im französischen Code pénal.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie wissen, dass das widerlegt ist!)
Das, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, zeigt jedenfalls, dass das Ziel einer Bereinigung von Formulierungen aus der NS-Zeit als Begründung für eine Reform allein wohl nicht ausreichen kann.
Es stellt sich aber im Weiteren auch die Frage, ob eine Änderung der Strafvorschriften wirklich erforderlich ist. Denn bei aller rechtswissenschaftlichen Diskussion im Einzelnen müssen wir auch feststellen, dass die Rechtsprechung unter der Geltung des Grundgesetzes zu ausgewogenen Ergebnissen kommt und die Gerichte für sämtliche Rechtsprobleme akzeptable Lösungen erarbeitet haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
So ist beispielsweise bei Mordfällen, in denen das Täterverschulden so viel geringer ist, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens missachten würde, anerkannt, dass von lebenslanger Freiheitsstrafe abgesehen und auf eine zeitige Freiheitsstrafe erkannt werden kann; das ist die sogenannte Rechtsfolgenlösung. Das heißt, der Einzelfallgerechtigkeit wird Genüge getan.
Jede in Erwägung zu ziehende Reform wird sich also daran messen lassen müssen, ob sie bessere Ergebnisse liefern kann als die heutige Praxis der Rechtsprechung.
(Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: So ist es!)
Für uns als CDU/CSU ist bei jedweder Überlegung klar, dass ein Festhalten an der lebenslangen Freiheitsstrafe und der Unverjährbarkeit von Mord auf jeden Fall essenziell ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])
Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte ist Hans-Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3440668 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Sprachliche Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen |