Joachim PfeifferCDU/CSU - Ausgleich für stromkostenintensive Unternehmen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Tiefensee hat ja schon deutlich gemacht, um was es geht; er hat auch die Zahlen genannt. Ich will versuchen, das Gesagte zu unterstreichen und es an ein paar Beispielen zu erläutern. Es geht heute darum, dass wir das EEG europafest machen, dass wir die Umwelt- und Beihilfeleitlinien der Europäischen Union in nationales Recht umsetzen und damit dauerhafte Planungs- und Investitionssicherheit schaffen, und zwar im Hinblick auf die industriellen Arbeitsplätze insbesondere in den energieintensiven Unternehmen in Deutschland. Über 1 Million Arbeitsplätze gibt es direkt in den energieintensiven Unternehmen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch mehr! Das nimmt ja zu!)
Diese wollen wir mit der Umsetzung dieses Gesetzentwurfes sichern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Insbesondere wollen wir – auch das hat Kollege Tiefensee bereits angesprochen – die industriellen Wertschöpfungsketten hier in Deutschland erhalten. Wir alle sind stolz darauf, dass wir in Deutschland einen höheren Industrieanteil haben als unsere Wettbewerber bzw. als die anderen Länder in Europa. In Deutschland liegt der Anteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttosozialprodukt immer noch bei rund 23 Prozent. In anderen Ländern ist er geringer: In Frankreich beträgt er knapp 12 Prozent, in Großbritannien 11 Prozent und in den USA knapp 13 Prozent. Das ist ein entscheidender Vorteil, den Deutschland im internationalen Wettbewerb hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Diese Wertschöpfungsketten müssen erhalten werden; denn sie sind die Grundvoraussetzung für viele Produkte, auf die wir stolz sind. Auch mit dem EEG und trotz des Umbaus der Energieversorgung würde kein Windrad in Deutschland aufgestellt, wenn es diese industriellen Wertschöpfungsketten nicht gäbe; denn in jedem Windrad ist beispielsweise Kupfer aus der Grundstoffindustrie zu finden. Ohne diese Grundstoffe, die hier gesichert werden, würde kein Hochgeschwindigkeitszug in Deutschland fahren. Ohne die industriellen Wertschöpfungsketten, um die es hier geht, würde in Deutschland kein Flugzeugtriebwerk installiert, und es würde kein Automobil in Deutschland gebaut und verkauft.
Da erschließt sich mir nicht – das muss ich schon sagen –, warum die Linken und auch die Grünen hier skandalisieren und von „unverantwortlich“, „Dauersubvention“ und anderen Dingen sprechen;
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe doch noch gar nicht gesprochen!)
das waren Begriffe, die gerade gefallen sind und die gleich wahrscheinlich auch beim Kollegen Krischer fallen werden. Da wird der Eindruck erweckt, als würden die entsprechenden Unternehmen subventioniert und als würde man ihnen etwas schenken, was sie eigentlich nicht verdient haben.
Wie sieht denn die Realität aus? Tatsache ist, dass diese Unternehmen teilweise einen Nachteilsausgleich bekommen, einen Ausgleich für die Nachteile, die sie am Standort Deutschland haben. Ob es Ihnen gefällt oder nicht: Tatsache ist, dass die Industriestrompreise in Deutschland zu den höchsten in Europa gehören. Sie bewegen sich in einer Größenordnung von 9,2 Cent bis 10 Cent pro Kilowattstunde. Vergleicht man sie mit den Strompreisen in den Ländern, mit denen wir im Wettbewerb stehen – ich habe sie gerade schon genannt –, stellt man fest: Das sind etwa 40 Prozent mehr, als die Industrie in Frankreich für Strom zahlen muss; dort sind es nämlich 5,6 Cent pro Kilowattstunde.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum beschwert sich die französische Industrie dann über Strompreisdumping?)
In Norwegen sind 5 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen. In Schweden muss man nicht einmal die Hälfte dessen zahlen, was in Deutschland zu zahlen ist.
Es ist ja nicht so – auch diese Zahlen hat der Kollege Tiefensee genannt –, dass nichts zu zahlen ist. Insgesamt zahlt die Industrie etwa die Hälfte der gesamten EEG-Umlage. Hier wird aber der Eindruck erweckt, als würde sie überhaupt nichts zahlen und als würde sie etwas bekommen, was sie eigentlich nicht verdient hat. Wie gesagt, das Gegenteil ist der Fall.
Auch der weltweite Vergleich zeigt: Unsere Strompreise sind mehr als doppelt so hoch wie die in den USA, mehr als doppelt so hoch wie die in Russland, 25 Prozent höher als die in China
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und? Fällt da der Strom aus?)
und über 30 Prozent höher als die Strompreise in einem anderen BRIC-Land, nämlich in Brasilien.
Diese Zusatzbelastungen gefährden die Wertschöpfung in Deutschland. Deshalb versuchen wir, einen Spagat hinzubekommen: Auf der einen Seite wollen wir die Förderung der Erneuerbaren weiter vorantreiben, und zwar kostenbewusst. Mengenmäßig ist sie ja ein großer Erfolg, aber die Kosten sind uns aus dem Ruder gelaufen. Deshalb versuchen wir, den Anstieg der Kosten durch die EEG-Reform abzubremsen. Auf der anderen Seite versuchen wir mit dem, was wir heute hier diskutieren und was dann in den nächsten Wochen im Ausschuss und in den Anhörungen noch intensiv diskutiert werden wird, Planungs- und Investitionssicherheit für die Industrie zu schaffen. Auch dies machen wir nicht willkürlich, sondern in einer sinnvollen Kaskade, und zwar nach der Energieintensität:
Erstens. Für jedes Unternehmen, das strom- und handelsintensiv ist – die Kriterien sind jetzt EU-weit sektorenweise in den Umwelt- und Beihilfeleitlinien festgelegt worden –, gilt ein Selbstbehalt von 15 Prozent der EEG-Umlage. Damit werden auch europaweit Wettbewerbsgleichheit und Planungssicherheit geschaffen.
Zweitens. Bei besonders stromintensiven Unternehmen wird die Belastung auf 4 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzt – nicht der Kosten, sondern der Bruttowertschöpfung –, die diese Unternehmen am StandortDeutschland erbringen. Sie können doch nicht ernsthaft etwas dagegen haben, dass diese Unternehmen in Deutschland Wertschöpfung erbringen!
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nichts dagegen! Überhaupt nichts!)
Wenn wir die Belastung für diese Unternehmen nicht begrenzten, würden sie aus Deutschland weggehen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Drittens, der sogenannte Superdeckel: Bei besonders stromintensiven Unternehmen – Kupfer-, Aluminium-, Stahlindustrie und andere mehr – wird die EEG-Belastung auf nur 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gedeckelt.
Viertens. Wir machen zudem etwas zwingend Notwendiges; denn wegen der veränderten Systematik der EU und jetzt auch der nationalen Umsetzung entfallen für zahlreiche Unternehmen Entlastungen, die bisher für sie galten. Wenn diese Entlastungen von heute auf morgen entfielen – zum Teil würde sich die Belastung für die Unternehmen nicht nur verdoppeln, sondern im Einzelfall verzwanzigfachen –, dann wären diese Unternehmen von heute auf morgen nicht mehr wettbewerbsfähig und müssten hier schließen bzw. den Standort verlassen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie der Braunkohletagebau!)
Das wollen wir nicht. Deshalb haben wir die Härtefallregelung geschaffen: Unternehmen, die aus der bisherigen Regelung herausfallen, müssen zukünftig 20 Prozent der EEG-Umlage – daran werden sie schon hart genug zu tragen haben – zahlen; somit bleibt eine gewisse Entlastung.
Das alles versuchen wir mit dem vorliegenden Gesetz umzusetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja leidenschaftliche Industriepolitik! Meine Herren!)
Wir sichern damit den Standort.
Jetzt wird wieder argumentiert werden: Das ist zu viel Entlastung, zahlen müssen das die Verbraucher. – Aber das wäre eine Milchmädchenrechnung: Wenn alle Entlastungen für energieintensive Industrien gestrichen würden, würde die EEG-Umlage in einer Größenordnung von 1 Cent pro Kilowattstunde sinken, von 6,3 Cent auf, sagen wir einmal, 5 Cent pro Kilowattstunde. Das wäre natürlich eine gewisse Entlastung. Aber insgesamt wird deutlich: Der wahre Kostentreiber ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Kosten in diesem Bereich sind zu hoch. Deshalb will man an anderer Stelle dagegen vorgehen. Die energieintensiven Unternehmen sind aber der falsche Ansatzpunkt, sie sind Opfer dieser Entwicklung und nicht Täter. Genau deshalb versuchen wir, diese Unternehmen zu entlasten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?
Gerne.
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Kollege Pfeiffer.
Sie haben gerade sehr eindrücklich beschrieben, dass die EEG-Umlage nur um 1 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden könnte, wenn Sie bei den Entlastungen für die Industrie vernünftige Einschnitte machen würden. Wie erklären Sie sich dann, dass Ihre Regierung die Belastung der Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen – die Streichung der Befreiung von Eigenstrom von der EEG-Umlage würde wahrscheinlich zu einer Senkung von noch nicht einmal 0,1 Cent pro Kilowattstunde führen – trotzdem mit solcher Verve verfolgt? Warum sollen Menschen, die sich Strom aus erneuerbaren Quellen selber dezentral erzeugen, belastet werden?
Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess; die Anhörung findet in der nächsten Sitzungswoche statt. Wir werden uns bei diesem Thema innerhalb der Koalition, aber in der Anhörung auch mit allen Fraktionen auseinandersetzen.
Wir wollen und werden sicherstellen – das ist gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf auch schon deutlich verbessert –, dass der Umfang an Eigenstromverbrauch – wir reden hier über insgesamt 50 Terawattstunden – erhalten wird. Hier geht es ja insbesondere um die Kraft-Wärme-Kopplung, also eine besonders effiziente Form der Energieerzeugung.
Wir werden auch sicherstellen, dass die Bestandsinvestitionen nicht nur gesichert sind, sondern auch erweitert werden können, nämlich um eine Größenordnung von bis zu 30 Prozent. Auch diesbezüglich werden wir den Eigenstromverbrauch weiter privilegieren und sicherstellen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Daneben werden wir uns sehr genau anschauen – das haben Sie angesprochen –, ob die jetzige Staffelung von 15, 30 und 50 Prozent – am Anfang waren es ja einmal bis zu 90 Prozent – sinnvoll ist, ob wir zwischen den einzelnen Verbrauchern differenzieren sollten und wo dieser Strom herkommt. Gerade einmal 3,2 Terawattstunden der 50 Terawattstunden werden heute aus erneuerbaren Energien produziert.
Andererseits gibt es natürlich schon die Tendenz – das werden Sie uns morgen oder übermorgen in der Debatte wieder vorwerfen –,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Morgen ist Samstag!)
dass sich manche von der Solidarität verabschieden, indem sie nur auf Eigenstromverbrauch setzen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Kohlekraftwerken?)
um ihre Belastungen durch die EEG-Umlage entsprechend zu reduzieren, was natürlich nachvollziehbar ist. Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und wir werden hier im parlamentarischen Verfahren auch noch zu Änderungen gegenüber dem kommen, was bisher auf dem Tisch liegt.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Genau!)
Kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.
Ja. – Er hat ja eine Sekunde vor dem Ende meiner Redezeit die Zwischenfrage gestellt, sodass ich die Möglichkeit hatte, dieses zu erläutern.
Ich habe die Uhr selbstverständlich angehalten.
Vielen Dank dafür.
Ich lade Sie ein, diesen Gesetzentwurf im weiteren Prozess dort noch besser zu machen, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt; auch wir sehen noch den einen oder anderen kritischen Punkt.
Ich bitte Sie aber wirklich noch einmal nachdrücklich, die energieintensive Industrie nicht gegen die anderen Industrien in Deutschland auszuspielen. Wir brauchen beide für den Standort Deutschland, damit wir wettbewerbsfähig sind und bleiben, und das wollen wir mit diesem Gesetz erreichen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Danke schön, Herr Kollege Pfeiffer. – Nächster Redner in der Debatte ist Oliver Krischer von Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3443471 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Ausgleich für stromkostenintensive Unternehmen |