Thomas BareißCDU/CSU - Ausgleich für stromkostenintensive Unternehmen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach den Reden der Opposition, der Linken und der Grünen, muss ich schon präzisieren, worum es heute geht: Es geht heute darum, dass wir mit diesem Gesetz langfristig über 1 Million Arbeitsplätze sichern werden. Wir versuchen, mit der Besonderen Ausgleichsregelung für die Branchen, die angesprochen worden sind, langfristig innovative und gute Arbeit zu sichern. Die Umsetzung aller Vorschläge, die Sie, Frau Lay, eingebracht haben, sorgt dafür, dass diese Arbeitsplätze gefährdet werden; deswegen sind wir gegen Ihre Vorschläge. Wir versuchen, hier eine ordentliche, gute Industriepolitik für unser Land zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie „versuchen“ es!)
Hier wird ständig von „Befreiung“ gesprochen. In den Reden hier wird der Eindruck suggeriert, dass wir bestimmte Unternehmen und Branchen von der EEG-Umlage komplett befreien. Auch das ist falsch; darauf möchte ich zu Beginn meiner Rede hinweisen. Das Gegenteil ist wahr. Durch die Verabschiedung des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs schaffen wir es, die begünstigten rund 2 000 Unternehmen in die Bezahlung der Energiewende einzubinden; mit der neuen Ausgleichsregelung steigt der Beitrag der begünstigten Unternehmen von bisher 300 Millionen Euro um etwa 4 Millionen Euro. Auch das zeigt, dass sich hier keiner aus dem Staub macht, sondern dass jeder seinen Beitrag leistet, diese Energiewende zu meistern.
(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Lieber Oliver Krischer, du sprichst hier immer von Privilegien, die wir verteilen. Noch einmal: Diese Industrievergünstigungen wurden damals von Rot-Grün unter dem Umweltminister Jürgen Trittin eingeführt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gut und richtig!)
Der große Unterschied ist, dass damals nur wenige Großkonzerne von diesen Privilegien profitiert haben. Schwarz-Gelb hat es geschafft, den industriellen Mittelstand in den Kreis der Privilegierten aufzunehmen. Wir haben dafür gesorgt, dass diejenigen von der EEG-Umlage profitieren, die diese Vergünstigung wirklich brauchen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Saathoff hat es schon gesagt: Wir sprechen heute nicht über Fragen des Zubaus im Bereich der erneuerbaren Energien, und das, obwohl das ein interessantes Thema wäre, liebe Frau Lay; auch Sie haben darauf Bezug genommen. Ich möchte noch einmal sagen: Wir hatten in den letzten vier Jahren einen Zubau im Bereich der erneuerbaren Energien, den keiner, auch niemand in diesem Parlament, vorhergesehen hat. Gerade im Bereich der Solarbranche, die vorhin beschrieben worden ist, gab es jedes Jahr einen Zubau von über 8 000 Megawatt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 8 000? Höchstens 7 500!)
Deutschland hatte so viel Zubau wie kein anderes Land auf dem Erdball. Dieser Zubau hat dazu geführt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien jetzt bei 25 Prozent liegt; einen so großen Anteil an Erneuerbaren hat keine andere Industrienation der Welt. Das heißt, hinter uns liegt eine einmalige Erfolgsgeschichte. Gemeinsam sollten wir jetzt aufpassen, dass diese Erfolgsgeschichte keine Arbeitsplätze in wichtigen Bereichen unserer Wertschöpfung gefährdet. Deshalb brauchen wir dringend dieses Gesetz. Es ist für die nächsten Jahre eine Grundlage zur Arbeitsplatzsicherung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich möchte noch einmal in besonderer Weise die Bedeutung der Industrie unterstreichen. Sie kam mir in den letzten Reden, gerade in denen von Abgeordneten der Grünen und der Linken, viel zu kurz.
Deutschland war und ist die Industrienation in Europa, und das soll auch zukünftig so bleiben. Wir haben es trotz Finanzkrise, trotz Euro-Krise geschafft, den Industrieanteil auf über 20 Prozent zu halten; wir sind jetzt sogar bei 23 Prozent und sind damit Schrittmacher in Europa. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die eher auf Dienstleistungen und auf Banken gesetzt haben, haben wir auf unsere Industrie gesetzt und haben damit unsere Arbeitsplätze gesichert. Die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone liegt im Durchschnitt bei 12,1 Prozent. Deutschland hat dank der deutschen Industrie nur eine Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent und ist damit bei der Beschäftigung in Europa an der Spitze. Wir sind die viertgrößte Industrienation der Welt – nach China, den USA und Japan –, haben einen Industrieproduktionsanteil in der Welt von über 6 Prozent. Auch das ist eine Erfolgsgeschichte.
Da wir in dieser Woche auch sehr intensiv über die Themen „Welthandel“ und „Globalisierung“ gesprochen haben: Die deutsche Industrie sorgt mit ihren Produkten dafür, dass in ganz Europa Arbeitsplätze entstehen oder gehalten werden. Über 40 Prozent der in Deutschland produzierten Exportgüter werden mit Zulieferprodukten aus Europa hergestellt. Auch da zeigt sich, dass Europa immer wichtiger wird und dass die Industrie in Deutschland dafür sorgt, dass ganz Europa weiterhin hoffentlich eine gute Beschäftigungslage hat. Auch deshalb brauchen wir unser Gesetz zur Besonderen Ausgleichsregelung, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Bareiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Kollegin Annalena Baerbock?
Sehr gern.
Ja. – Bitte.
Vielen Dank, Herr Bareiß. – Meine Frage bezieht sich auf Folgendes: Niemand hier will die bestehenden Ausnahmen, die unter Rot-Grün eingeführt wurden, abschaffen, sondern es geht darum: Warum kommen jetzt neue Branchen dazu, und warum kommen über die Liste 2 der Anlage 4 neue Unternehmen dazu? Das ist der Casus knaxsus der ganzen Debatte; es geht nicht um die Unternehmen, die bereits ausgenommen wurden.
Von den Branchen, die neu dazukommen, und von den Unternehmen, die neu dazukommen, hätte es in den letzten Monaten und Jahren wahnsinnig viele Alarmrufe geben müssen: Achtung! Wir wandern aus Deutschland ab. Es muss hier etwas getan werden. – Wir haben solche Warnrufe nicht gehört. Wir haben, auch auf Initiative von Herrn Kollegen Krischer, eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, was es denn für Beispiele gibt, wer besonders hart betroffen ist, wer abzuwandern droht. In Brüssel wird ja gerade die Carbon-Leakage-Liste verhandelt. Auch da gibt es keine konkreten Beispiele. Die Antwort der Bundesregierung war: Es gibt keine empirischen Daten darüber, wer weiter gefährdet ist und abzuwandern droht.
Auf welcher Grundlage sagen Sie jetzt: „Aber trotzdem müssen wir weitere Branchen ausnehmen; trotzdem müssen wir weitere Unternehmen ausnehmen“? Könnten Sie einmal konkrete Beispiele aufführen, vielleicht auch aus dem Panzerbereich, und sagen, wann sich die Unternehmen gemeldet haben mit der Drohung, abzuwandern?
Sie sagen, Sie hätten keine Hilferufe gehört. Ich habe viele Hilferufe gehört, nicht nur von Arbeitgebern, sondern auch von vielen Arbeitnehmern, übrigens auch von Gewerkschaften; die haben große Sorge, dass in ihren Bereichen Arbeitsplätze abgebaut werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Branchen oder Unternehmen gar nicht mehr zu den Grünen gehen, weil sie wissen, dass sie da eh auf taube Ohren stoßen.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will hier noch einmal deutlich sagen, auch zu der vorhergegangenen Zwischenfrage: Sie kritisieren die Anzahl von 68 Branchen. Sie gehen davon aus, dass wir damit den Begünstigtenkreis erweitern. Tatsächlich sind die Unternehmen dieser Branchen nur antragsberechtigt, und es gibt neue Grundlagen dafür, wann solche Anträge bewilligt werden und die Begünstigung dann auch wirksam wird.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie doch einmal eine Branche! Eine!)
Diese Grundlagen sind ganz klar definiert: Es müssen Unternehmen sein, die stromintensiv sind und die im internationalen Wettbewerb stehen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Branche!)
also eine gewisse Handelsintensität haben. Diese beiden Kriterien sind die Grundlage dafür, dass wir wirklich begünstigen.
Es wird dafür gesorgt – wir alle werden es noch erleben –, dass der Kreis der Begünstigten massiv reduziert wird. Wir gehen davon aus, dass dieser Kreis von 2 400 Unternehmen in den nächsten Jahren auf 2 000 Unternehmen zurückgeführt wird. Deshalb brauchen wir die Härtefallregelung. Es gibt immer noch Unternehmen, gerade in wichtigen Feldern unserer Wirtschaft, die bisher begünstigt sind und die auch zukünftig begünstigt werden müssen, weil wir sie sonst verlieren würden. Das wollen wir für die Zukunft ausschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Wicklein [SPD] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Unternehmen! Keine Branche! Nichts!)
Ich will in ganz besonderer Weise noch einmal zum Thema Mittelstandskomponente kommen. Gerade in den energieintensiven Bereichen des Maschinen- und Anlagenbaus, des Automobilbaus, der Chemie- oder auch der Grundstoffindustrie gibt es hochwertige Arbeitsplätze, besonders in mittelständischen deutschen Betrieben, die eigentümergeführt sind. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir die Mittelstandskomponente im Bereich der Besonderen Ausgleichsregelung beibehalten.
Wir haben dafür im Wahlkampf sehr viel Kritik einstecken müssen, weil wir vor zwei Jahren diese Mittelstandskomponente eingeführt und dadurch den Begünstigtenkreis verdreifacht haben. Das geschah aber zu einem Preis, der überschaubar war. Die Erweiterung ist tatsächlich nur mit 10 Prozent höheren Kosten zu Buche geschlagen. Das war etwas, was wenig gekostet und viel gebracht hat. Ich bin dankbar, dass wir die Mittelstandskomponente zukünftig beibehalten können. Das war – Herr Tiefensee hat es vorhin schon gesagt – eine harte Verhandlung in Brüssel. Deshalb auch von unserer Seite noch einmal ein herzliches Dankeschön an unseren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Meine Damen und Herren, ich habe schon erwähnt, was die zukünftigen Grundlagen für die Besondere Ausgleichsregelung sind. Ich möchte noch einmal drei Punkte herausgreifen.
Erster Punkt. Wir werden weiterhin darauf setzen, dass wir wirklich nur die Unternehmen begünstigen, die darauf angewiesen sind. Wir wollen den starken internationalen Wettbewerb als Kriterium nehmen, und wir wollen die besonders energieintensiven Bereiche mit einbinden.
Wir wollen zweitens ein besonderes Augenmerk auf diejenigen Unternehmen legen, die besonders energieintensiv sind und die eine wichtige Rolle in unserer Wertschöpfungskette, gerade in der Grundstoffindustrie, spielen. Dazu gehört die Aluminiumbranche. Aluminium wird in vielen Bereichen gebraucht, beispielsweise im Automobilbau, wo durch die Verwendung dieses sehr leichten Werkstoffs dafür gesorgt wird, dass Autos in Zukunft weniger Kraftstoff verbrauchen und sparsamer werden. Dazu gehört genauso die Kupferverarbeitung. Kupfer wirdbeispielsweise beim Bau von Windkrafträdern dringend gebraucht. In einem Offshorewindrad werden 30 Tonnen Kupfer verbaut. Auch daran sieht man, dass die Entlastung energieintensiver Unternehmen eng mit den Themen Energiewende und Energieeffizienz verbunden ist. Beides geht Hand in Hand. Deshalb sind das zwei Seiten der gleichen Medaille. Beides wird in den nächsten Jahren dringend gebraucht.
Neben diesen beiden Kriterien, die ich beschrieben habe, brauchen wir drittens eine Regelung für diejenigen, die jetzt trotz der Ausweitung der Branchenliste herausfallen würden. Wir brauchen die Härtefallregelung für die wirklich energieintensiven Bereiche, die hier eine Sonderrolle spielen. Wir müssen auch noch einmal im Gesetzgebungsverfahren diskutieren, welche Bereiche wir wirklich entsprechend begünstigen wollen. Aber auch da glaube ich, dass wir zu einer sinnvollen Lösung kommen.
Prinzipiell ist diese Besondere Ausgleichsregelung eingebettet in unsere EEG-Novelle. Ich will noch einmal besonders betonen, dass wir auch auf die Unternehmen schauen müssen, die nicht begünstigt werden. Sie stellen nämlich die Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland dar. Sie zahlen ihre EEG-Umlage in vollem Umfang und tragen mit über 7 Milliarden Euro dazu bei, dass die Energiewende wirklich finanziert werden kann. Dazu gehören auch Unternehmen, die wir bisher nicht im Blick haben, beispielsweise die Rechenzentren, die durchaus mit Berechtigung eine Begünstigung fordern können, die Härtereien und Schmiedereien, die derzeit im Gegensatz zu dem, was Oliver Krischer vorhin gesagt hat, nicht eingebunden sind, oder ein ganz normaler Bäckerbetrieb, der schon heute im Schnitt 6 000 Euro EEG-Umlage zahlt.
Diese Unternehmen verlassen sich darauf, dass die EEG-Novelle in den nächsten Wochen umgesetzt wird, dass wir die EEG-Reform jetzt auch kostendämpfend angehen. Wir brauchen eine EEG-Reform, die auf der einen Seite für die nächsten Jahre Verlässlichkeit bietet, auf der anderen Seite aber auch wirtschaftlich und bezahlbar ist – und das auch für die ganz normalen Privatverbraucher. Das ist unser Anliegen. Daran wollen wir arbeiten. In diesem Sinne freue ich mich auf das kommende Gesetzgebungsverfahren.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Danke, Herr Kollege Bareiß. – Nächster Redner für die SPD Florian Post.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3443522 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Ausgleich für stromkostenintensive Unternehmen |