23.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 21

Matthias SchmidtSPD - Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute in erster Beratung den Gesetzentwurf der Linken, der einen sehr langen und sperrigen Titel trägt. Die Präsidentin hat ihn am Anfang komplett vorgelesen. Damit der Titel des Gesetzentwurfs auf die Anzeigetafel passt, musste er etwas verkürzt werden. Nun ist dort nur noch zu lesen: Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Das trifft auch den Kern Ihres Gesetzentwurfs, beschreibt ihn aber nicht umfassend; denn er enthält weitere Aspekte, über die wir sehr intensiv reden sollten.

Etwas verkürzt und flapsig ausgedrückt, wollen die Linken mit ihrem Gesetzentwurf etwas mehr Demokratie wagen.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Richtig!)

Das findet natürlich – die Parallele zum Zitat von Willy Brandt ist unverkennbar – die Sympathie der Sozialdemokratie.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Auch wir sind für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide. So haben wir es auch in unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 festgeschrieben. Hier im Plenum haben wir an zahlreichen Stellen und in verschiedenen Legislaturperioden Anträge in diese Richtung gestellt. In unserem schwarz-roten Regierungsprogramm findet sich dazu allenfalls eine Andeutung. Das liegt daran – das weiß jeder –, dass die Union dem Thema gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Die Kollegen von der Union haben das eben argumentativ ausgeführt. Unter demokratischen Aspekten muss ich sagen: Man kann auch diesen Argumenten folgen und zu dieser Erkenntnis kommen, obwohl auf der linken Seite des Hauses in der Mehrheit eine andere Auffassung herrscht.

Frau Kollegin Wawzyniak, wenn man ein Gesetz ändern will – Sie wollen sogar das Grundgesetz ändern –, dann muss es einen Zustand geben, dem man unbedingt abhelfen will. Sie haben sich aber gar nicht die Mühe gemacht, einen Zustand zu beschreiben, dem Sie abhelfen wollen. Vielmehr haben Sie in Ihrer Argumentation gleich Bezug darauf genommen, was der Kollege Brand, den ich im Übrigen sehr schätze, in den Jahren 2003 und 2008 gesagt hat, und haben versucht, das zu entkräften. Anschließend haben Sie uns und den Grünen ein Diskussionsangebot unterbreitet, nicht aber der Union. Sie wissen sicherlich, dass es zur Änderung des Grundgesetzes einer Zweidrittelmehrheit bedarf und dass die Union über mehr als ein Drittel der Stimmen verfügt.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ich dachte, Sie überzeugen die Union und bringen die dann mit!)

Das alles passt nicht richtig zusammen.

Ihr Gesetzentwurf bietet uns allerdings eine gute Gelegenheit, den Zustand unserer Demokratie zu beleuchten. Das haben wir schon heute früh in der Feierstunde getan. Dem Grundgesetz und damit der parlamentarischen Demokratie wurde ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die kurzfristigen Debatten sind natürlich immer sehr kontrovers und werden in der Regel so geführt, dass die Opposition alles schlecht findet, was die Regierung vorträgt, während die die Regierung tragenden Fraktionen das, was die Regierung macht, ganz gut finden und das voranbringen. Das gehört zum Austausch in einer parlamentarischen Demokratie selbstverständlich dazu.

Um den Zustand der parlamentarischen Demokratie einschätzen zu können, ist es allerdings hilfreich, eher auf die langen Linien zu schauen. Da schneidet die parlamentarische Demokratie sehr gut ab. Die Politik der Westintegration Adenauers stellt heute niemand mehr infrage. Auch Willy Brandts Ostpolitik, die damals heiß umkämpft war, wird heute von keiner Seite mehr infrage gestellt. Beides zusammen führte zur deutschen Einheit.

Im Rückblick kann man immer sagen: Die Kompromisse, die wir hier im Bundestag nach langen Diskussionen finden, können sich sehen lassen. Im Großen und Ganzen wird von der Bevölkerung langfristig akzeptiert, was wir hier machen. Es gibt eine Ausnahme. Einmal hat der Bundestag mit seiner Entscheidung danebengelegen. Das war aus meiner Sicht der Boykott der Olympischen Spiele in Moskau 1980. Damals hat der Bundestag eine falsche Entscheidung getroffen. Auch im Rückblick hat sich diese Entscheidung nicht als richtig erwiesen.

Wenn Sie meinen Ausführungen folgen, könnten Sie den Eindruck haben, ich stünde der Einführung direkter demokratischer Elemente sehr kritisch gegenüber. Dem ist aber nicht so. Ich stelle nur Fragen und versuche, mir ein Bild zu machen. Im Ergebnis komme ich zu der Erkenntnis, dass die direkte Demokratie eine sehr gute Ergänzung unserer parlamentarischen Demokratie sein könnte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie zwingt uns Parlamentarier dazu, zu kommunizieren und zu argumentieren. Das machen wir augenscheinlich nicht an jeder Stelle genug. Die Initiative „Mehr Demokratie“ hat dafür gute Beispiele geliefert und gute Argumente aufgeschrieben. In Berlin gibt es – Herr Mutlu hat vorhin schon darauf hingewiesen – aktuell einen Volksentscheid. Es geht um das Tempelhofer Feld. Es wird in der Stadt momentan sehr heiß argumentiert. Ich bin sicher, dass sich am Ende die guten Argumente für eine behutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldes durchsetzen werden und dafür eine Mehrheit gefunden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das sehe ich anders!)

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede. Die Berliner haben sicher noch die Möglichkeit, darüber in den nächsten Stunden zu diskutieren.

Ja, das stimmt. – Ich komme zum Schluss. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und möchte mit einem Zitat von Goethe enden: „Die Demokratie rennt nicht, aber sie kommt sicherer zum Ziel“. Das werden wir in den Ausschussberatungen beweisen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3443621
Wahlperiode 18
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid
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