23.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 22

Marcus WeinbergCDU/CSU - Frühkindliche Bildung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Brantner, ich habe gesagt: Ich werde nett zu Ihnen sein – fast immer in den nächsten sieben Minuten. Ein- oder zweimal muss ich aber auch etwas kritischer auf Ihren Antrag eingehen.

Wir sind dankbar, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, weil uns das die Möglichkeit bietet, zwei Dinge anzusprechen. Zum einen tatsächlich das für uns wichtige Thema der Qualität: Wie können wir früher, besser, zielgenauer und bedarfsorientierter fördern? Zum anderen: Wir nehmen gern Anträge von Ihnen, von den Grünen, entgegen, wenn Sie das, was passiert ist, in einer Nachbetrachtung so beschreiben. Das, was wir 2007, damals in der ersten Großen Koalition der neueren Zeit, beschlossen haben, haben Sie als Meilenstein definiert. Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben wir auch lange gekämpft!)

Frau Dörner, ich erinnere mich an die Debatten hier im Deutschen Bundestag. Von 2007 bis 2013 haben Sie bei jeder Debatte immer dieselben Szenarien an die Wand gemalt: dass der Rechtsanspruch nicht umzusetzen ist, dass es einen Riesenaufschrei geben wird in der Gesellschaft, bei jungen Müttern und Vätern und, und, und. Was ist passiert? Wenn man sich klar und verbindlich einigt – da stimme ich Ihnen zu –, wenn man sagt: „Das ist unser Ziel; das sind die verbindlichen Finanzzusagen; wir setzen ein Datum, bis zu dem wir etwas erreichen wollen“, dann bekommt man das hin, und wir haben es hinbekommen. Das ist ein Riesenerfolg für die jungen Familien und auch ein Erfolg insofern, als der Bund über 5 Milliarden Euro bereitgestellt hat und in Zukunft diese 845 Millionen bereitstellt.

Wenn man über Finanzen spricht, muss man immer eines sagen: Das ist originäre Aufgabe der Länder. Bei all dem, was wir gemeinsam und in bestimmt heftigen und anstrengenden Diskussionen mit den Ländern definieren wollen, werden wir darauf hinweisen, dass sich der Bund der Frage des Qualitätsausbaus nicht verwehren wird. Im Gegenteil, wir werden Qualität einfordern. „ Einfordern“ heißt auch, dass die Länder sagen müssen, was sie liefern, und zwar verbindlich. Ich möchte nicht, dass Mittel des Bundes von Finanzsenatoren oder Finanzministern benutzt werden, um Haushaltslöcher zu schließen. Wenn wir uns mit den Ländern verständigen, dann erwarten wir, dass das auch umgesetzt wird. Deswegen kann ich das zumindest in weiten Teilen so mit unterstützen.

Wir hatten 2007 einen Ausbaustand – dieser Meilenstein sei noch einmal genannt – von 8 Prozent in den westlichen Ländern und 37 Prozent in den neuen Bundesländern und haben jetzt einen Ausbaustand von ungefähr 40,2 Prozent erreicht. Nun haben Sie im Antrag formuliert – das haben die Länder auf der Jugend- und Familienministerkonferenz heute auch noch einmal deutlich gemacht –: Das wird nicht das Ende der berühmten Fahnenstange sein. Wenn es denn 42,5 Prozent und vielleicht noch ein paar Prozentpunkte darüber hinaus sind, werden wir uns darüber verständigen müssen, wie wir das in einem möglichen dritten Investitionspaket hinbekommen. Ich bin mir sicher, dass das klappen wird.

Im Übrigen reden wir über Qualität. Das ist tatsächlich die Aufgabe der nächsten Epoche. Nach dem Ausbau der Quantität im Kindergarten- und im Krippenbereich sowie bei der Ganztagsbetreuung gilt es jetzt, verstärkt über Qualität zu reden. Ich will dazu nur wenige Punkte ansprechen.

Der Bund hat sich der Frage der Qualität bereits in den letzten Jahren gestellt. Wir haben das Programm „Offensive Frühe Chancen“ auf den Weg gebracht. Es muss eine Fortsetzung geben – die wollen auch wir –, weil das ein gutes Programm ist. Wer wie ich – und wie Sie wahrscheinlich auch – einmal hospitiert hat, der wird erlebt haben, dass das in den Wahlkreisen gut ankommt.

Wir haben im Bereich der Tagespflege mit Fortbildungs- und Qualifizierungsprogrammen die Qualifizierung auf den Weg gebracht. Tagespflege war vor 20 oder 25 Jahren Nachbarschaftsunterstützung. Wir haben erreicht, dass heute in den neuen Bundesländern über 80 Prozent und in den westlichen Bundesländern fast 70 Prozent der Männer und Frauen, die in der Tagespflege arbeiten, ein Qualifizierungsniveau erreicht haben, das sonst bei einer pädagogischen Ausbildung erreicht wird. Auch das war ein Erfolg des Bundes; das haben wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wäre an der Zeit, viele weitere Programme anzusprechen, übrigens auch aus dem Bildungsbereich. Wer einmal bei den „kleinen Forschern“ hospitiert hat, der weiß, wie die Implikationen aus dem Bildungsbereich bei den Kindertagesstätten ankommen. Deshalb wird die Qualität auch hier zu Recht in den nächsten Jahren Thema sein.

Eine Bemerkung möchte ich noch machen. Qualität heißt nicht: Höher, weiter, schneller! Qualität ist auch dann gegeben, wenn ein Dreijähriger auf dem Rasen liegt und zehn Minuten lang die vorbeiziehenden Wolken zählt. Auch das ist eine Form von Qualität.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insoweit werden wir uns auch sehr stark Gedanken darüber machen müssen: Was heißt eigentlich „Kind sein“? „ Kind sein“ heißt für mich und, ich denke, für alle, die das einmal erfahren haben, als Kind nicht in einem „Hamsterrad“ zu verkommen, sondern das „Kind sein“ wirklich genießen zu können, aber bei einer gewissen Qualität der Betreuung, Stichwort „Bildungsimplikationen“.

Nun habe ich mich aber doch geärgert. Ich habe gesagt: Ich will Sie viel loben. Aber einmal muss ich Sie dann doch ein bisschen kritisieren, wenn Sie es mir gestatten.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das finde ich nicht so schlimm!)

Man kann darüber diskutieren, dass es Defizite und noch Ausbaumöglichkeiten gibt. Aber was mich wirklich ärgert, ist Folgendes: Sie haben im Vorfeld mit der Süddeutschen Zeitung gesprochen; daraus darf ich Sie einmal zitieren. Da sagen Sie bezüglich der Qualität der Kindertagesbetreuung: „Da geht es oft nur noch um satt und sauber..“ Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt viele Probleme. Viele Erzieher sind an der Grenze des Möglichen. Viele Kindertagesstätten müssen jetzt die neuen Anforderungen umsetzen, auch die Zertifizierungsmaßnahmen. Es gibt, gerade im Personalbereich, in einigen Kindertagesstätten große Probleme. Aber es gibt durchaus einen Riesenschritt in der Qualität der Kindertagesbetreuung. Ich glaube, das sollte man entsprechend anerkennen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, die nächsten Schritte einzuleiten und insbesondere zu sagen, wie wir die Erzieherinnen und Erzieher unterstützen; denn die leisten tagtäglich harte Arbeit.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie doch mal was dazu!)

Nun haben Sie schon die Jugend- und Familienministerkonferenz angesprochen, die heute große Beschlüsse gefasst hat. Es sei erwähnt: Wenn Länder sich zusammentun, gibt es zumindest in der Frage der Finanzen immer einen sehr klaren Beschluss. Dieser lautet: Der Bund soll mehr zahlen. Die Frage nach einem Qualitätsgipfel haben wir übrigens auch schon einmal gestellt. Wir haben bereits vor einem Jahr hier im Deutschen Bundestag gesagt: Es geht darum, jetzt Qualitätssicherung zu betreiben. Die Aufgabe wird sein, verbindliche Ziele zu definieren, die Finanzierungsfragen zu klären und übrigens von Zeit zu Zeit zu überprüfen: Wo kommen wir eigentlich hin?

Jetzt gibt es mehrere Optionen. Da bin ich der Meinung: Das muss regional geprüft werden. Es gibt Bundesländer, die bereits einen guten Betreuungsschlüssel haben. Es gibt Bundesländer, die einen sehr schlechten Betreuungsschlüssel haben. In Ihrem Antrag fordern Sie einen Betreuungsschlüssel von 4 : 1; die Bertelsmann Stiftung fordert einen Betreuungsschlüssel von 3 : 1. Das ist zu diskutieren. Es gibt Kitas, die bestens ausgestattet sind. Es gibt Kitas, die schlecht ausgestattet sind. Es gibt Kitas, bei denen die Erzieherinnen ein hohes Qualifikationsniveau im Bildungsbereich haben. Es gibt Kitas, bei denen das sehr überschaubar ist. Deswegen ist unser Vorschlag, regional zu differenzieren, einen Instrumentenkasten zu entwickeln und ganz deutlich zu sagen: Länder und Kommunen, beteiligt euch! Wir wollen ein neues Ziel erreichen. – Das heißt für uns, dass wir zusammen schauen, wie wir dieses Ziel erreichen können. Das kann mal der Personalschlüssel, mal die Ausstattung der Kita sein. Das kann auch mal ein Programm wie „Offensive Frühe Chancen“ sein. Das wird jetzt mit den Ländern zu besprechen sein.

Dabei gelten zwei Grundsätze; ich wiederhole sie gerne noch einmal.

Ja, Herr Kollege, aber kurz.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Ich sage es sehr gerne: Das werden wir gemeinsam mit den Ländern hinbekommen. Wir haben 2007 den Gipfel hinbekommen. Er war ein Erfolg. Wir werden jetzt den nächsten Schritt tun im Hinblick auf die Qualität. Auch das wird ein Erfolg werden. Dafür werden wir einstehen. Das werden wir garantieren.

Schönes Wochenende und vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Danke, Herr Kollege Weinberg. – Ich würde, ehrlich gesagt, gerne Ihre Anregung aufgreifen, hier unterbrechen und mit allen zusammen Wolken zählen gehen. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das so leicht mehrheitlich durchsetzen lässt; aber es ist vielleicht eine gute Idee. Wir sollten im Ältestenrat einmal darüber diskutieren. Mich hat die Erinnerung an das Wolkenzählen sehr inspiriert.

Diana Golze für die Linke ist die nächste Rednerin in der Debatte. – Frau Golze, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3443659
Wahlperiode 18
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Frühkindliche Bildung
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