Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Meilenstein erreicht. Ich bin sehr dankbar für das Lob darüber, dass wir mit den sehr wichtigen Bausteinen Elternzeit und Elterngeld, die wir in der letzten Großen Koalition auf den Weg gebracht haben,
(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Aha!)
nicht nur etwas für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gemacht haben, sondern dass wir auch mit dem Ausbau der Krippenplätze dazu beigetragen haben, dass Familie und Beruf besser unter einen Hut gebracht werden können. Das sind wirklich Meilensteine.
Wir haben aber auch von Anfang an, liebe Kolleginnen und Kollegen, die frühkindliche Bildung mit in den Blick genommen. Ich will betonen, dass wir das nicht erst jetzt aufgrund des Antrags der Grünen entdecken. Aber ich gebe zu, es hätte eher, schneller und besser aus einem Guss kommen können. Es ist gar keine Frage: Wir haben erst Elternzeit und dann Elterngeld eingeführt. Danach kamen die Krippenplätze. Dann fiel uns ein, dass wir dabei die frühkindliche Bildung nicht vergessen dürfen und nicht nur Verwahranstalten einrichten dürfen. Wir haben es jedenfalls hinbekommen.
An dieser Stelle sollten wir ruhig einmal denen danken, die diese Mammutaufgabe vor Ort erfüllen. Das sind nicht nur die Länder und die Kommunen, die das Geld verteilen und die Organisation leisten, sondern es sind vor allem die Träger, die Einrichtungen und die Fachkräfte vor Ort. Das ist eine große Herausforderung. Dafür vielen Dank.
(Beifall im ganzen Hause)
Ich will an die Kritik anknüpfen, das seien, wie es in der Süddeutschen hieß, so eine Art Verwahranstalten oder wie man das auch immer nennen mag, da passiere nicht viel außer Saubermachen und Füttern.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand gesagt!)
– Gut, vielleicht ist das ein falscher Zungenschlag. – Mit solchen Äußerungen tut man jedenfalls den Kolleginnen und Kollegen – ich darf Kolleginnen und Kollegen sagen, da ich selber staatlich anerkannter Erzieher bin – vor Ort unrecht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der Anspruch ist ja tatsächlich größer geworden. Zu der Zeit, als die allermeisten aus diesem Haus im Kindergarten waren, war es etwas anderes. Man war von 9 bis 12 Uhr im Kindergarten – ich sage es etwas despektierlich –, damit Mama einkaufen gehen konnte.
(Diana Golze [DIE LINKE]: Bei mir nicht!)
– Nicht bei allen. Bei Ihnen nicht. Deswegen ist aus Ihnen ja auch etwas geworden, Frau Golze.
Ich will nur sagen, dass sich die Situation sehr stark gewandelt hat. Der Druck auf die Einrichtung ist auch viel größer geworden. Der Anspruch ist nicht nur größer geworden, weil die Kinder mehr Zeit verbringen in den Kindertagesstätten, sondern der Anspruch ist auch größer geworden, weil vieles von dem aufgefangen bzw. ergänzt werden muss, was Eltern nicht schaffen oder nicht leisten können, weil sie keine Zeit haben. Ich warne aber auch davor, den Einrichtungen vor Ort, den Schulen und den Kindertagesstätten, zu viel aufzubürden. Sie können und müssen nicht all das auffangen, was eigentlich Aufgabe der Erziehung durch die Eltern ist. Aber wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Einrichtungen nicht nur Verwahranstalten sind. Das tun wir auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Das tun wir zum einen mit dem schon angesprochenen Programm „Frühe Chancen“. Wir haben es nicht aufgegeben. Im Koalitionsvertrag steht – das wird auch in der nächsten Zeit bei den Haushaltsberatungen eine Rolle spielen –, dass wir es ausbauen und verstetigen wollen. Wesentlich ist ja nicht nur der Personalschlüssel, sondern auch der Punkt, wie qualifiziert die Förderung der Kinder ist, bei denen die Einrichtungen Defizite von zu Hause aufarbeiten müssen. Sprachförderung spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle. Gerade in Ballungszentren wie Berlin und Frankfurt spielt diese Frage eine größere Rolle, weil diese Probleme dort vor Ort sehr stark vertreten sind. Es ist gut, dass wir uns da als Bund einmischen.
Eine andere Sache – ich greife das Stichwort „einmischen“ auf –: Ist es eigentlich unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, einen Personalschlüssel zu erstellen? Nehmen wir uns hier nicht wieder einer Aufgabe an, die eigentlich gar nicht bei uns, sondern bei den Kommunen und Ländern angesiedelt ist? Ich bin sehr dafür, dass wir bezüglich des Personalschlüssels zu einheitlichen und vergleichbaren Standards in den Ländern kommen. Ich bin aber nicht dafür, dass wir noch eine weitere Aufgabe an uns ziehen und anschließend feststellen, dass wir sie gar nicht finanzieren können. Die Aufgabe, einen Personalschlüssel zu erstellen, liegt bei den Ländern. Das ist auch richtig so.
Nichtsdestotrotz würde ich mich freuen, wenn sich die zuständigen Fachministerinnen und Fachminister von Bund und Ländern intensiver darüber austauschen, in welcher Art und Weise und in welcher Qualität die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern stattfindet. In 16 Bundesländern gibt es fast 16 unterschiedliche Ausbildungswege. Das ist keine Wertschätzung der Personen, die diese Arbeit leisten. Fast jeder andere Beruf hat eine einheitliche Ausbildung. Aber ausgerechnet diejenigen, denen wir unsere Kinder am Anfang ihrer Lebenszeit anvertrauen, haben keine einheitliche Ausbildung. Wir sollten dazu beitragen, dass der Beruf stärker vereinheitlicht wird, und dazu sollten wir mit den Ländern intensiv ins Gespräch kommen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist übrigens nicht nur eine Aufgabe der Familien- und Jugendminister, sondern auch die Bildungsminister sind dafür zuständig.
Eine andere Frage ist die der Bezahlung. Auch das hat etwas mit der Wertschätzung des Personals zu tun, das wir in den Kindertagesstätten haben. Dies wiederum hat etwas mit der Ausbildungssituation zu tun: Auf der einen Seite mache ich vier, fünf Jahre eine Ausbildung, wofür ich kein Geld bekomme, und verdiene am Anfang nur wenig. Solch eine Bezahlung vorzusehen, aber auf der anderen Seite zu erwarten, dass Sprachdefizite, Defizite aus den Familien und gesellschaftliche Probleme aufgefangen und vor Ort aufgearbeitet werden sollen, davor kann man nur warnen. Deshalb müssen wir auch darüber reden, die Bezahlung von Fachkräften in den Kindertagesstätten deutlich zu verbessern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Ein letzter Punkt, den ich beim Personal neben der Bezahlung ansprechen möchte, ist die Frage – wir reden derzeit darüber –: Sollen wir den Beruf des Erziehers akademisieren? Wollen wir, dass die Erzieher gleich ein Studium absolvieren müssen, weil ihre Tätigkeit vielleicht genauso wertvoll ist wie die der Grundschullehrer und -lehrerinnen? Ich persönlich – das ist aber jetzt eine sehr spezielle Frage – würde davor warnen. Ich würde sagen: lieber eine anständige, vielleicht sogar duale Ausbildung für die Erzieherinnen und Erzieher und eine qualitative Stärkung der frühkindlichen Bildung, indem wir Absolventen akademischer Berufe, etwa Pädagogen und Sozialpädagogen, verstärkt in diesen Bereich einbinden. Ich glaube, angesichts der Komplexität wäre es sinnvoll, dass verschiedene Menschen vor Ort dafür zuständig sind. Dabei sollten wir die Erzieher an die erste Stelle setzen und ihre Arbeit würdigen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Rix. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Christina Schwarzer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3443665 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Frühkindliche Bildung |