Katarina BarleySPD - Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Wir haben heute schon sehr viel über Frieden und Demokratie gehört. Heute Morgen haben wir an zwei Ereignisse in China und Polen erinnert. Wir diskutieren sehr viel über die Ukraine. Ich finde, gerade an einem solchen Tag sollte man auch einmal sagen, wie froh wir sein können, dass wir in diesem Haus so engagiert streiten, wie wir es hier tun, und wie froh wir angesichts der Vergangenheit, die wir haben, sein können, dass wir in einem Land leben, in dem Demokratie und Frieden inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir unsere Verantwortung wahrgenommen haben und Teil der Europäischen Union geworden sind, Teil einer Institution, die als Friedensprojekt angelegt ist und dies hoffentlich auch immer bleiben wird.
Die ersten Wahlen zum Europäischen Parlament nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages liegen hinter uns. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind zu diesen Wahlen mit zwei zentralen Versprechen angetreten, nämlich Europa sozialer und demokratischer machen zu wollen. Dem zweiten Versprechen – Europa noch demokratischer zu machen – kommen wir gerade ein Stück näher. Denn die großen Parteienfamilien hatten sich entschieden, für das Amt des Kommissionspräsidenten, eines der wichtigsten Ämter der Europäischen Union, europäische Spitzenkandidaten ins Rennen zu schicken. Die Bürgerinnen und Bürger sollten über dieses wichtige Amt entscheiden – ein großer Schritt zu mehr Demokratie in Europa.
Die Alternativen lagen klar auf der Hand. Die Spitzenkandidaten waren Martin Schulz und Jean-Claude Juncker. Beide haben sich einer öffentlichen Diskussion gestellt, von der man, wenn man sie mit der Diskussion über die Europawahlen der vergangenen Jahre vergleicht, sagen muss: Es gab ein viel stärkeres Interesse der Medien, der Öffentlichkeit und – wahrscheinlich haben auch Sie es an den Wahlkampfständen gemerkt – der Wählerinnen und Wähler an diesem Europa, weil es mit Personen, mit Gesichtern, und erst dann mit Programmen verbunden wurde.
Die Tendenz sinkender Wahlbeteiligungen ist gestoppt worden bei dieser Europawahl; wir haben es schon gehört. In Deutschland ist die Wahlbeteiligung sogar erheblich gestiegen. Ich denke, auf dieses neue Vertrauen, das Europa dadurch gewonnen hat, müssen wir jetzt aufbauen, und das Versprechen, das die Parteien vor der Wahl unter Beteiligung fast aller Staats- und Regierungschefs gegeben haben, muss auch nach der Wahl gelten. Ich bin wirklich froh, dass die Bundesregierung das ebenso sieht und Jean-Claude Juncker als Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten unterstützt.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])
Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass in vier europäischen Staaten – in Großbritannien, Griechenland, Frankreich und Dänemark – extreme oder antieuropäische oder beide Merkmale vereinende Parteien jeweils auf dem ersten Platz gelandet sind. Was machen wir nun mit einem solchen Ergebnis, das den extremen Parteien links wie rechts einen so enormen Zulauf beschert hat?
Die erste Möglichkeit wäre, das als Signal gegen die europäische Einigung zu sehen und dementsprechend Europa einzuschränken, sich für weniger Europa zu entscheiden und damit in gewisser Weise der britischen Linie unter David Cameron zu folgen.
Die zweite Möglichkeit – es wird Sie nicht verwundern, dass dies von mir favorisiert wird – ist, das Wahlergebnis durchaus als Kritik am gegenwärtigen Zustand der Europäischen Union zu verstehen, sich zu fragen, wo Europa besser werden muss, und die Europäische Union entsprechend weiterzuentwickeln. Denn wir wissen: Für viele Menschen ist die EU auch mit Befürchtungen, Unsicherheiten und Ängsten, teilweise auch mit erheblichen Einschränkungen verbunden. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass die Europäische Union ein Projekt bleibt – und noch stärker wird –, das das Leben der Menschen spür- und wahrnehmbar zum Positiven hin verändert. Das ist die Linie, die wir Sozialdemokraten vertreten.
(Beifall bei der SPD)
Nach der Wahl geht es wieder an die inhaltliche Arbeit. Worum muss es gehen? Die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, muss im Zentrum unserer gemeinsamen Anstrengungen für Europa stehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Martin Schulz hat es einmal klar und deutlich formuliert: „Ohne Arbeit kein Zusammenhalt und keine Zukunft.“
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen einen Pakt für gute Arbeit und existenzsichernde Mindestlöhne in ganz Europa. Die sozialen Sicherungssysteme und die Arbeitnehmerrechte müssen gestärkt werden. Sozial- und Steuerdumping müssen beendet werden. Das dringlichste Problem ist sicherlich die Jugendarbeitslosigkeit. Die Jugend – im Süden Europas insbesondere – braucht eine konkrete Zukunftsperspektive; denn das sind die Menschen, die weiter an dem Haus Europa bauen sollen. Sie müssen Europa als einen Ort erleben, der ihnen Möglichkeiten eröffnet und sie eben nicht hängen lässt. Die Jugendbeschäftigungsinitiative und ihr Hauptschwerpunkt, die Jugendgarantie, müssen ein Erfolg werden. Damit das klappt, sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission gefragt – und natürlich der neue Kommissionspräsident; denn Europa ist mehr als die Addition von 28 Einzelinteressen.
Wir dürfen bei allem Klein-Klein die zentralen Herausforderungen nicht aus den Augen verlieren. Wir kämpfen weiter für ein soziales und solidarisches Europa, für ein Europa, das Chancen und Perspektiven bietet, für ein Europa, von dem die Menschen sagen, es trägt dazu bei, dass ihr Leben besser wird, ebenso die Perspektive für das Leben ihrer Kinder. Das ist unser Ziel und dafür streiten wir weiter.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächster Redner spricht Florian Hahn von der CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3485165 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 38 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel |