Florian HahnCDU/CSU - Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Name und der Ort des diesjährigen Gipfels der wichtigsten Industrienationen zeigen bereits: Es hat sich etwas verändert in dieser Welt. Wir sprechen von einem G-7- und nicht mehr von einem G-8-Gipfel. Die Regierungschefs tagen in Brüssel und nicht, wie ursprünglich geplant, in Sotschi in Russland. Beides ist ein markanter Ausdruck der veränderten Rahmenbedingungen deutscher und westlicher Außenpolitik angesichts der Ereignisse der letzten Monate in der Ukraine. Durch den Ausschluss Russlands aus dem Kreis der großen Acht sind wir auf den Stand von 1998 zurückgefallen. Gleichzeitig sind wir mit unseren Partnern in den G 7 als Werte- und Sicherheitsgemeinschaft noch näher zusammengerückt.
Im Hinblick auf den Debattenbeitrag unserer Kollegin Wagenknecht von vorhin muss ich sagen: Das erinnert mich schon sehr an ihre frühere Mitgliedschaft in der Kommunistischen Plattform. Sie haben gesagt, es gebe keinen Frieden in Europa ohne oder gegen Russland. Ich sage Ihnen: Es gibt keinen Frieden in Europa, wenn sich nicht alle an das Völkerrecht halten, und das gilt auch für Russland.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Annexion der Krim durch Russland war und ist eine massive Verletzung des geltenden Völkerrechts. Das ist mit unseren gemeinsamen Werten in keiner Weise vereinbar. Deshalb war der Schritt, nur unter den G 7 zu tagen, notwendig und richtig – im Sinne unserer Glaubwürdigkeit und unserer Prinzipientreue und für uns Deutsche insbesondere auch im Spiegel unserer Geschichte.
Gleichzeitig haben wir uns – allen voran unsere Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister – in den letzten Monaten mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, den Gesprächsfaden zu allen Beteiligten festzuhalten und gemeinsam nach politischen Lösungen zu suchen. Dies geschah aus der tiefen Überzeugung, dass es in unserer Verantwortung liegt, alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, und vor dem Hintergrund unserer Geschichte, da wir um den besonderen Wert wissen, auch unter schwierigen Bedingungen immer wieder das Gespräch zu suchen.
Wenn wir heute auf die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine schauen, dann sehen wir neben den vielen bedrückenden Nachrichten erstmals seit vielen Wochen wieder schwache Hoffnungsschimmer. Das besonnene, aber entschlossene Handeln der Bundesregierung, der EU und der internationalen Staatengemeinschaft war also nicht umsonst. Das kann die Linke so viel negieren, wie sie möchte.
Die klaren Mehrheiten bei den Präsidentschafts- und den Bürgermeisterwahlen für Poroschenko und Klitschko sind ein starkes Signal nach innen und nach außen. Sie zeigen: Der ganz überwiegende Teil der ukrainischen Bevölkerung ist geeint in dem Bekenntnis zur Demokratie und zu europäischen Werten. Besonders erfreulich ist, dass auch die Menschen im von Unruhen erschütterten Osten des Landes trotz der zahlreichen Einschüchterungsversuche und Blockaden durch prorussische Separatisten ein eindeutiges Votum für die Freiheit und Einheit des Landes abgegeben haben.
Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigung des russischen Präsidenten, das Wahlergebnis zu respektieren und mit der neuen ukrainischen Führung zu kooperieren. Die Lage in der Ostukraine ist aber noch immer brandgefährlich. Es gibt noch immer schwere Gefechte und viele Tote. Hier sind wir in der Verantwortung, auch weiterhin alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, um zu einer Stabilisierung beizutragen.
Zugleich müssen wir aber in der EU und in der NATO einig bleiben und fest zu unseren Partnern und zu unseren bisherigen Entscheidungen stehen. Nur ein entschlossenes Bündnis, das mit einer Stimme spricht, wird ernst genommen.
Ich begrüße es deshalb sehr, dass unsere Bundesministerin von der Leyen noch einmal betont hat, dass die Sorgen unserer östlichen Partner auch unsere Sorgen sind. Auch Poroschenko ist in der Verantwortung, durch kluges und entschiedenes Handeln Herr der Lage zu werden und sein Volk zu schützen. Dabei die richtigen und angemessenen Mittel zu finden, ist sicherlich eine extreme Herausforderung. Nicht zuletzt ist Putin in der Verantwortung, seinen Einfluss auf die Separatisten zu nutzen und zu einer Deeskalation beizutragen. Raketentests in Grenznähe sind sicher nicht das erhoffte Signal, das wir uns wünschen.
Putin ist in den vergangenen Wochen wieder kleine Schritte auf den Westen zugegangen. Dazu gehören sein Engagement zur Freilassung der von den Milizen festgehaltenen OSZE-Beobachter, seine Forderung, das sogenannte Referendum in der Region Donezk zu verschieben, um zunächst die notwendigen Bedingungen für einen Dialog zu schaffen, und die Ankündigung, mit der neuen Führung in der Ukraine zusammenzuarbeiten. Das waren kleine Schritte, aber sie führen in die richtige Richtung. Jetzt gilt es: Putin muss seinen Ankündigungen endlich auch Taten folgen lassen. Die wenig konstruktive russische Haltung auf dem jüngsten NATO- Russland-Rat ist hier noch kein Aufbruchssignal gewesen.
Wir fordern den russischen Präsidenten auf, einen Weg der Kooperation einzuschlagen und in die Mitte der internationalen Staatengemeinschaft zurückzufinden. Dazu gehören unter anderem eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen ukrainischen Führung und ein gemeinsames Engagement zur Stabilisierung der Lage in der Ostukraine. Die Grenze zur Ostukraine muss besser kontrolliert und das Einsickern von Kämpfern und Waffen wirksam unterbunden werden. Außerdem muss die Energieversorgung der Ukraine sichergestellt werden. Der Gaspreis darf nicht dauerhaft dazu missbraucht werden, politischen Druck aufzubauen. Nicht zu vernachlässigen ist: Es muss eine angemessene Lösung gefunden werden, um der ukrainischen Bevölkerung wieder einen Zugang zur Krim zu ermöglichen.
Es ist unser ausdrücklicher Wunsch, dass ein G-8- Gipfel irgendwann wieder stattfinden wird. Klar ist aber auch: Bis dahin ist noch viel zu tun. Ich sage es noch einmal: Wir sehen derzeit einige Hoffnungsschimmer in der Ukraine. Das sind Chancen für uns, für Poroschenko, für Putin, vor allem aber für die Ukraine und die Menschen vor Ort. Ich bin mir sicher, die überwältigende Mehrheit des Bundestages will tatkräftig daran mitwirken, damit wir alle gemeinsam diese Chancen nutzen.
Ich habe eingangs gesagt: Die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine haben die Rahmenbedingungen deutscher und westlicher Außen- und Sicherheitspolitik verändert. Damit verbunden müssen wir uns wieder mit Fragen auseinandersetzen, die angesichts der europäischen Einigung und stabiler internationaler Partnerschaften lange Zeit keine oberste Priorität mehr besaßen. Der Reiz der Friedensdividende hat zu lange den Blick auf die Fragen verdeckt, wie wir uns langfristig in der NATO und in der gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik positionieren wollen. Welche Fähigkeiten wollen wir erhalten? Welche Fähigkeiten müssen wir gemeinsam entwickeln, um neuen Bedrohungsszenarien begegnen zu können? Wir müssen vor allem innerhalb Europas die gemeinsame Sicherheitspolitik vertiefen und endlich weitere konkrete Projekte auf den Weg bringen.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch der Diskussion stellen, ob wir in Deutschland und in Europa ausreichend Mittel für unsere Sicherheit aufwenden. Auch die Frage der Energieabhängigkeit muss in den Fokus rücken. Wir dürfen nicht zulassen, dass über die Energieversorgung politischer Druck auf Deutschland, auf die Europäische Union oder die Staaten der internationalen Gemeinschaft ausgeübt werden kann.
Wir dürfen nicht dauerhaft erpressbar sein. Deshalb begrüße ich mit Nachdruck, dass sich die G 7 dieser wichtigen Frage annehmen und einen gemeinsamen Aktionsplan entwickeln wollen. Darüber hinausgehend stellt sich für uns die Aufgabe, mittelfristig eine Strategie zu erarbeiten, wie wir unsere Bezugsquellen, insbesondere beim Gas, diversifizieren, Transportwege sichern und eine leistungsfähige europäische Infrastruktur sicherstellen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gleichzeitig befürworten wir das klare Bekenntnis der großen Sieben zur Weiterentwicklung der internationalen Handelsliberalisierung. Das war immer unsere Politik. Dieser Weg hat Deutschland immer gutgetan; denn Deutschland – vor allem auch meine Heimat Bayern – gehört als Exportspitzenreiter zu den größten Profiteuren eines offenen Weltmarktes und teilharmonisierter Wirtschaftsräume.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das gilt für Europa wie für die zahlreichen internationalen Handelsabkommen.
Das europäische Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, ist und bleibt deshalb zuallererst eine Riesenchance für unser Land und auch für Europa. Die USA sind einer der wichtigsten Exportmärkte für unsere Unternehmen, und wir sind mit Abstand wichtigster Handelspartner der USA innerhalb der Europäischen Union: 30 Prozent aller EU-Exporte in die USA kommen aus Deutschland.
Durch TTIP würde der weltweit größte Binnenmarkt mit rund 800 Millionen Menschen entstehen. Schätzungen gehen für Europa von einem jährlichen Wachstumsimpuls von fast 120 Milliarden Euro und 400 000 neuen Arbeitsplätzen aus. Ich sage es noch einmal: Das ist zuallererst eine Riesenchance und wäre auch ein Konjunkturprogramm gegen die hohe Arbeitslosigkeit in den Krisenstaaten – ohne Steuermittel.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage aber auch ganz klar: TTIP darf es nicht um jeden Preis geben. Die Verhandlungen müssen transparent und offen und unter enger Einbindung der Mitgliedstaaten, ihrer Parlamente und der allgemeinen Öffentlichkeit geführt werden. Die Kommission hat hier in letzter Zeit erste Schritte eingeleitet und die von vielen Seiten geäußerten Bedenken ernst genommen. Dieser Weg muss unbedingt fortgesetzt werden.
Das Freihandelsabkommen darf unter keinen Umständen zu einer Absenkung unserer hohen Schutzniveaus führen, beispielsweise in den Bereichen Umweltschutz, Verbraucherschutz, Tierschutz, Gesundheitsschutz und Arbeitnehmerschutz. Es muss natürlich auch ein besonderes Augenmerk auf das Thema Datenschutz gelegt werden. Es muss abgesichert sein, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls nicht durch Schiedsgerichte unterwandert werden können. An einer so ausgestalteten Partnerschaft wollen und werden wir als CSU und als Union mit voller Kraft mitarbeiten.
Abschließend bleibt zu sagen: Der diesjährige G-7- Gipfel nimmt sich der wichtigen Fragen unserer Zeit an. Ich bin sicher, die Bundeskanzlerin wird unsere Interessen wie gewohnt und, wie sie es auch kürzlich bei dem Treffen der Regierungschefs der EU-Staaten getan hat, mit starker Stimme und Durchsetzungskraft einbringen und vertreten. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben dabei unsere volle Unterstützung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich Kollegen Klaus Barthel, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3485171 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 38 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel |