05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 6

Frank SchwabeSPD - Klimaschutz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen lieben Dank an die Grünen – zum einen für die Fleißarbeit,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

was ja auch hilfreich für weitere Beratungen ist, und zum anderen dafür, dass wir hier noch einmal über die Klimaschutzpolitik in Deutschland und darüber hinaus resümieren und auch ausblicken können.

Wenn man sich die Phasen der Klimaschutzpolitik anguckt – ich rede jetzt nur von diesem Jahrhundert –, dann kann man, glaube ich, feststellen, dass die Klimaschutzpolitik zum Anfang dieses Jahrhunderts sehr engagiert war. Die Hochphase lag zwischen 2003 und 2008, die sicherlich auch durch neue Erkenntnisse angeheizt wurde, die wir auf internationaler Ebene über die Auswirkungen des Klimawandels gewonnen hatten.

Ich muss leider sagen, dass in den Jahren 2009 bis 2013 – das kann der Koalitionspartner ja auf die FDP schieben –

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, kann er nicht!)

auf diesem Gebiet nicht sehr viel passiert ist, sondern – diesen Eindruck habe ich – eher Rückschritte zu verzeichnen waren. Gerade auf europäischer Ebene haben wir den Klimaschutz eher blockiert als vorangetrieben.

Das führt mich zum Jahr 2015. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich finde, dass wir gerade dabei sind, zu einer konsolidierten deutschen Klimaschutzpolitik zurückzufinden. Dafür will ich hier der Ministerin Barbara Hendricks ausdrücklich danken, die jetzt bei den Verhandlungen in Bonn ist.

(Beifall bei der SPD)

Das war im Übrigen auch dringend notwendig – zumindest aus zweierlei Gründen:

Erstens ist eine konsolidierte deutsche Klimaschutzpolitik aufgrund der Erkenntnisse des Weltklimarats notwendig: Der Klimawandel schreitet voran, er ist menschengemacht, er bringt Not und Elend über viele Menschen und Regionen auf der Welt, und – das ist die vierte und vielleicht wichtigste Erkenntnis – wir können zu relativ überschaubaren Preisen etwas dagegen tun. Deshalb müssen wir handeln.

Zweitens ist es notwendig, zu einer konsolidierten deutschen Klimaschutzpolitik zu kommen, weil es entgegen einer Fehlwahrnehmung, der wir, glaube ich, auch in der Öffentlichkeit in Deutschland unterliegen, sehr wohl Veränderungen auf der Welt gibt. Das bildet sich noch nicht immer in internationalen Prozessen ab. Noch verpflichten sich in den internationalen Verträgen nicht genügend Länder zu einer ambitionierten Klimaschutzpolitik, aber in den Ländern geschieht eine ganze Menge, zum Beispiel beim Ausbau der erneuerbaren Energien – übrigens orientiert an der Bundesrepublik Deutschland. Die Kollegin Baerbock, die Vizepräsidentin und meine Wenigkeit reisen gleich zu einer Konferenz nach Mexiko City. Dort werden wir die deutsche Politik im Bereich der erneuerbaren Energien international präsentieren. Andere Länder haben sich in den letzten Jahren schon daran orientiert und werden das, glaube ich, auch in den nächsten Jahren tun.

Wir sehen zum Beispiel auch in China enorme Veränderungen. Es gibt gerade Hinweise darauf, dass im nächsten Fünfjahresplan ab 2016 feste Treibhausgasobergrenzen – das wäre eine Revolution – für China festgelegt werden sollen. Wer das Land ein bisschen kennt, der weiß, dass das Thema „Umwelt und Auswirkungen von Umweltverschmutzung“ eines der zentralen Themen, wenn nicht sogar das zentrale Thema, in der Volksrepublik China ist.

Über die USA ist ja gerade schon gesprochen worden. Mit dem, was Obama jetzt vorgelegt hat, hat er nur ein Versprechen eingelöst, das er der Weltgemeinschaft gegeben hat. Das ist hochinteressant. Ich komme gleich noch auf einzelne Maßnahmen zu sprechen.

Klimaschutz ist nicht nur eine Frage des Umweltschutzes, sondern auch eine Frage der Technologieführerschaft. Wenn man sich die Kommentare zu dem anguckt, was Obama jetzt angestoßen hat, dann sieht man, dass Technologieführerschaft ein wichtiges Thema ist.

Es ist auch die Frage, welche Rolle ein Land international spielen will und spielen kann. Deswegen will ich die Frau Bundeskanzlerin an einer Stelle ein bisschen kritisieren: Ich jedenfalls habe nicht verstanden – vielleicht erklärt sie es noch einmal –, warum sie nicht an dem Ban-Ki-moon-Gipfel in New York teilnimmt.

(Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will sie aber ausdrücklich dafür loben, dass sie gesagt hat, sie werde das Thema Klimaschutz – das ist nicht das erste Mal – zu einem zentralen Thema der G-8- oder G-7-Präsidentschaft – was auch immer es ist – machen. Es ist richtig und gut, dass dort entsprechender Druck aufgebaut wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Es ist gut und richtig, dass diese Bundesregierung mit der Ministerin an der Spitze in wenigen Wochen und Monaten zwei Dinge erreicht hat: Erstens. Wir sind in der EU wieder zu einem eher führenden Land in Sachen Klimaschutz geworden. Zweitens. Deutschland macht sich ehrlich in der Frage: Wie weit sind wir im Bereich des Klimaschutzes hinsichtlich der Zielerreichung?

Zur Europäischen Union. Es sind nur wenige Tage vergangen, bis es Deutschland – auch dank der guten Absprachen zwischen Ministerin Hendricks und Minister Gabriel – gelungen ist, auf europäischer Ebene beim Thema Emissionshandelsreform und hinsichtlich der Ziele für das Jahr 2030 zu guten Regelungen und Positionen zu kommen.

Es gibt innerhalb der Europäischen Union drei Ziele – das jedenfalls ist die Position der Bundesrepublik Deutschland – für das Jahr 2030: Die CO 2 -Reduktion soll mindestens 40 Prozent betragen. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll bei 30 Prozent liegen. Die Energieeffizienz – ich finde, der diesbezügliche Vorschlag der Unionsfraktion ist sehr gut und sollte von der Bundesregierung aufgegriffen werden – soll bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent verbessert werden. Ohne Zweifel – das kann wohl niemand bestreiten – sind wir damit wieder am progressiven Ende der Europäischen Union angelangt. All das wurde auf europäischer Ebene erreicht.

Was wurde in Deutschland erreicht? Deutschland macht sich ehrlich, habe ich gerade gesagt. Wir alle gemeinsam haben hier im Deutschen Bundestag bezüglich der CO 2 -Reduktion ein 40-Prozent-Ziel beschlossen. Es ist gerade schon festgestellt worden: Wir sind noch längst nicht dabei, dieses Ziel zu erreichen, sondern wir liegen bei 33 Prozent, vielleicht noch weniger.

Leider ist es so, dass es seit dem Meseberger Programm von 2007 kein vernünftiges Programm mehr gegeben hat, um sich der Herausforderung des Klimaschutzes umfassend zu stellen. Deswegen ist es richtig, dass die Ministerin deutlich gemacht hat: Es soll – ich will es einmal so nennen – ein mittelfristiges Sofortprogramm bis zum Ende des Jahres geben –

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

ich nenne das einmal Meseberg II –, um in diesem Jahr wirklich zu konkreten Veränderungen und Verbesserungen zu kommen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn ein „mittelfristiges Sofortprogramm“? Erkläre uns das bitte!)

Ich will ausdrücklich die Kollegin Weisgerber unterstützen: All das ist nicht die Aufgabe einer Ministerin. Nicht nur eine Ministerin ist für Klimaschutz zuständig,

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die ganze Bundesregierung!)

sondern es ist die Aufgabe aller Ministerien, hierzu ihren Beitrag zu leisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dabei wäre die Unterstützung des ganzen Hauses sinnvoll.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die anderen Minister dürfen das nicht konterkarieren!)

Es soll ein Klimaschutzgesetz geben – man könnte es auch „Klimaschutz mit Gesetzescharakter“ nennen –, weil wir eben wissen müssen – ich glaube, das ist der Kardinalfehler der letzten Jahre gewesen –: Wo stehen wir eigentlich bei der Zielerreichung? Ambitionierte Ziele haben wir uns gegeben, aber bei der Zielerreichung wird es kompliziert. Deswegen sage ich: Wir brauchen so etwas wie ein KEÜG. Eigentlich brauchen wir kein Klimaschutzgesetz, sondern ein Klimaschutz-Erreichungs-Überprüfungs-Gesetz. Mit einem solchen Gesetz wissen wir immer: Wo stehen wir gerade? Da lobe ich noch einmal die grüne Fraktion: Das, was von ihr vorgelegt wurde, ist zumindest eine Möglichkeit, sich in den nächsten Monaten in die lebendige Debatte einzubringen.

Vor einer Debatte werden wir uns alle nicht drücken können – das will ich hier ganz offen sagen –: Wenn wir das Ziel, die CO 2 -Emissionen in Deutschland um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, ernst nehmen, dann müssen wir sehen, dass die Hälfte davon über den Emissionshandel erreicht werden müsste, im Bereich der Kraftwerke und im Bereich der Industrie. Ich will ausdrücklich sagen, dass dies innerhalb der SPD noch nicht ausdiskutiert ist. Aber es ist wohl klar – das müssen wir alle feststellen –: Der Emissionshandel sendet im Moment nicht ausreichend Signale, um dieses Ziel zu erreichen.

Aus meiner Sicht gibt es hier, wenn wir ehrlich damit umgehen, vier Möglichkeiten:

Die erste Möglichkeit ist: Wir werden das 40-Prozent- Ziel nicht erreichen. Ein Scheitern wollen wir aber verhindern; darin sind wir uns einig. Wir haben im Deutschen Bundestag festgelegt, dass wir dieses Ziel erreichen wollen.

Die zweite Möglichkeit ist: Wir müssen in den Bereichen, die der Emissionshandel nicht umfasst, mehr leisten, also im Verkehrsbereich oder im Landwirtschaftsbereich. Ich glaube, wir wissen alle: Es ist ziemlich unrealistisch, das zu erreichen.

Die dritte Möglichkeit ist, dass wir den Emissionshandel in der Tat wieder flottmachen. Dafür bleibt aber nicht viel Zeit. Das können wir nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Möglicherweise können wir ihn auch dadurch flottmachen, dass wir auf nationaler Ebene komplementäre Maßnahmen, wie ich es einmal nennen will, ergreifen.

Die vierte Möglichkeit wäre, dass wir zu der Auffassung kommen, der Emissionshandel reicht nicht als Regulierungsinstrument, sondern wir müssen uns auch der Frage des Kraftwerksparks widmen. Dann werden wir über das diskutieren müssen, was gerade in den USA im Bereich der Effizienzziele gemacht wird.

Wenn wir das alles nicht tun und die Dinge einfach laufen lassen, dann werden wir am Ende die Ziele verfehlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Kopf in den Sand zu stecken, wird nicht funktionieren. Das ist keine Lösung. Wenn man mit Menschen aus allen Teilen der Welt spricht – das werden wir ja in den nächsten Tagen wieder tun –, dann merkt man, welche dramatischen Auswirkungen der Klimawandel hat und welche Verantwortung wir haben. Wir haben die Lösungsmöglichkeiten durchaus in der Hand, um anders zu wirtschaften und Energie auf andere Weise zu produzieren. Es ist unsere Verantwortung, das wahrzunehmen, und das sollten wir im deutschen Parlament gemeinsam tun.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Als nächste Rednerin hat Herlind Gundelach von der CDU/CSU das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3488745
Wahlperiode 18
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Klimaschutz
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