05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 6

Herlind GundelachCDU/CSU - Klimaschutz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute neben dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Etablierung eines Klimaschutzgesetzes, zu dem meine Kollegin Weisgerber schon ausführlich Stellung genommen hat, erneut einen Antrag der Grünen zur Energieeffizienz. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir mit der Novelle des EEG auf stabile Füße stellen, zählt die Energieeffizienz zweifellos zu den tragenden Säulen der Energiewende. Dessen sind sich die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen wohl bewusst.

Derzeit stehen wir aber aufgrund des Beihilfeverfahrens unter dem Zugzwang, die EEG-Novelle bis zur Sommerpause verabschiedet zu haben, weil sonst die Besondere Ausgleichsregelung für die energieintensiven Betriebe im nächsten Jahr nicht mehr greift. Daher haben wir uns zunächst auf das EEG konzentriert.

Vor genau drei Jahren, nämlich am 6. Juni 2011, haben wir eine Energiewende beschlossen. Bei dieser Energiewende geht es eben nicht nur um die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung. Insoweit liegen Sie mit dem Thema Ihres Antrags absolut richtig. Das unterstreicht aber auch schon der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)

der die Verbesserung der Energieeffizienz als zweite wichtige Säule für den Umbau der Energieversorgung in Deutschland beschreibt. Dabei brauchen wir einen sektorübergreifenden Ansatz, der Gebäude, Industrie, Verkehr, Gewerbe und private Haushalte gleichermaßen umfasst.

Außerdem müssen wir Strom, Wärme und Kälte ebenfalls in den Blick nehmen, und zwar gemeinsam. Daher haben wir bereits konkrete Ziele im Koalitionsvertrag festgelegt, die Sie ganz offensichtlich unterstützen. Denn bei genauem Lesen Ihres Antrags fällt auf, dass Sie viele unserer Forderungen in Ihren Antrag aufgenommen haben.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch wunderbar! Dann machen wir das doch!)

Wenn ich daraus den Schluss ziehen darf, dass Sie uns bei der Umsetzung dieser Ziele tatkräftig unterstützen, würde mich das sehr freuen; im Interesse der Sache wäre es übrigens auch geboten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich daher einige Punkte aus dem Koalitionsvertrag nennen. Wir wollen einen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz vorlegen, und zwar in der zweiten Jahreshälfte. Wir wollen die KfW-Programme aufstocken, verstetigen und vereinfachen. Wir wollen eine unabhängige Energieberatung fördern und kostenlose Energieberatung für Haushalte mit niedrigen Einkommen ausbauen. Wir wollen auf europäischer Ebene anspruchsvolle Standards durchsetzen und gegebenenfalls in dem einen oder anderen Punkt Forerunner sein, und wir brauchen eine bessere Kennzeichnung von Produkten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Was mich dann allerdings doch wieder etwas nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass Sie uns Untätigkeit unterstellen, nur weil die konkreten Vorschläge den Bundestag noch nicht erreicht haben. Den Grund dafür habe ich Ihnen schon erklärt. Wir haben uns entschieden, sorgfältig vorzugehen und keine Schnellschüsse ins Land abzufeuern.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das höre ich seit acht Jahren!)

Ich kann Ihnen aber versichern, dass sowohl in der Regierung als auch in den Fraktionen bereits seit vielen Monaten an Ideen gearbeitet wird; wir werden sie in den nächsten Monaten und Jahren hier sicherlich intensiv debattieren.

Nun aber zur Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie: Ich finde, Sie zeichnen in Ihrem Antrag ein sehr dramatisches Bild und verzerren damit die Realität. Die EU-Energieeffizienzrichtlinie ist am 4. Dezember 2012 in Kraft getreten, und sie soll von den Mitgliedstaaten bis zum Juni dieses Jahres umgesetzt werden.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis heute! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau heute!)

– Genau. – Die Frist ist aus meiner Sicht sehr ambitioniert.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch zugestimmt!)

So haben beileibe noch nicht alle Länder die Richtlinie vollständig umgesetzt. Wir stehen da nicht alleine.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch wohl ein Witz!)

Hinzu kommen bei uns – ich denke, das muss man auch ins Kalkül ziehen – eine Bundestagswahl und eine Regierungsneubildung mit sorgfältigen Koalitionsverhandlungen, die ebenfalls Zeit beansprucht haben.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passiert in anderen Ländern auch!)

Es ist außerdem gut nachvollziehbar, dass der neue Minister in dem von ihm vorzulegenden Maßnahmenkatalog seine Handschrift wiederfinden will. Im Übrigen – das übersehen Sie völlig – sind Teile der Energieeffizienzrichtlinie bei uns schon geltendes Recht. So sind die Artikel 9 bis 11 beispielsweise weitestgehend umgesetzt.

Außerdem stimmt es nicht, dass Deutschland bei seinen Reduktionszielen und Effizienzzielen weit hinterherhinkt. So steigern wir seit 1990 die Endenergieproduktivität jährlich um ungefähr 1,8 Prozent. Wir haben kontinuierlich unsere Ausgaben für die Förderung der Energieeffizienz beispielsweise im Gebäudebereich aufgestockt und verstetigt. Wir haben noch nie zuvor so viel Geld für die Förderung der energetischen Gebäudesanierung ausgegeben wie heute. Aber ich stimme Ihnen zu: Man kann noch mehr tun, und wir werden auch noch mehr tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich mache nun seit über 25 Jahren Umwelt- und Energiepolitik. Für viele Fachleute ist Energieeffizienz schon immer ein schlafender Riese gewesen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lassen ihn weiter schlafen!)

Deshalb bin ich froh, dass dieses Thema endlich die Öffentlichkeit erreicht hat und entsprechende Aufmerksamkeit vorhanden ist.

Mit Sorge sehe ich aber die von der EU-Richtlinie vorgesehenen Energieeffizienzverpflichtungssysteme. Hier verfolgen wir ausdrücklich einen anderen Ansatz und setzen auf Anreize, Beratung und Förderung; denn staatlicher Zwang bringt gerade an den Stellen, wo Eigentum und persönliches Handeln tangiert sind, in der Regel wenig, wie wir in den letzten Jahren bei vielen Projekten deutlich erfahren mussten. Ganz im Gegenteil: Die Menschen suchen nach Auswegen, um die Maßnahmen nicht durchführen zu müssen, oder sie verschieben sie auf der Zeitachse. Auch bürokratische Monster, wie sie in Ihrem Antrag durchschimmern, sind der Effizienz in der Regel nicht förderlich.

Effizienzfortschritte und Effizienzsteigerungen sind auf eine gut ausgebaute Forschungslandschaft angewiesen. Daher ist es notwendig, dass die Forschungsgelder im Bereich der Energieeffizienz weiterhin auf dem hohen Niveau gehalten werden, auf dem sie sich befinden. Ich plädiere sogar ausdrücklich dafür, sie zu steigern. In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig, dafür zu sorgen, dass in Deutschland endlich die Forschungsleistungen von Unternehmen steuerlich geltend gemacht werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir alle wissen, dass gerade im privaten Bereich noch erhebliche Effizienzen zu stemmen sind. Smart Grid und Smart Metering bergen hier große Potenziale; denn mit ihnen kann der Energieeinsatz auch im privaten Bereich optimal gestaltet werden. Auf die energetische Gebäudesanierung ist meine Kollegin schon eingegangen; ich kann das nur noch nachträglich unterstützen. Glücklicherweise haben wir in Deutschland bereits gut funktionierende Strukturen im Energiedienstleistungsmarkt. Auch diese müssen wir nutzen und mit Vernunft und Augenmaß an die Sache herangehen.

Vernunft und Augenmaß, das wiederum führt mich zurück zu Ihrem Antrag. Wie bereits gesagt: Sie sprechen zum Teil durchaus sinnvolle Maßnahmen an und haben marktwirtschaftliche Ansätze, was bei Ihnen normalerweise nicht so häufig vorkommt. Dennoch bietet Ihr Antrag auch blanken Aktionismus, nach dem Motto „Viel hilft viel“. Aber das ist bei der Förderung der Energieeffizienz so nicht immer richtig. Betrachtet man beispielsweise die deutschen Förderprogramme, dann stellt man fest: Hier gibt es für die Bürgerinnen und Bürger inzwischen eine so große Bandbreite, dass viele die Förderung gar nicht mehr durchschauen und deswegen gar nichts machen. Das kann auch nicht Sinn der Übung sein; denn mehr Geld bringt nichts, wenn es nicht abgerufen wird.

Hingegen unterstütze ich Ihre Forderung nach mehr Informations- und Aufklärungsarbeit. Wir haben bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir die unabhängige Energieberatung fördern werden und die kostenlose Energieberatung für Haushalte mit niedrigen Einkommen ausbauen möchten; denn es ist uns allen doch bewusst, dass der Rebound-Effekt eines unserer größten Probleme ist. Dem können wir nur durch gute Informationsarbeit begegnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Energieeffizienz ist kosteneffektiv, verbessert die Energieversorgungssicherheit und hilft, Emissionen zu senken. Deshalb kann Energieeffizienz in mancherlei Hinsicht als Europas größte Energieressource betrachtet werden. Ich lade Sie gerne ein, gemeinsam mit uns an diesem Projekt zu arbeiten, allerdings realistisch, innovationsoffen und nicht ideologisch.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Caren Lay das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3488778
Wahlperiode 18
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Klimaschutz
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