05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 8

Dietmar NietanSPD - Bundeswehreinsatz im Kosovo (KFOR)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Rat hat mit Beschluss vom 23. Mai das EULEX-Mandat bis in den Oktober 2014 verlängert. Wer sich diesen Beschluss anguckt, findet einen Satz – sagen wir einmal: in der EU-Sprache formuliert –, der nachdenklich macht. Da heißt es nämlich unter Punkt 6: Die EULEX-Kosovo-Mission wird in einer Lage durchgeführt, die sich möglicherweise verschlechtern könnte. – Ich glaube, dieser Satz bringt es auf den Punkt, warum es wichtig ist, das KFOR-Mandat zu verlängern.

Es gibt unbezweifelbar Erfolge in der Heranführung des Kosovos an die Europäische Union, es gibt große Erfolge in der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo, aber das ist immer noch erst der Anfang eines Weges, von dem wir natürlich hoffen, dass er am Ende dazu führen wird, dass ein unabhängiges Kosovo von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkannt wird und dass das Kosovo gute nachbarschaftliche Beziehungen nicht nur zu Serbien hat.

Aber auf diesem Weg gibt es auch Risiken. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir, glaube ich, beides tun: Wir müssen dieses Mandat verlängern; wir müssen uns aber auch sehr gut überlegen, was wir als Deutscher Bundestag, als Bundesregierung, als Europäische Union tun können, um von der militärischen Mission Schritt für Schritt immer mehr zu einer zivilen Mission zu kommen; denn es ist kein Selbstzweck, dass es KFOR weiterhin als Mandat gibt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])

Ein Punkt ist für mich in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Die Menschen, nicht nur die im Kosovo, sondern im gesamten sogenannten Westbalkan, dürfen nicht nur das Gefühl haben, sondern sie müssen die Überzeugung haben, dass wir in der Europäischen Union weiterhin ein großes Interesse daran haben, dass die gesamte Region, der gesamte sogenannte Westbalkan, eine faire Chance bekommt, am Ende des Tages Schritt für Schritt mit seinen Staaten Mitglied in der Europäischen Union zu werden. Deshalb darf es ein Signal von uns nach dem Motto „Nach dem Beitritt Kroatiens war Schluss, und jetzt geht es nicht mehr“ nicht geben. Das wäre in dieser Lage, wie sie sich jetzt darstellt, kontraproduktiv, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns mehr engagieren. Das heißt für mich aber nicht, dass es automatisch mehr Geld geben sollte oder dass es einen Rabatt auf dem Weg zum Beitritt zur Europäischen Union geben sollte. Vielleicht wäre es schon sehr hilfreich, wenn es für die Region, insbesondere auch für die Menschen im Kosovo, mehr Interesse und mehr Empathie seitens der europäischen Staaten geben würde. Manchmal hat man das Gefühl, dass diese Region von vielen einfach vergessen wird oder nicht mehr beachtet wird. Ich glaube, das frustriert gerade die vielen Menschen im Kosovo, die daran glauben, dass sie eine europäische Perspektive haben.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will in diesem Zusammenhang an einen bemerkenswerten Artikel von Una Hajdari, einer jungen Kosovarin, die als Bosch-Stipendiatin zurzeit hier weilt, erinnern, der am 21. Mai, einen Tag vor der Debatte zur ersten Lesung, in der taz zu lesen war. Sie hat in diesem Artikel geschrieben:

Mit „sie“ in diesem Artikel meint sie die politischen Eliten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ich empfehle Ihnen diesen Artikel zur Lektüre, weil er, wie ich glaube, zum Ausdruck bringt, wie sich viele Menschen im Kosovo fühlen. Sie haben eher das Gefühl, dass KFOR eine Besatzungsarmee ist, als dass sie das Gefühl haben, dass wir uns für sie interessieren und mit ihnen diesen Weg nach Europa gehen wollen.

Weil das so ist, müssen wir alles dafür tun, dass wir mit unserem Engagement denjenigen zur Seite stehen, die im Kosovo rechtsstaatliche Strukturen aufbauen wollen. Wir müssen noch mehr in die Entwicklung der gesamten Region investieren. Vielleicht macht es angesichts der Erfahrungen in der Ukraine Sinn, darüber nachzudenken, ob der Westbalkan nicht so etwas wie einen zweiten Stabilitätspakt Südosteuropa braucht.

Wir sollten außerdem fair mit allen Ländern des Westbalkans umgehen. Das heißt für mich: Wir sollten endlich denjenigen in der Europäischen Union auf die Füße treten, die wie zum Beispiel Spanien oder Zypern eine Visaliberalisierung aus plumpen egoistischen Gründen verhindern. Das führt nämlich dazu, dass viele, gerade junge Menschen im Kosovo das Gefühl haben, dass es ihnen vor der EU-Beitrittsperspektive im ehemaligen Jugoslawien zumindest hinsichtlich der Reisefreiheit besser ging als heute. Ich glaube, das kann nicht in unserem Interesse sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diejenigen in der Europäischen Union, die den Kosovo noch nicht als Staat anerkannt haben, müssen wir davon überzeugen, den Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens nicht zu blockieren. Mit diesen Schritten – Visaliberalisierung, Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen – wollen wir den Menschen im Kosovo signalisieren: Es geht weiter; es gibt eine politische und ökonomische Perspektive.

Das müssen wir tun, damit eines nicht passiert – nicht nur im Kosovo; wir erleben es leider an vielen Stellen in Europa –: dass Perspektivlosigkeit gerade bei jungen Menschen dazu führt, dass das Gift des Nationalismus – nicht nur im Kosovo – um sich greift. Ob wir es wollen oder nicht: Für diese Region und insbesondere für das Kosovo tragen wir die Verantwortung dafür, dass es vorwärtsgeht.

In diesem Sinne sollten wir das Mandat für KFOR verlängern, aber auch an die zivile Perspektive denken. Nur in Kooperation mit den Menschen und mit Empathie für die Menschen vor Ort wird es dort einen Fortschritt geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Inge Höger, Fraktion Die Linke, das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3488922
Wahlperiode 18
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz im Kosovo (KFOR)
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