05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 9

Markus KurthDIE GRÜNEN - Angleichung der Renten in Ostdeutschland

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Schimke, Sie haben zwar sehr wortreich gesprochen, aber zur tatsächlichen Problematik, zur Angleichung der Renten im Osten an die im Westen sowie zu Gleichstellung und Gleichbehandlung haben Sie fast nichts gesagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich habe noch eine Bitte – auch mit Blick auf die folgenden Redner –, bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme. Lassen Sie doch einmal die Platte von den 40 Jahren SED-Misswirtschaft im Schrank stehen! Das bringt doch nichts. Wirklich geistreicher macht es das nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist sinnvoll, dass diese Debatte aufgesetzt ist. Ich will gleich mit den Kernforderungen von Bündnis 90/ Die Grünen beginnen. Wir wollen die Anhebung des Rentenwertes Ost auf das Westniveau. Wir wollen die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze Ost auf das Westniveau. Wir wollen in der Vergangenheit erworbene Rentenansprüche unangetastet lassen. Wir wollen die Gleichstellung auf allen Ebenen. Das bedeutet auch – das sagen wir ganz offen – einen Verzicht auf die Höherwertung nach einer sofortigen Angleichung der Rentenpunkte Ost an das Westniveau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deshalb kann ich jetzt nicht klatschen!)

Weil wir wissen, dass die Abschaffung der Höherwertung kurzfristig eine leichte Absenkung des Niveaus bedeutet und dann möglicherweise zu Armutsproblematik führt – das kommt allerdings auch im Westen vor –, wollen wir eine Garantierente einführen und nach 30 Versicherungsjahren einen Mindestanspruch sicherstellen. Wir glauben, dass man auf diese Art und Weise zielgenauer als mit einer pauschalen, je nach Region gewichteten Höherwertung Armutsvermeidungspolitik betreiben kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist mit der Lebensstandardsicherung?)

Der einzige Punkt, in dem sich die Union gegenüber der letzten Legislaturperiode als lernfähig erwiesen hat, ist, dass die Formulierungen im Koalitionsvertrag vorsichtiger sind und die Ankündigungen nicht mehr ganz so vollmundig sind.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Allerdings!)

Kollege Birkwald hat schon die Aussagen der Kanzlerin aus dem Jahr 2009 zitiert. Ich möchte einen Satz aus dem Koalitionsvertrag vortragen:

– geprüft! –

– eine Teilangleichung! –

Das ist im Grunde nichts weiter als die verkappte Ankündigung, dass Sie überhaupt nichts gegen das Problem unternehmen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kennen wir schon!)

Ich möchte noch etwas zu der sogenannten Höherwertung sagen, die nach dem Vorschlag der Fraktion Die Linke – Sie wollen das in mehreren Stufen machen – beibehalten werden soll. Wir glauben: Wer im Osten 3 000 Euro verdient, der soll den gleichen Rentenanspruch erwerben wie jemand, der im Westen ebenfalls 3 000 Euro verdient.

Die Maßeinheit ist das Gehalt und nicht die Zahl frisierter Köpfe.

Man muss schon der Tatsache Rechnung tragen, dass sich in der Tariflandschaft in den letzten Jahren einiges verändert hat. Wirft man einen Blick in das Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung, stellt man fest, dass die Tarifniveauunterschiede laut WSI – es stimmt, dass nicht alles tariflich abgedeckt ist – im Jahr 2013 nur noch 3 Prozent betragen. In vielen Tarifverträgen ist mittlerweile die gleiche Bezahlung in Ost und West vereinbart. Wenn man sich die regionalen Unterschiede anschaut, dann stellt man fest, dass die Himmelsrichtung West/Ost nicht mehr so aufschlussreich ist. Es gibt auch im Westen Regionen mit einem sehr niedrigen Lohnniveau. Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Wenn man insbesondere das nördliche Ruhrgebiet mit Stuttgart oder dem Münchner Umland vergleicht, dann kommt man zu ganz erheblichen Lohnunterschieden, die die Lohnunterschiede zwischen Ost und West weitaus übersteigen.

Wir wollen daher zielgerichtet über Instrumente wie die Garantierente und Maßnahmen, die das Rentenniveau stabilisieren, die Rente armutsfest machen und uns dabei möglichst nahe an einer lebensstandardsichernden Rente orientieren. Es sollen aber keine Ausgleiche mehr nach Himmelsrichtung erfolgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das trifft auch auf den Solidarpakt zu. Selbst die ostdeutschen Länder haben inzwischen erkannt, dass sich die Situation fast 25 Jahre nach dem Mauerfall verändert hat. Strukturschwache Regionen gibt es in ganz Deutschland. Insofern muss sich eine öffentliche Intervention nach dem Bedarf und darf sich nicht nach der Himmelsrichtung richten. Wenn wir in den weiteren Beratungen in diesem Sinne zusammenkommen könnten, wäre das gut.

Ich halte fest: Wir brauchen möglichst schnell, am besten zum 1. Juli, zum nächsten jährlichen Rentenanpassungstermin, eine Gleichberechtigung und Gleichstellung von Rentnerinnen und Rentnern in Ost und West.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin erhält Daniela Kolbe, SPD- Fraktion, das Wort.

(Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu Wort)

– Der Kollege Birkwald hatte eine Kurzintervention angemeldet. Er hat aber vorhin selber gesprochen. Deswegen kann er zwar eine Frage stellen, aber eine Kurzintervention ist nicht möglich; denn die Idee der Kurzintervention besteht darin, dass ein Redner, dem spontan etwas einfällt, etwas sagen kann. Es soll nicht so sein, dass einer, der schon etwas gesagt hat, noch etwas sagen soll.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE], an den Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Hast du Glück gehabt! Ich wollte dich in Ruhe reden lassen!)

Bitte, Frau Kollegin.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3490769
Wahlperiode 18
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Angleichung der Renten in Ostdeutschland
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