05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 9

Daniela KolbeSPD - Angleichung der Renten in Ostdeutschland

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Jetzt habe ich wieder etwas über die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gelernt.

Man lernt hier laufend.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal danke an die Linke, dass wir über das Thema sprechen können. Jeder, der in den neuen Bundesländern Wahlkampf macht, weiß, dass es kaum ein Thema gibt, das so emotional diskutiert wird. Man spürt immer wieder, dass wegen der Tatsache, dass es zwei unterschiedliche Rentensysteme in Ost und West gibt, ein massives Ungerechtigkeitsempfinden nach wie vor vorhanden ist. Ich war 1989 neun Jahre alt. Es ist irgendwie schon verrückt, dass wir 25 Jahre nach der friedlichen Revolution immer noch zwei unterschiedliche Rentensysteme haben. Aber es lohnt durchaus ein Blick zurück.

Im Rentenüberleitungsgesetz nach der Wiedervereinigung sind Regelungen für die bestehenden und für die zukünftigen Renten in den damals wirklich noch neuen Bundesländern getroffen worden. Ich finde, diese Regelungen verdienen unser aller Hochachtung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn damals sind zwei völlig unterschiedliche Rechtssysteme zusammengeführt worden, auch mit dem impliziten Versprechen, dass die Unterschiede lediglich für eine Übergangszeit gelten sollten. Profitiert davon haben insbesondere die Rentnerinnen und Rentner in der ehemaligen DDR, die für ihre Rentenanwartschaften Renten bekommen haben und hoffentlich immer noch bekommen, die sie nach DDR-Rentenrecht nie und nimmer bekommen hätten. Ich weiß, einige wollen und können es nicht mehr hören, dennoch sollte man nicht unerwähnt lassen: Das Ganze war und ist immer noch eine riesige gesamtgesellschaftliche Leistung in Ost und West.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

So weit zur Vergangenheit. Die Rentenüberleitung war klug konzipiert. Mit der Lohnangleichung in Ost und West sollten sukzessive gleiche Anwartschaften in Ost und West erreicht werden. Irgendwann sollte dann der Durchschnittslohn gleich sein, damit auch der Rentenwert in Ost und West gleich. Dann brauchte man keine Höherwertung mehr und hätte sozusagen automatisch ein Rentensystem.

Leider sieht die Realität anders aus. Die Rentenwerte haben sich zwar in der Vergangenheit zunächst sehr schnell angeglichen, in den letzten Jahren hat sich aber das Tempo verlangsamt. Die Frage stellt sich natürlich, ob wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten wollen, bis sich diese Rentensysteme automatisch angleichen. Das könnte auch erst in einigen Jahrzehnten sein, wenn man sich die Lohnentwicklung anschaut, womöglich auch niemals. Wir, die SPD-Fraktion, sagen: Nein, natürlich nicht, auch wenn es anders schöner wäre und es morgen in Ostdeutschland die gleichen Löhne wie in Westdeutschland gäbe; den letzten Schritt dieser Rentenangleichung müssen wir politisch hier im Deutschen Bundestag beschließen.

(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann? Tun Sie es!)

Mit dem Passus zur Rentenangleichung haben wir mit unserem Koalitionspartner im Koalitionsvertrag auf Seite 53 eine vernünftige Formulierung gefunden. Die wird auch im Antrag der Linken zitiert. Es steht darin, dass es einen Fahrplan zur vollständigen Angleichung geben soll, gegebenenfalls mit einem Zwischenschritt. Das Ganze soll in einem Rentenüberleitungsabschlussgesetz noch in dieser Legislatur festgeschrieben werden. Das ist für uns eine der zentralen Forderungen für die 18. Legislaturperiode. Ich schaue an dieser Stelle zu der neuen Ministerin Andrea Nahles. Wir haben Sie jetzt als Ministerin kennengelernt, die das, was im Koalitionsvertrag beschlossen wurde, auch umsetzt. Insofern vergleichen Sie uns bitte nicht mit vorangegangenen Koalitionen, sondern messen Sie uns an unseren Taten.

(Beifall bei der SPD)

Nach dem Koalitionsvertrag muss spätestens zum 1. Juli 2016 geprüft werden, wie weit der Angleichungsprozess vorangekommen ist. Rein mathematisch gesehen, kann man ja relativ leicht sagen, wo dieser Prozess stehen müsste. Würde er automatisch ablaufen, müsste der durchschnittliche Rentenwert im Osten bei ungefähr 95 Prozent des durchschnittlichen Rentenwertes im Westen liegen. Wenn dieser Rentenwert im Osten darunterliegt und eine Anpassung nötig sein sollte, dann muss sie, wenn Sie mich fragen, möglichst schnell und möglichst auch noch in dieser Legislaturperiode erfolgen.

Der Passus im Koalitionsvertrag, erst 2016 zu prüfen, ist wichtig und auch richtig. Mit Blick auf die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, den wir heute Morgen diskutiert haben, bin ich mir hundertprozentig sicher, dass wir bis 2016 eine deutliche Anhebung der Löhne im Osten erleben werden; sie werden deutlicher als in Westdeutschland steigen. Ich hoffe auch, dass dieses kluge Gesetz zur Einführung flächendeckender Mindestlöhne zu einer höheren Tarifbindung in Ostdeutschland führen wird. Es ist vernünftig, abzuwarten, welche Impulse für die Lohnangleichung und dann auch für die Rentenangleichung notwendig sind. Denn wenn es ohne einen Anpassungsschritt gehen könnte, dann wäre das, ehrlich gesagt, deutlich eleganter. Insofern finde ich diesen Passus im Koalitionsvertrag wirklich klug.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir, die SPD-Fraktion, wollen mit dem Auslaufen des Solidarpaktes ein deutsches Rentensystem. Davon rücken wir auch nicht ab. Ich denke, es wird auch nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag kommen, wie es im Linken-Antrag steht.

(Widerspruch des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

– Auch Sie fordern die Rentenangleichung ja nicht für morgen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zunächst für den 1. Juli und dann bis Ende 2017!)

und dafür haben Sie auch gute Gründe.

Zur Ehrlichkeit gehört, festzustellen, dass mit dem Höherwertungsfaktor, den wir derzeit haben, die ostdeutschen Löhne nach oben gewertet werden. Wenn man dem Vorschlag der Grünen folgen würde und die Renten vieler Menschen schon morgen angeglichen würden, dann würden gerade die jetzt arbeitenden Menschen massive Einbußen hinnehmen müssen. Es ist ganz wichtig, dass wir uns auf die Lohnpolitik konzentrieren und uns 2016 anschauen, ob das Tarifpaket gewirkt hat. Dann können wir im Sinne des Koalitionsvertrags voranschreiten.

Ich sage aber auch: Dadurch, dass die Unterschiede eben nicht mehr allein zwischen Ost und West verlaufen, dass es durchaus Konflikte innerhalb des Ostens und des Westens gibt, dass es auch Unterschiede gibt zwischen Beitragszahlern Ost und Rentnern Ost, dass es unterschiedliche Interessen zwischen Beitragszahlern im Westen und Beitragszahlern im Osten gibt, tun wir gut daran, das Projekt „Angleichung der Rentensysteme“ nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern zu einem guten Abschluss zu bringen.

Stichwort „Abschluss“: Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3490772
Wahlperiode 18
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Angleichung der Renten in Ostdeutschland
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