Peter WeißCDU/CSU - Angleichung der Renten in Ostdeutschland
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Da in drei der ostdeutschen Bundesländer dieses Jahr noch Landtagswahlen stattfinden, muss die Linke natürlich einen Antrag zum Thema Rente im Deutschen Bundestag einbringen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das machen wir auch, wenn keine Landtagswahlen sind, Herr Kollege!)
Der Punkt ist nur: Die Linke erzählt den Menschen in den neuen Bundesländern nie die wirkliche Wahrheit zum Thema Rente.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr könnt das! Da bin ich einmal gespannt!)
Das Rentensystem ist zwischen Ost und West deswegen immer noch gespalten, weil es zwei Faktoren sind, nach denen die Rente im Osten berechnet wird. Weil der Lohnunterschied zwischen Ost und West leider immer noch relativ groß ist – Gott sei Dank nimmt er ab; aber er ist immer noch relativ groß –, wird der Rentenanspruch, den ein ostdeutscher Arbeitnehmer oder eine ostdeutsche Arbeitnehmerin bis heute erworben hat, morgen, wenn er oder sie den Rentenantrag stellt, um 18,7 Prozent erhöht. Das heißt, sie oder er hat ein besser gefülltes Rentenkonto als jemand Vergleichbares in Westdeutschland. Das ist die sogenannte Höherwertung. Das ist das Erste.
Das Zweite ist: Das, was auf diesem Rentenkonto liegt, wird mit einem Zahlbetrag multipliziert, dem sogenannten Rentenwert. In der Tat ist der Rentenwert West derzeit noch 8 Prozent höher als der Rentenwert Ost. Aber jeder, der ein bisschen etwas von Mathematik versteht, wird erkennen: Wenn man morgen auf einen Schlag, sofort, gleiches Rentenrecht in Ost und West einführt, also der gleiche Zahlbetrag gilt und es keine Höherwertung um 18,7 Prozent gibt, dann hat der Ostrentner oder die Ostrentnerin weniger, als ihm oder ihr nach dem derzeitigen Rentenrecht zusteht. Das ist der Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Um es klar und deutlich zu sagen: Wer einfach nur alles angleicht, der sorgt für ein Minus für die Rentnerinnen und Rentner im Osten. Das ist der Punkt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deswegen brauchen wir ja die Umrechnung!)
Die Grünen erklären hier mutig: Ja, das wollen wir.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist falsch!)
Die Linke verschweigt, was sie wirklich vorhat. Sie will nämlich nicht gleiches Rentenrecht in Ost und West – das beantragt sie auch nicht –, sondern sie will, dass Deutschland in Sachen Rente weiter in zwei Zonen aufgeteilt wird.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Unsinn! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig! Da sind Sie gar nicht so weit weg voneinander!)
Sie will Folgendes machen: Sie will die Höherwertung der Rentenansprüche, die man gesammelt hat, beibehalten, aber den höheren Zahlbetrag West darauf anwenden. Was hat das zur Folge? Dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin im Osten, der oder die die gleiche Arbeit hinter sich gebracht hat und das Gleiche verdient hat wie ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin im Westen,
(Zuruf von der LINKEN: Hat er ja nicht!)
eine höhere Rente bekommt als der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin im Westen. Man schafft also eine neue Ungerechtigkeit, nämlich für die Westrentner und Westrentnerinnen. Das ist die Politik der Linken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Weiß, der Herr Kollege Matthias W. Birkwald möchte jetzt gern eine Zwischenfrage stellen oder eine Zwischenbemerkung machen; beides ist möglich.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Weiß, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Zunächst möchte ich Ihnen sagen: Selbstverständlich haben wir nicht das vor, was Sie hier eben vorgetragen haben.
Doch!
Nein.
Guckt doch euren Antrag an!
Ich möchte Ihnen das jetzt gern noch einmal erklären.
Sie vergleichen immer diejenigen im Osten mit einem Gehalt von beispielsweise 2 000 Euro mit denjenigen im Westen, die ebenfalls 2 000 Euro verdienen. Das Problem ist, dass es solche Fälle nur selten gibt. Wir haben nur ein, zwei Branchen, vielleicht auch zwei oder drei mehr – aber es sind insgesamt wenige –, in denen der Lohn Ost und der Lohn West jeweils gleich sind.
Die Tarifbindung im Osten ist deutlich niedriger. Im Westen arbeiten 60 Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag, im Osten nur 48 Prozent. Deswegen ist es so, dass – das habe ich vorhin auch gesagt; ich halte die Tabelle gern noch einmal hoch – die Beschäftigten im Osten 79 Prozent der Einkommen im Westen haben. Das stagniert seit Jahren bei unter 80 Prozent; da tut sich nichts.
Das bedeutet, dass man auch in dem Bundesland mit dem höchsten Durchschnittslohn im Osten – das ist Brandenburg im Jahr 2013 mit 25 600 Euro brutto – immer noch deutlich unter dem Bundesland im Westen mit dem niedrigsten Durchschnittseinkommen – das ist Schleswig-Holstein mit 27 600 Euro – liegt. Solange es so ist, dass selbst in dem östlichen Bundesland, in dem am besten verdient wird, weniger verdient wird als in dem westlichen Bundesland mit dem niedrigsten Einkommen, so lange ist die Umrechnung, wie der korrekte Begriff heißt, notwendig.
Was würde sonst passieren? Ich will es an einem Beispiel zeigen. Nehmen wir jetzt nicht eine Friseurin, sondern eine Floristin. Eine Floristin hat in Teilzeit im Westen 1 000 Euro und im Osten 790 Euro im Monat. Die im Osten hat natürlich auch nur für 790 Euro Beiträge gezahlt. Wenn die beiden am selben Tag in Rente gehen, nachdem sie, die eine in Köln, die andere in Leipzig, 45 Jahre Blumen verkauft haben, kriegt die Rentnerin in Leipzig nach wie vor 7,8 Prozent weniger als ihre Kollegin im Westen. Das sind bei Durchschnittslöhnen, wenn man alles zusammen betrachtet, 100 Euro im Monat.
So herum muss man vergleichen. Man muss dieselben Jobs vergleichen. Außerdem ist im Osten die Arbeitszeit länger, und es gibt weniger Sonderzahlungen. Das heißt, insgesamt hat die Kollegin im Osten die deutlich schlechtere Ausgangsposition und die niedrigere Rente. Das könnte man mit dem Stufensystem deutlich ändern. Machen Sie es ab dem 1. Juli!
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Kollege Birkwald, erstens haben wir in der Tat in vielen Berufen nach wie vor einen deutlichen Lohnunterschied zwischen Ost und West.
(Dr. Carola Reimann [SPD]: Aber nicht nur da!)
Deswegen haben wir die Höherwertung von Rentenansprüchen um 18,7 Prozent. Deswegen wollen wir diese Höherwertung nicht auf einen Schlag abschaffen.
Zweitens. In der Tat haben wir auch sonst Lohnunterschiede. Die Rentenversicherung ist so gebaut, dass sie beitragsbezogen ist. Weil wir aber wissen, dass im Osten weniger verdient wird, gibt es diese Höherwertung.
Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel. Ich komme aus Baden-Württemberg, einem Bundesland, in dem durchschnittlich sehr gut verdient wird. Schleswig-Holstein dagegen hat ein Lohnniveau, das bei 75 Prozent des baden-württembergischen Niveaus liegt. Die Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein könnten mit gleichem Recht fragen: Warum ist angesichts solcher Lohnunterschiede 1 Euro Rentenbeitrag in Baden-Württemberg und in Schleswig-Holstein gleich viel wert? Diese Frage könnte zum Beispiel Frau Kollegin Hiller-Ohm aus Lübeck stellen.
Ja, wir wollen ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West. Aber wenn wir es auf einen Schlag einführen würden, hieße dies, die Höherwertung würde wegfallen, und damit hätten die Rentnerinnen und Rentner im Osten weniger, wenn sie morgen einen Rentenantrag stellen würden, als es nach heutigem Recht der Fall wäre. Das wollen wir von der Großen Koalition nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Herr Birkwald, wenn die Linken Gerechtigkeit tatsächlich ernst nehmen – das tun sie angeblich –, dann darf nicht das passieren, was gemäß Ihrem Antrag passieren würde, nämlich dass plötzlich die Beitragszahlung eines westdeutschen Arbeitnehmers oder einer westdeutschen Arbeitnehmerin weniger wert ist als die von jemandem aus Ostdeutschland. Es geht erst recht nicht, dass die Verhältnisse umgekehrt werden. Ihr Antrag bedeutet: Spaltung Deutschlands auf Dauer.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich bin Kölner!)
Damit habe ich dieses komplexe System einmal dargestellt. Natürlich ist es richtig, dass wir 24 Jahre nach der deutschen Einheit zu einem gemeinsamen System in der Rente kommen müssen,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha!)
aber doch bitte so, dass es nicht auf der einen oder anderen Seite Verliererinnen und Verlierer in großer Zahl gibt.
Das Rentensystem – Frau Kollegin Kolbe hat es ja erklärt – ist deshalb unterschiedlich angelegt worden, weil man gedacht hat, dass die Lohngleichheit in Ost und West relativ schnell zustande kommt. Bei Lohngleichheit müsste es keine Höherwertung geben, und der Rentenwert in Ost und West wäre der gleiche. Wir wissen heute, dass dies nicht automatisch geschieht.
Aber wir haben in der Ost-West-Angleichung eine neue Dynamik. Letztes Jahr gab es eine deutliche Anhebung des Rentenwerts Ost. Zum 1. Juli dieses Jahres wird dies erneut der Fall sein. Das Lohnniveau gleicht sich also schneller an, als wir gedacht haben.
Zum Schluss werden wir – Zielmarke ist das Jahr 2019, also das Auslaufen des Solidarpakts – hoffentlich ein gemeinsames Rentenrecht in Ost und West durch einen Gesetzgebungsakt des Deutschen Bundestages schaffen. Aber wir sollten dies bitte so tun, dass es weder im Osten noch im Westen Verlierer und Verliererinnen gibt und dass keine neuen Ungerechtigkeiten geschaffen werden, die dafür sorgen, dass sich plötzlich Rentner aus dem Westen bei uns über das Rentenrecht beschweren. Wir müssen wirklich ein gleiches Rentenrecht schaffen, was bedeutet, dass jeder in die Rentenversicherung eingezahlte Euro das gleiche wert ist – im Osten und im Westen. Das ist unser Ziel, das wir miteinander erreichen wollen.
Wenn die Linken im Osten diese Wahrheit im Wahlkampf erzählen würden, dann wüssten die Menschen, dass die Rentnerinnen und Rentner in Ost und West bei der Großen Koalition besser aufgehoben sind.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Waltraud Wolff, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3490807 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Angleichung der Renten in Ostdeutschland |