05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 10

Gabriele Lösekrug-Möller - Rente aus Beschäftigung in einem Ghetto

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Bei der gemeinsamen Sondersitzung von Bundestag und Bundesrat zum Gedenken an das Kriegsende hat der damalige Bundespräsident Horst Köhler am 8. Mai 2005 Folgendes gesagt:

Was wir heute beschließen werden, macht nichts gut von all dem Schrecken, den die Nationalsozialisten während der Jahre 1933 bis 1945 verbreitet haben, nichts von dem unermesslichen Leid, das sie Millionen von Menschen angetan haben.

Der vorliegende Gesetzentwurf, kurz Ghettorentengesetz, ist aber ein wichtiges Zeichen der Anerkennung,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

der Anerkennung der Arbeit, die Menschen in Ghettos, die im nationalsozialistischen Einflussbereich lagen, unter unwürdigen Bedingungen geleistet haben. Sie taten das – das Wort geht mir schwer über die Lippen – freiwillig, wobei der Begriff „freiwillig“ aufgrund der Realität im Ghetto einen bitteren Beigeschmack hat; denn die Menschen hegten die verzweifelte Hoffnung, der Deportation und dem Tod entgehen zu können, wenn sie eine Arbeit hatten. Das Leid, das sie erlitten haben, ist heute unvorstellbar. Diese Menschen – es leben immer noch Zehntausende von ihnen – wollen in der großen Mehrzahl statt einer einmaligen Entschädigungszahlung eine tatsächliche Sozialversicherungsrente für die Zeiten der Beschäftigung im Ghetto.

Dass es sich bei Ghettoarbeit nicht automatisch um Zwangsarbeit handelt, hat das Bundessozialgericht bereits im Jahr 1997 festgestellt. 2002 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass Renten aus Beschäftigungen im Ghetto auch tatsächlich ab dem 1. Juli 1997 gezahlt werden können. Allerdings war die Rechtsauslegung anfangs so strikt, dass viele Anträge zunächst abgelehnt wurden. Erst 2009 wurde diese Rechtsauslegung geändert. Jetzt wurden die Renten zwar bewilligt, aber aufgrund einer Ausschlussfrist nur für vier Jahre rückwirkend, also meist ab 2005 mit einem Zuschlag.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ändern wir das. Ab dem 1. Juli 2014 erhalten nun alle ehemaligen Ghettobeschäftigten ihre Renten rückwirkend ab 1997. Zudem werden alle Renten auf Antrag der Berechtigten von Juli 1997 an neu festgestellt und gezahlt. Jeder und jede entscheidet selbst, ob er oder sie eine Nachzahlung der Rente wünscht – ohne die bisherigen Zuschläge – oder ob er oder sie stattdessen die bisherige Rente mit Zuschlägen – jedoch ohne weitere Nachzahlung – behalten möchte.

Aufgrund ihres hohen Alters müssen die ehemaligen Ghettobeschäftigten nun schnell zu ihrem Recht kommen. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zum Ghettorentengesetz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend noch einmal betonen: Durch die Neuregelung bei den Ghettorenten können wir nichts wiedergutmachen, doch wir stehen zu unserer Verantwortung für die Opfer der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten. Wir setzen ein Zeichen gegen das Vergessen. Und wir sorgen dafür, dass die Arbeit im Ghetto anerkannt wird und die Betroffenen nun zügig und unbürokratisch die Rente erhalten, die ihnen zusteht.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Matthias W. Birkwald von der Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3490815
Wahlperiode 18
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Rente aus Beschäftigung in einem Ghetto
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