Michael ThewsSPD - Änderung der Verpackungsverordnung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich denke, wir sind uns über alle Fraktionen hinweg einig, dass der Missbrauch der Verpackungsverordnung, wie er in den letzten Monaten verstärkt stattgefunden hat, dringend mit dieser siebten Novelle gestoppt werden muss. Einige möchten zwar gleich das ganze Duale System abschaffen, aber wir halten es für sinnvoll, das bestehende System – zumindest als Übergangslösung auf dem Weg zu einem Wertstoffgesetz – zu stabilisieren.
Die Verpackungsverordnung regelt die Rücknahme und Verwertung von Verpackungsabfällen, und zwar basierend auf dem Prinzip der Produktverantwortung. Das Prinzip, dass Produzenten oder Vertreiber für die Sammlung und Verwertung ihrer Verpackungsprodukte verantwortlich sind und dass sie und nicht die Bürger für den Abtransport der gelben Tonne zahlen, ist seit Anfang der 90er-Jahre in Deutschland etabliert. Insbesondere die Produktverantwortung als Regelinstrument zur Erreichung der Ziele der Kreislaufwirtschaft – Abfallvermeidung und besseres Recycling – sollte ausgebaut werden.
Das Duale System hat seine Fehler und Schwächen und bietet, wie wir jetzt sehen, auch Missbrauchsmöglichkeiten. Aber die Grundidee halte ich nach wie vor für schützenswert und nicht für gescheitert.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es wurde aber in letzter Zeit Missbrauch betrieben, und zwar im Zusammenhang mit den sogenannten Eigenrücknahmen und den Branchenlösungen. Diese Instrumente wurden als Schlupflöcher genutzt, um Kosten zu sparen und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Das hat im Ergebnis zu einer erheblichen Finanzlücke und letztendlich zu einer Destabilisierung des Dualen Systems geführt.
Die gemeldeten Mengen, die im Rahmen der Eigenrücknahme oder der Branchenlösungen gesammelt worden sein sollen und damit im Ergebnis nicht der Lizenzpflicht unterlagen, stimmen nicht mit der Lebenswirklichkeit überein. Gemäß den gemeldeten Mengen müsste ein Großteil der Verpackungen im Rahmen der Eigenrücknahme vom Käufer in den Laden zurückgebracht bzw. gleich dagelassen worden sein. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, dass das nicht mit der Realität übereinstimmt. Diese sogenannte Eigenrücknahme als Ausnahme von der Lizenzpflicht hat sich nicht bewährt. Sie führte verstärkt zum Missbrauch des Systems. Deshalb wollen wir sie streichen. Das trifft bei fast allen Beteiligten auf Zustimmung; diesbezüglich gibt es einen breiten Konsens.
Zumindest einschränken wollen wir die Branchenlösung. Sie wurde mit der fünften Novelle der Verpackungsverordnung eingeführt. Es sollte für Branchen, bei denen die Verpackungen an der Übergabestelle direkt anfallen, die Möglichkeit geschaffen werden, diese selber ohne vorherige Lizensierung über das Duale System zu entsorgen oder entsorgen zu lassen. Laut Gesetzesbegründung hatte man damals zum Beispiel an die Entsorgung und Verwertung von Verbrauchsverpackungen von in Kfz-Werkstätten eingesetzten Kfz-Ersatzteilen gedacht oder eben an Behälter für Öl und Schmierstoffe in Kfz-Werkstätten, Tankstellen oder im Einzelhandel. Das sind durchaus sinnvolle Branchenlösungen. Oft sind es herstellerbasierte Lösungen mit eigenen Sammelsystemen, die auch in Zukunft möglich sein werden.
Seit der fünften Novelle sind die Verpackungsmengen, die als Teil einer Branchenlösung gemeldet wurden, allerdings massiv angestiegen. Von einigen Unternehmen, unter anderem in der Lebensmittelindustrie, wurden so unrealistische Mengen gemeldet, dass der Missbrauch offensichtlich wurde. Manchmal war es sogar so, dass die Anfallstelle, die als Teil einer Branchenlösung angegeben wurde, selbst gar nichts davon wusste und den Verpackungsmüll ganz normal über die gelbe Tonne oder den gelben Sack im Dualen System entsorgt hat.
Zusammenfassend kann man festhalten: Das bisherige System der Branchenlösung funktioniert nicht; es ist nicht transparent und auch nicht überprüfbar.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Regelung wird deshalb so geändert, dass die Branchenlösungen, die wir damals mit der fünften Novelle zulassen wollten, weiter möglich sind, der Missbrauch aber so weit wie möglich beseitigt wird und das System insgesamt transparenter und damit kontrollierbarer wird.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])
Das fordert sowohl von den Herstellern oder Vertreibern als auch von den Anfallstellen mehr Dokumentationsaufwand. So wird zum Beispiel die Möglichkeit, den Nachweis über die als Teil einer Branchenlösung gelieferten Produkte über allgemeine Marktgutachten zu führen – Gutachten, die man kaum überprüfen kann –, abgeschafft. Die Anfallstellen müssen die im Rahmen der Branchenlösung gelieferten Verpackungsmengen dokumentieren, beispielsweise anhand von Lieferbelegen. Das ist zumutbar, machbar und notwendig, um wieder faire Bedingungen zwischen den Herstellern und dem Dualen System herzustellen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Idee der Produktverantwortung nicht gescheitert ist. Sie ist schon deshalb nicht gescheitert, weil das Verpackungsrecycling effektiv zur Ressourcenschonung beigetragen hat und damit auch zur Energieeinsparung und zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Sie ist auch deshalb nicht gescheitert, weil die gelben Tonnen und Säcke von Bürgerinnen und Bürgern mit großem Engagement genutzt werden. Vor allem aber ist uns durch dieses System ein wichtiger Paradigmenwechsel in Deutschland geglückt, der erstens zu der Verantwortung der Hersteller und Vertreiber für die Entsorgung und Verwertung ihrer Verpackungen und die daraus entstehenden Abfälle geführt hat, zweitens zu einer qualitativ hochwertigen stofflichen Verwertung von Verpackungen und drittens zum Aufbau einer leistungsstarken Recyclingindustrie und einer vorbildlichen Recyclingtechnik.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Voraussetzungen müssen wir jetzt nutzen, um die Verpackungsverordnung zu einem Wertstoffgesetz weiterzuentwickeln. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wollen wir die rechtlichen Grundlagen zur Einführung einer gemeinsamen haushaltsnahen Wertstofferfassung nicht nur für Verpackungen, sondern auch für andere Wertstoffe schaffen. In vielen Kommunen stehen heute schon Wertstofftonnen, in denen nicht nur Verpackungen aus Plastik, Metall und Verbundstoffen gesammelt werden, sondern auch sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen wie alte Gießkannen, Kochtöpfe oder Plastikspielzeug. Diese Wertstofftonnen wollen wir bundesweit auf der Grundlage eines Wertstoffgesetzes einführen; denn für sinnvolles und effektives Recycling müssen Abfälle nach Stoffen und nicht nach ihrem Verwendungszweck getrennt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die praktizierte Trennung wurde vom Bürger weder akzeptiert noch verstanden. Deswegen sprechen wir ja vom intelligenten Fehlwurf.
In unserem Abfall gibt es noch jede Menge Potenzial. Urban Mining, also das Heben von Wertstoffen aus dem Abfall und das Zurückführen in den Wirtschaftskreislauf, muss unser Ziel sein. Wir können es uns nicht leisten, darauf zu verzichten. Diese Woche wurde Friedrich Schmidt-Bleek, der ehemalige Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, einer der Pioniere der Umweltbewegung, im Spiegel mit der Anmerkung zitiert, wenn die Politik den Klimawandel stoppen wolle, müsse sie an der Wurzel des Übels ansetzen, am Verbrauch natürlicher Ressourcen.
Hierzu können wir heute mit unserer Entscheidung auf dem eingeschlagenen Weg zu einem Wertstoffgesetz einen wichtigen Beitrag leisten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Kollege Thews, das Protokoll des Deutschen Bundestages verzeichnet zwar schon eine Rede des Abgeordneten Thews, aber diese wurde zu Protokoll gegeben. Deshalb sind wir heute Zeuge Ihrer ersten tatsächlich gehaltenen Rede im Bundestag geworden. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich Ihnen alles Gute.
(Beifall)
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Ralph Lenkert das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3490975 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Änderung der Verpackungsverordnung |