05.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 39 / Tagesordnungspunkt 14

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Anpassung von Gesetzen zum Finanzmarkt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden eine Reihe Fehler in bestehenden Regelungen korrigiert, und das ist auch richtig so. Bei der Begrenzung von Aufsichtsratsmandaten haben wir einvernehmlich eine gute Lösung gefunden. Wir werden uns allerdings trotzdem bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten; denn wir sehen Schwächen bei der Korrektur des Kapitalanlagegesetzbuches.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schade!)

Das betrifft zum einen die Energiegenossenschaften. Da bleibt immer noch eine gewisse Rechtsunsicherheit, die die dezentrale Energiewende erschwert. Zum anderen meinen wir, dass die Schwelle für die Ausnahmeregelung mit 100 Millionen Euro deutlich zu hoch bemessen ist und deswegen noch viele kritische Anlagemöglichkeiten bestehen, die Anleger in die Irre führen könnten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich haben Sie unseren Vorschlag abgelehnt, für Kleinstgenossenschaften Erleichterungen zu schaffen. Wir meinen: Dort, wo große Risiken bestehen, muss man hart durchgreifen, aber dort, wo es sich um kleine Institutionen handelt, die einen sehr begrenzten Bereich bewirtschaften, ist es auch richtig, bürokratische Lasten zu reduzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will aber heute einen anderen, etwas grundsätzlicheren Aspekt thematisieren. Die Bundeskanzlerin sagte neulich, 80 Prozent der Finanzmarktregulierung seien gemeistert. Doch diese Angabe basiert auf einer verfehlten Analyse. Als die jetzige Regulierungsagenda beim G-20-Gipfel 2009 in Pittsburgh skizziert wurde, geschah das unter Anleitung der Experten, die das Regulierungsregime prägten, das uns in diese Krise geführt hat. Der Glaube an die Möglichkeit, Risiko zu berechnen, blieb ungebrochen. So begann eine Bekämpfung von Symptomen, die noch heute die Regulierungsagenda dominiert. Der Fehler dieser Agenda von Pittsburgh war der Glaube, dass man die Komplexität an den Finanzmärkten mit immer komplexeren Regeln bekämpfen kann. Ich finde, es ist Zeit, zu erkennen, dass das nicht funktioniert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werden die vielen Gesetze, die wir in der vergangenen Legislaturperiode durch den Bundestag gebracht haben, eine neue Krise verhindern? Ich bin da sehr skeptisch. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise heute leider nicht geringer als vor fünf Jahren. Die Finanzmärkte sind größer als 2007; sie sind schneller und komplexer geworden. Nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind weltweit Anleihen im Volumen von gut 100 Billionen Dollar im Umlauf – das sind 43 Prozent mehr als beim Ausbruch der Finanzkrise 2008. Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, schrieb im vergangenen Jahr: „Derivatemärkte sind so groß und undurchsichtig wie zuvor.“ Die entscheidenden Reformen am Finanzmarkt stehen also noch aus. Von wegen „80 Prozent sind geschafft“! Die große Arbeit, die Finanzmärkte kleiner, langsamer und weniger komplex zu machen, haben wir noch vor uns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Finanzaufsichtsbehörden haben häufig keinen wirklichen Überblick darüber, was auf den Märkten geschieht. Wir Politiker können an vielen Stellen die Umsetzung der von uns beschlossenen Regelungen und ihre Wirkung in der Praxis nicht ausreichend nachvollziehen. Komplexe Regulierung und komplexe Finanzmärkte bedingen sich hier gegenseitig. Wir Grünen plädieren deshalb für eine neue Regulierungsagenda, die auf einfachere, aber harte Regelungen setzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine solche Regulierung ist möglich. Dazu gehört ganz zentral wesentlich mehr Eigenkapital, damit Verluste dort anfallen, wo der Gewinn landet, nämlich bei den Eigentümern der Finanzinstitute. Es geht um ein Steuersystem, mit dem die Privilegierung von Fremdkapital überwunden wird, ein solides Trennbankensystem, das zusammen mit der europäischen Bankenunion wirklich eine Abwicklung auch größerer Banken ermöglicht, ein Verbot des parasitären Hochfrequenzhandels und vor allem klare Haftungsregeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was jetzt ansteht, ist, eine neue Regulierungsagenda auf den Weg zu bringen, die die Finanzmärkte kleiner, langsamer und weniger komplex macht. Hierzu erwarten wir Initiativen der Bundesregierung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Philipp Murmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 18
Session 39
Agenda Item Anpassung von Gesetzen zum Finanzmarkt
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