Frank JungeSPD - Anpassung steuerrechtlicher Regelungen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Karawanskij, weil Sie es explizit angesprochen haben, möchte ich eine Bemerkung vorausschicken. Mich hat im Vorfeld dieser Debatte ziemlich beunruhigt, was zu diesem Thema in der Presse zu lesen war. Da war von „Diskriminierung beim Kindergeld“ die Rede. Da war – Sie sagten es – von „Bockigkeit“ die Rede. Es wurde so getan – das unterstreiche ich zweimal –, als seien wir auf dem Weg zur Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe nicht einen Millimeter vorangekommen. Das muss ich ganz klar von uns weisen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war sehr unehrlich!)
Das, womit wir uns hier beschäftigen, ist doch vom Grundsatz her genau das, worum es geht. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Ungleichbehandlung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe unter steuerlichen Gesichtspunkten beseitigt. Punkt!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da gibt es nichts weiter hinzuzufügen: Mit diesem einen Satz lässt sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung zusammenfassen. Wir alle kennen die Entscheidung – Sie haben darauf hingewiesen – des Verfassungsgerichts vom letzten Jahr, nach der der Ausschluss von eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Ehegattensplitting für verfassungswidrig erklärt wurde. Das haben wir konstatiert. Die daraufhin notwendige Anpassung im Einkommensteuergesetz, mit den Stimmen von allen Fraktionen dieses Hauses verabschiedet, wurde schon vorgenommen.
Letztendlich ist das ein guter Schritt gewesen. Heute haben wir allerdings die Gelegenheit, die letzten noch offenen Bereiche in diesem Segment glattzuziehen. Wenn man dann auf die großen Bereiche schaut, wie Bundeskindergeldgesetz, Eigenheimzulagengesetz, das Wohnungsbau-Prämiengesetz, das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz und die Abgabenordnung, dann kann man festhalten: Das sind die richtigen und notwendigen Schritte.
(Beifall bei der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Große Schritte!)
Es ist auch mehr als das. Es ist mit Blick auf unsere moderne und demokratische Gesellschaft, in der homosexuelle Lebenspartnerschaften und Regenbogenfamilien genauso zur Lebenswirklichkeit gehören wie die klassische Ehe, ein längst überfälliger Schritt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nach der gesetzlich verankerten Vereinfachung der Sukzessivadoption – Sie erinnern sich: vor genau 14 Tagen haben wir zu diesem Punkt Vereinfachungen beschlossen –
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Aber das war nicht freiwillig! Sie wurden doch dazu gezwungen!)
kann dieses Parlament heute ein weiteres wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur vollständigen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe markieren. Ich werbe daher dafür, diesem Gesetz zuzustimmen, und bitte Sie, dies am Ende auch zu tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ich beziehe mich kurz auf Ihre zwei Änderungsanträge, die Sie einbringen werden und die wir im Finanzausschuss sehr ausführlich besprochen haben.
Stichwort Kindergeld. Hier fordern Sie eine Ergänzung in der Anwendungsvorschrift des Bundeskindergeldgesetzes.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Danach soll Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz nachträglich und rückwirkend zum August 2001 auch für Lebenspartner gewährt werden, sofern die Kindergeldbescheide noch nicht rechtskräftig sind. Das ist völlig in Ordnung. Dagegen hat die SPD-Fraktion überhaupt nichts einzuwenden. Das ist gut so, das ist rechtmäßig, auch wir vertreten das. Wir haben nur etwas gegen den Weg. Sie wollen dafür das Kindergeldgesetz ändern. Wir sagen: Dazu reicht eine Änderung der Durchführungsanweisung nach dem Bundeskindergeldgesetz. Aus diesem Grund sind wir zwar inhaltlich für Ihren Antrag, aber weil wir den Weg ablehnen, lehnen wir letztendlich auch Ihren Antrag ab. Wir gehen davon aus und werden dafür auch Sorge tragen, dass diese Änderung über den von mir beschriebenen Weg umgesetzt wird.
(Beifall bei der SPD)
Stichwort Gemeinnützigkeit. In der Abgabenordnung sind mit Blick auf die steuerlich begünstigte gemeinnützige Tätigkeit bisher die Vereine und Körperschaften als förderungswürdig erachtet worden, die sich dem Schutz von Ehe und Familie verschrieben haben; auch Sie haben diesen Punkt aufgegriffen, Frau Karawanskij. Sie beantragen heute, die Förderung des Schutzes von Lebenspartnerschaften als begünstigten Zweck anzuerkennen und dort aufzunehmen. Dieser Ansicht können wir grundsätzlich folgen. Das sage ich ganz klar. Denn auch nach unserer sozialdemokratischen Ansicht versteht es sich in einer aufgeklärten toleranten Gesellschaft ganz von selbst, dass zu einer vollständigen Gleichstellung eben auch gehört, die Förderung homosexueller Lebenspartnerschaften als gemeinnützigen Zweck in der Abgabenordnung zu verankern. Leider lässt sich dieses Selbstverständnis anderen nicht verordnen, auch unserem Koalitionspartner nicht.
Vor diesem Hintergrund bedauere ich es sehr – auch das unterstreiche ich zweimal –, dass wir aus diesem Grund und mit Rücksicht auf unseren Koalitionsvertrag dem von Ihnen vorgelegten Antrag nicht zustimmen können. Wir tun das jedoch nicht, ohne eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Bundestages abzugeben, in der wir noch einmal ausführlich auf die Zusammenhänge hinweisen.
Ich bedaure die Ablehnung des Antrags aber auch deshalb sehr, weil ich weiß, dass es in den Reihen der CDU/CSU-Fraktion eine Reihe von Mitgliedern gibt, die ebenfalls ein solch weltoffenes und tolerantes Gesellschaftsbild haben wie wir.
(Beifall des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])
Ich glaube, dass wir auf dieser Basis auch zukünftig noch weiter kommen werden als dorthin, wo wir heute sind.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich an dieser Stelle noch hinzufügen: Damit klar wird, dass wir nicht vor einem Riesendilemma stehen, möchte ich unterstreichen, dass § 52 der Abgabenordnung Vereinen und Verbänden schon jetzt ganz klar die Möglichkeit bietet, sich den Belangen Homosexueller zu stellen und dafür auch den Status der Gemeinnützigkeit zu bekommen.
Wir reden also heute bei der Beratung Ihres Antrags über einen Punkt, der im praktischen Leben keine Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Darstellung in der Öffentlichkeit, hier würde ein Riesenfehler nicht beseitigt werden, als völlig falsch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mir ist absolut klar, dass wir im Prozess bis zur vollständigen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe noch einen weiten Weg vor uns haben. Gleichwohl nähern wir uns diesem Ziel Schritt für Schritt. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt einen solchen Schritt dar.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die homosexuelle Partnerschaft, sofern wir dem Gesetzentwurf heute zustimmen, unter steuerlichen Gesichtspunkten der Ehe gleich. Das halte ich für einen Fortschritt. Von diesem Punkt ausgehend wird die SPD-Fraktion weiterarbeiten, bis wir letztendlich das Ziel erreicht haben.
(Beifall bei der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3491270 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung steuerrechtlicher Regelungen |