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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Recht auf Asyl hat für uns einen hohen Stellenwert

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehabt!)

und verdeutlicht den Willen Deutschlands, seine historische und humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen zu erfüllen. Wir sollten klug und verantwortungsvoll mit dieser Verpflichtung umgehen. Eine verantwortungsvolle Asylpolitik muss auch darauf ausgerichtet sein, die große Aufnahmebereitschaft, die unsere Gesellschaft auszeichnet, für die Aufnahme von wirklich Schutzbedürftigen zu erhalten. Das gilt umso mehr, wenn wir uns die aktuelle Entwicklung der Flüchtlingszahlen anschauen.

Seit einigen Jahren steigen die Zuzugszahlen in Deutschland wieder stark an. Innerhalb der Europäischen Union weist unser Land heute mit großem Abstand die meisten Asylbewerber auf. Im Jahr 2013 haben über 120 000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt, in Italien waren es 28 000, in Frankreich 66 000, in Großbritannien 30 000 und in den Niederlanden 17 000. Vor diesem Hintergrund würde ich Sie, Frau Kollegin Roth, gerne bitten, dass Sie, wenn Sie die Politik der Bundesregierung kritisieren, nicht davon sprechen, es ginge hier um Reste des Asylrechts. Wir sind stolz darauf, das Land in Europa zu sein, das die meisten Asylbewerber aufnimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die Entwicklung setzt sich in diesem Jahr fort. Von Januar bis Mai 2014 betrug der Anstieg gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum erneut mehr als 60 Prozent. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, dann liegen wir am Ende dieses Jahres bei rund 200 000 Asylanträgen. Die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung ist auch angesichts dieser hohen Zahlen ungebrochen groß. Das sehen wir am Beispiel Syrien. Deutschlands Unterstützung für Syrien beläuft sich seit 2012 auf rund 520 Millionen Euro. Insgesamt sind 2011 nahezu 40 000 syrische Staatsbürger nach Deutschland eingereist, rechnet man die Zahlen aus den Aufnahmeprogrammen, die wir gemacht haben, und der Asylbewerber zusammen. Auch hier sind wir mit Abstand das Land, das außerhalb des Krisengebietes am meisten Flüchtlinge aus Syrien aufnimmt.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Was passiert im Krisengebiet?)

Seit drei Jahren werden bundesweit keine Menschen mehr nach Syrien abgeschoben. Auch dafür haben die Menschen in unserem Land großes Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dagegen gibt es ein wachsendes Unverständnis für die Armutsmigration aus Westbalkanstaaten im Asylverfahren. In der Tat, seit Aufhebung der Visumspflicht – nicht etwa wegen einer veränderten Lage in den entsprechenden Staaten – für Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ist in Deutschland ein sprunghafter Anstieg der Antragszahlen festzustellen.

Im Jahr 2009, also im letzten Jahr vor der Aufhebung der Visumspflicht, kamen etwa 1 000 Asylbewerber aus diesen Herkunftsstaaten. Im Jahr 2013 waren es bereits 32 000. Das war ein Viertel aller 2013 in Deutschland gestellten Asylanträge.

Serbien, meine Damen und Herren, ist im Jahr 2014 das zweitstärkste Herkunftsland aller Staaten, aus denen Asylbewerber kommen. Die Zahl der anerkannten Schutzbedürftigen unter den Angehörigen dieser Staaten liegt jedoch bei unter 1 Prozent.

Der vorliegende Gesetzentwurf, den ich hier heute einbringe, sieht deshalb vor, Mazedonien, Serbien sowie Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten nach dem Asylverfahrensgesetz einzustufen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverantwortlich!)

Für sichere Herkunftsstaaten wird kraft Gesetzes vermutet, dass aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse dort keine politische Verfolgung droht.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Roma?)

Dadurch sollen aussichtslose Asylanträge schneller bearbeitet und der Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden können.

Die gesetzliche Vermutung der Verfolgungsfreiheit ist jedoch widerlegbar. Jeder Asylbewerber hat auch danach weiterhin die Chance, darzulegen, dass er abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsland in seinem konkreten Fall mit Verfolgung rechnen muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat sich die Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten nicht leicht gemacht. Wir haben uns anhand der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse ein Gesamturteil über die Verhältnisse in diesen drei Staaten gebildet.

In der Begründung des Gesetzentwurfs werden die Erwägungen für jedes dieser drei Länder ausführlich dargelegt. Für alle drei Länder jedoch gilt: Nach der Berichterstattung des Auswärtigen Amtes, einschließlich der entsprechenden Asyllageberichte, sowie unter Berücksichtigung der Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen, vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen und auch internationaler Organisationen wie zum Beispiel des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen oder des Internationalen Roten Kreuzes, nach all diesen Bewertungen können Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina wirklich als sichere Herkunftsstaaten angesehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was sagt der UNHCR?)

Serbien, mit dem die EU den Status eines EU-Beitrittskandidaten verabredet hat, bittet selbst um die Aufnahme in die Liste als sicheres Herkunftsland.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!)

Wir teilen die Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsländer mit vielen unserer europäischen Nachbarn. Frau Roth, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Österreich, die Schweiz und Großbritannien stufen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina bereits heute als sichere Herkunftsstaaten ein. Das ist ja nun keine Liste von Schurkenstaaten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Alle diese Staaten stimmen demnach ganz grundsätzlich überein mit der in unserem Gesetzentwurf vorgenommenen Einschätzung der Lage in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina.

Auch wenn wir diese Staaten als sichere Herkunftsländer im Sinne des Asylrechts einstufen, so verschließen wir nicht die Augen vor den bestehenden Defiziten, die es gerade im Hinblick auf den Umgang mit Minderheiten auch in diesen Ländern gibt.

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Sehr wahr!)

Die Bundesregierung setzt sich deshalb kontinuierlich und intensiv dafür ein, die Lebenssituation der Menschen vor Ort zu verbessern. Im Rahmen der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit werden die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und die verbesserte Ausbildung insbesondere junger Menschen gefördert. Auf regionaler Ebene werden Regierungen und zivilgesellschaftliche Organisationen im Westbalkan dabei unterstützt, die soziale Situation benachteiligter Gesellschaftsgruppen zu verbessern. Die Integration der Minderheiten wird im Rahmen der Regierungsgespräche regelmäßig thematisiert. Das gilt umso mehr für die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union mit Serbien, die im Januar dieses Jahres begonnen haben. Es ist von einem Staat, der Mitglied der Europäischen Union werden will, nicht zu viel verlangt, dass er seine eigenen Minderheiten vernünftig behandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass es auch Debatten gibt, zwei andere Staaten, darunter Albanien, in die Liste sicherer Herkunftsstaaten aufzunehmen; darüber wird in aller Ruhe zu sprechen sein. Dort ist die Lage teilweise vergleichbar, teilweise nicht ganz vergleichbar. Wir sollten das im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Ruhe miteinander besprechen.

Der heute von mir vorgelegte Gesetzentwurf enthält zudem eine Regelung, mit der wir die Situation der Asylbewerber in unserem Land künftig spürbar verbessern möchten. Die Wartefrist, nach der Asylbewerbern und Ausländern, die eine Duldung besitzen, die Ausübung einer Beschäftigung grundsätzlich erlaubt werden kann, möchten wir auf drei Monate verkürzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Durch die Verkürzung dieser Wartefrist sollen die Menschen früher die Möglichkeit erhalten, durch Aufnahme einer Beschäftigung ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und zwar selbst. Auch da gibt es so etwas wie eine Vorrangprüfung. Aber man kann nicht einerseits sagen, die Asylbewerber sollen dem deutschen Steuer- und Beitragszahler nicht auf der Tasche liegen, aber andererseits, wenn es die Arbeitsmarktlage erlaubt und wenn die Betroffenen arbeiten können und wollen, sagen: Ihr dürft nicht arbeiten. – Deswegen ist es richtig, diese Frist zu verkürzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich will die Situation in der Vergangenheit jetzt aber nicht kritisieren; diese Regelungen haben wir ja schließlich auch beschlossen. Eingeführt wurde diese Frist allerdings vor dem Hintergrund einer ganz anderen Arbeitslosenzahl; auch das darf man nicht vergessen. Die Lage in Deutschland ist da unterschiedlich. In Gegenden mit einer sehr niedrigen Arbeitslosenzahl war der Druck, diese Frist zu verkürzen, höher als in anderen Gegenden. Wie auch immer, es ist jedenfalls richtig, dass wir jetzt so vorgehen. Es ist auch richtig, die Dreimonatsfrist in den Blick zu nehmen. Denn nach dem Asylrecht befinden sich die Asylbewerber in aller Regel drei Monate in Erstaufnahmelagern.

(Rüdiger Veit [SPD]: Höchstens!)

Wir wollen durch verschiedene Bemühungen erreichen, dass die Asylverfahren im Durchschnitt nach drei Monaten abgeschlossen sind, sodass nach diesen drei Monaten im Grunde klar ist, wer bleibt und wer nicht bleibt. Warum sollen diejenigen, die bleiben dürfen, nachdem das Verfahren abgeschlossen ist, nicht arbeiten dürfen, Beiträge und Steuern zahlen und sich hier integrieren? Das haben wir jetzt vor.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um ein konstruktives und verantwortungsvolles Mitwirken an diesemGesetzgebungsverfahren, das, wie wir alle wissen, mit der Entscheidung im Deutschen Bundestag noch keinen Abschluss gefunden hat; das müssen wir alle miteinander bedenken. Ich bitte Sie, in der Tonlage der Debatte einerseits dem Anspruch und der humanitären Verpflichtung, die wir mit dem Asylrecht in Deutschland gerne übernommen haben, und andererseits mit dem, was viele Menschen im Hinblick auf Asylbewerber aus bestimmten Ländern bewegt, behutsam und so umzugehen, dass wir zusammenbleiben und uns nicht von manchen, die genau darauf spekulieren, auseinanderdividieren lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3492156
Wahlperiode 18
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Asylrecht
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