06.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt 26

Sevim DağdelenDIE LINKE - Asylrecht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Strobl, Sie sagten, man muss das Asylrecht verbessern. Wenn diese Aussage von Ihrer Fraktion kommt, dann ist das ein ernsthafter Grund zu besonderer Besorgnis in diesem Haus, vor allem, wenn man sich anschaut, was mit dem Asylrecht in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit Ihrer Hilfe geschehen ist.

Der Minister und Sie haben Syrien erwähnt. Deswegen erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung zum Thema Syrien. Vor einer Woche war ich mit dem Außenminister Steinmeier im Libanon und habe ein syrisches Flüchtlingslager des UNHCR besucht. Der Libanon hat bei einer Bevölkerungszahl von 4 Millionen über 1 Million syrische Flüchtlinge aufgenommen: Ein Viertel der gesamten Bevölkerung besteht aus syrischen Flüchtlingen. Angesichts dessen finde ich es wirklich beschämend, dass die Aufnahme weniger Tausend syrischer Flüchtlinge in Deutschland meistens zu einer Belastung erklärt wird.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie vorhin nicht zugehört? – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ich habe gerade gesagt: Wir wollen doch syrische Flüchtlinge aufnehmen!)

Ich finde, hier muss ein Schritt in die Richtung erfolgen, dass Deutschland deutlich mehr syrische Flüchtlinge aufnimmt, weil die Anrainerstaaten hoffnungslos überlastet sind.

(Beifall bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sie müssen doch auch ein bisschen zuhören! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er hat doch das Gegenteil gesagt!)

Dass Roma und andere Minderheiten in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina massiv rassistisch diskriminiert werden, ihnen der Zugang zu Arbeit, zu medizinischer Versorgung, zu regulären Wohnungen und oft auch zu sauberem Trinkwasser verwehrt wird, haben wir schon von meiner Kollegin Jelpke, aber auch von meiner Kollegin von den Grünen gehört.

Ich möchte mich dem kleinen Feigenblatt des Gesetzes widmen, den vermeintlichen Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang, wie es die Bundesregierung nennt. Wir sind der Auffassung: Auch hier haben wir es mit einer Mogelpackung der Großen Koalition zu tun. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man sich die Maßnahmen anschaut bezüglich des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer. Völlig zutreffend heißt es in der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfes, dass Asylsuchende und Geduldete durch den Zugang zum Arbeitsmarkt die Möglichkeit erhalten sollen, durch Aufnahme einer Beschäftigung ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, anstatt auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen zu sein. Diese Position vertritt die Linksfraktion seit Jahren. Aber nach den hehren Worten in der Gesetzesbegründung vermissen wir die Taten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Arbeitsverbote werden nämlich nicht abgeschafft. In der Praxis bleibt es bei dem faktischen Arbeitsverbot. Es wurde oft von der Vorrangprüfung gesprochen. Diese möchte ich für die Zuschauer erklären. Bei der Vorrangprüfung – sie soll für die ersten vier Jahre bestehen bleiben – wird aufwendig geprüft, ob deutsche oder sogenannte bevorrechtigte Arbeitslose den Job übernehmen könnten, auf den sich ein Asylsuchender oder ein Geduldeter bewirbt, ungefähr nach dem Motto: Arbeit zuerst für Deutsche. Das lehnen wir als Linke ganz konsequent ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Da ist die Frage, lieber Rüdiger, ob das gesetzliche Arbeitsverbot drei, neun oder zwölf Monate beträgt, fast schon zweitrangig. Faktisch kommt diese Vorrangprüfung insbesondere in Regionen mit schlechter Arbeitsmarktlage zum Tragen; das sind ja die meisten. Das kommt einem Arbeitsverbot gleich. Wenn diese Menschen auf staatliche Hilfen angewiesen sind, obwohl sie arbeiten wollen, ist es immer wieder auch die Politik, die ihnen unter Benutzung der legalen Basis des Arbeitsverbotes vorwirft, dass sie nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland gekommen seien. Diese legale Basis wird sehr oft – ich habe das in meiner Heimatstadt Duisburg erlebt, besonders bei den Kommunalwahlen – für rechtspopulistische Kampagnen gegen Asylsuchende, gegen Geduldete und gegen Flüchtlinge benutzt. Diesen Kampagnen muss der Boden entzogen werden, und zwar, indem wir die gleichen sozialen Rechte allen Menschen geben, die in Deutschland leben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie schon gesagt, führt die Koalition in der Begründung an, dass die Asylsuchenden und Geduldeten durch den Zugang zum Arbeitsmarkt die Möglichkeit erhalten sollen, zu arbeiten, anstatt auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen zu sein. Da stellt sich mir die Frage: Wie kann es sein, dass Sie jetzt vor der Sommerpause wirklich alle Gesetzesvorhaben, auch in Bezug auf das Staatsangehörigkeitsrecht, durch den Bundestag jagen, aber nichts in Richtung Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils in Sachen Asylbewerberleistungsgesetz unternehmen?

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist ein Skandal!)

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil den Bundestag aufgefordert, dieses verfassungswidrige Gesetz unverzüglich zu ändern. Das ist im Juli 2014 ganze zwei Jahre her. Ich frage mich: Wo ist denn da eigentlich der Eifer der Bundesregierung?

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ich finde, man kann Deutschland schlecht als Hort des Humanismus darstellen, Herr Minister, wenn man gleichzeitig die Menschenrechte mit Füßen tritt. Die Sondergesetzgebung – Asylbewerberleistungsgesetz, Sachleistungen, Residenzpflicht, menschenunwürdige Lagerunterbringung – muss abgeschafft werden. Wir möchten das Grundgesetz mit Leben füllen. Die Würde des Menschen, nicht die Würde des deutschen Menschen, ist laut unserem Grundgesetz unantastbar. Ich fordere Sie auf, der sich aus unserer Verfassung ergebenden Verpflichtung nachzukommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Uli Grötsch, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3492265
Wahlperiode 18
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Asylrecht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta