Uli GrötschSPD - Asylrecht
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Beginn dieser Wahlperiode sind die Schicksale von Flüchtlingen aus Syrien und die Situation der Asylbewerber in Deutschland auf jeder Tagesordnung des Innenausschusses, und das zu Recht. Das Schicksal von Flüchtlingen beschäftigt uns aber nicht nur im Bundestag, sondern betrifft uns alle auch ganz konkret zu Hause in den Wahlkreisen, etwa wenn es um geeignete Unterkünfte für diese hilfesuchenden Menschen geht. Wir sehen es nicht als Belastung, sondern als Herausforderung für die Kommunen in unserem Land, geeignete Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Frau Kollegin Dagdelen. Seien wir ehrlich: Es werden vor allem die Abgeordneten aus den Volksparteien sein, die gemeinsam mit ihren Bürgermeistern und ihren Landräten in den Wahlkreisen im ganzen Land dafür werben und nach geeigneten Unterkünften suchen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wie schwer es oftmals für die Behörden ist, in den Kommunen noch zusätzliche Unterkünfte für Asylbewerber und Flüchtlinge zu finden, erfahren wir in vielen Städten und Gemeinden unseres Landes leider viel zu oft.
Ein Blick auf die von Jahr zu Jahr steigende Zahl von Asylanträgen zeigt, dass Deutschland ein attraktives Zielland ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mehr als alle Hände voll zu tun, um die Anträge und Verfahren sorgfältig zu prüfen, und an dieser sorgfältigen Prüfung habe ich keinerlei Zweifel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bislang sind bereits in diesem Jahr knapp 26 000 Erst- und Folgeanträge beim Bundesamt eingegangen. Damit stieg die Zahl der Erstanträge – es wurde heute schon öfter erwähnt; es ist aber so wichtig, sodass ich es noch einmal sagen möchte – um 70 Prozent und die Zahl der Folgeanträge um fast 100 Prozent. Die Tendenz der eingehenden Anträge ist nach wie vor steigend. Immer mehr Menschen fliehen vor Verfolgung, Folter und Vertreibung aus ihrer Heimat und suchen bei uns in Deutschland Zuflucht.
Ich begrüße es sehr, dass Deutschland neben Schweden das Land in der EU ist, das die meisten syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen hat.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Damit sind wir top in der EU.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)
Aber wir wollen noch besser werden. Das hat auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erst vor wenigen Tagen sehr eindrucksvoll bestätigt, und zwar – das haben wir alle gemerkt – aus seiner vollsten und tiefsten Überzeugung. Wir spüren seitens der SPD-Bundestagsfraktion sehr deutlich, dass das Schicksal der syrischen Bevölkerung, dass das Schicksal der Flüchtlinge aus Syrien bei Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in den besten Händen ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist aber auch so, dass viele Menschen ihre Heimat aus anderen Motiven als die syrischen Flüchtlinge verlassen und nach Deutschland kommen, um Asyl zu beantragen. Diesen Menschen droht in ihrer Heimat keine systematische politische Verfolgung oder gar Folter.
Bei der Prüfung zur Einstufung als sicheres Herkunftsland hat sich die Bundesregierung an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und auch an den europäischen Vorgaben orientiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sogenannte sichere Herkunftsstaaten gemäß § 29 a des Asylverfahrensgesetzes einzustufen sind. Das heißt, dass zukünftig der Asylsuchende glaubhaft darlegen muss, dass er in seinem eigentlich sicheren Heimatland politisch verfolgt wird.
Wir meinen, das ist nachvollziehbar; denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat 2013 insgesamt fast 22 000 Entscheidungen über Asylerst- und -folgeanträge von bosnischen, serbischen und mazedonischen Staatsangehörigen getroffen. Nur drei Menschen aus einem dieser Staaten wurde Asyl zugesprochen, vier Menschen wurde Flüchtlingsschutz gewährt, und bei 53 Personen wurde ein Verbot der Abschiebung erteilt. 90 Prozent der vor Gericht verhandelten und abgelehnten Asylanträge von Menschen aus den drei erwähnten Staaten wurden als unbegründet abgelehnt. Mit anderen Worten: Nur im Einzelfall haben die Antragsteller aus den drei Westbalkanstaaten Asyl zugesprochen bekommen.
Gegen eine Äußerung aus Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, verwehre ich mich ganz entschieden und ausdrücklich: Die hohen Ablehnungsquoten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge seien „ein Indiz für unzureichende Prüfungen und pauschale Ablehnungen aufgrund politischer Vorgaben“. Das ist eine Unterstellung und wird dem Engagement der betroffenen Behörden nicht gerecht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Laut aktueller Asylgeschäftsstatistik hat das BAMF bislang in diesem Jahr mehr als 26 000 Entscheidungen getroffen. Das ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eine Zunahme um mehr als 130 Prozent – und das bei auch dort leider knappen personellen Ressourcen. Wer schon einmal eine solche Behörde besucht hat, weiß, was dort geleistet wird. Von dieser Stelle aus möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Namen der SPD-Bundestagsfraktion meine ausdrückliche Anerkennung aussprechen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die genannten Zahlen belegen eines: Unbegründete Asylanträge binden ohnehin erschöpfte Kapazitäten bei Bund, Ländern und Kommunen und verhindern auch eine noch zeitnähere Bearbeitung von Anträgen tatsächlich schutzbedürftiger Asylsuchender beispielsweise aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Selbstverständlich muss nach wie vor jeder Asylantrag gewissenhaft geprüft werden, egal aus welchem Land die Flüchtlinge stammen.
(Beifall bei der SPD)
Aber es ist angesichts der erwähnten Zahlen, so meine ich, keine Zumutung für die Asylsuchenden aus den betroffenen Staaten, die Menschenrechtsverletzungen einzeln darzulegen, aufgrund derer sie um Asyl ersuchen. Ja, das ist eine Beweislastumkehr. Sie sollte deshalb in einem fairen und geordneten Verfahren stattfinden.
Ich möchte auch ganz klar sagen: Wir leugnen nicht, dass insbesondere Sinti und Roma Anfeindungen und Diskriminierungen in ihren Heimatländern ausgesetzt sind. Wir wissen natürlich, dass gerade diese Bevölkerungsgruppe in ihren Heimatländern oftmals von sozialer Ausgrenzung und rassistischer Diskriminierung betroffen ist. Nicht nur für diese Menschen, sondern generell auch für andere Menschen, die aufgrund von Perspektivlosigkeit ihre Heimatländer verlassen, gilt es, die Bedingungen vor Ort in ihren Heimatländern in den Blick zu nehmen. Die Verbesserung der gesellschaftlichen Realitäten kann die deutsche Asylpolitik nicht leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist eine europäische Aufgabe. Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierung im Europäischen Rat entsprechend darauf hinwirken wird, dass die Regierungen von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ihre Bemühungen entsprechend intensivieren werden. Es steht übrigens auch im Koalitionsvertrag, dass wir uns gegenüber den Regierungen dieser drei Staaten und gegenüber der EU-Kommission dafür einsetzen wollen, rasche und nachhaltige Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation vor Ort zu ergreifen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Herr Kollege, wenn Sie einen Blick auf die Zeit werfen, werden Sie feststellen, dass sie abgelaufen ist.
Ich komme zum Schluss. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns unserer Verantwortung ganz sicher bewusst. Deutschland kann mehr machen, und Deutschland wird auch mehr machen. Wir sind aber der Meinung, dass wir uns angesichts von Bürgerkriegen und massenhaften Vertreibungen in verschiedenen Brandherden der Welt schnell und effizient um die akut Schutzbedürftigen kümmern müssen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächster Rednerin in der Debatte erteile ich der Abgeordneten Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3492267 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Asylrecht |