Stephan MayerCDU/CSU - Asylrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Deutschland verfügt über ein humanes, weltoffenes und tolerantes Asylrecht.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glauben Sie das eigentlich selber?)
Ich glaube, gerade in einem Gedenkjahr wie diesem ist es wichtig, dass wir uns ständig unserer historischen Verantwortung bewusst werden, dass gerade Deutschland jederzeit für jeden offen sein muss, der verfolgt wird, aus welchen Gründen auch immer, und an Leib und Leben bedroht ist. Es ist unsere historische Aufgabe, dass wir jederzeit dem Schutz gewähren, der aufgrund seiner Religion, aufgrund seiner Ethnie, aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder aus politischen Motiven verfolgt wird. Ich glaube aber, dass wir mit Fug und Recht behaupten können: Wir Deutsche haben ein derartiges humanes und weltoffenes Asylrecht.
Kein Land in Europa nimmt so viele Asylbewerber auf wie Deutschland. Deswegen stimmt es einfach nicht, Frau Kollegin Roth, dass wir mit diesem Gesetzentwurf unser Asylrecht malträtieren oder entleeren. Es stimmt auch nicht, Frau Kollegin Amtsberg, dass wir mit diesem sinnvollen Gesetzentwurf unserem Asylrecht den Todesstoß versetzen. Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland ist offen für alle, die schutzbedürftig sind. Im letzten Jahr haben wir insgesamt 127 000 Asylbewerber aufgenommen. Die Zahlen entwickeln sich weiter rasant nach oben. Allein im ersten Quartal dieses Jahres hatten wir 50 000 Erst- und Folgeanträge. Wenn sich die Entwicklung der ersten drei Monate fortschreibt, dann werden am Ende dieses Jahres in Deutschland über 200 000 Asylanträge gestellt worden sein.
Ich glaube, dass es deshalb richtig ist, dass wir uns Gedanken darüber machen, wo wir die Prioritäten setzen. Da unter den sechs Ländern, aus denen die meisten Asylbewerber nach Deutschland kommen, vier Länder des westlichen Balkans sind, sollten wir das intensiver betrachten. Im letzten Jahr gehörten Bosnien-Herzegowina, Serbien, Mazedonien und Albanien zu diesen ersten sechs Ländern. Auch in den ersten vier Monaten dieses Jahres war das der Fall. Allein aus den drei Ländern Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres insgesamt 13 000 Asylanträge gestellt. Im Vergleich dazu waren es in den ersten drei Monaten des letzten Jahres 5 000 Asylanträge. Die Anerkennungsquote liegt bei allen drei Ländern bei 0,0 Prozent. Die Schutzquote liegt, wenn man die Flüchtlinge und die subsidiär Schutzberechtigten hinzuzählt, bei maximal 0,4 Prozent. Bezogen auf Mazedonien, das Land mit der – in Anführungszeichen – höchsten Schutzquote, liegt sie bei gerade einmal 0,4 Prozent.
Ich möchte eines klar herausstreichen: Auch mit diesem Gesetzentwurf bleibt es bei unserem individuellen Recht auf Asyl. Es gibt eine widerlegbare Vermutung, dass Personen aus den drei genannten Ländern, aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, politisch nicht verfolgt werden. Aber natürlich gibt es für jedermann die Möglichkeit, im Einzelfall nachzuweisen, dass dies doch der Fall ist.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist es!)
Es ist nur so: Das Verfahren wird insgesamt unkomplizierter, die Klagefrist wird auf eine Woche verkürzt, und eine Klage hat zunächst einmal zwar keine aufschiebende Wirkung, aber die aufschiebende Wirkung kann natürlich sofort angeordnet werden.
Mit diesem Gesetzentwurf leisten wir einen aus meiner Sicht wichtigen Beitrag dazu, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und seine Mitarbeiter zu entlasten. In der vergangenen Nacht hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages richtigerweise den Beschluss gefasst, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 300 zusätzliche Stellen bekommt.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut!)
Das ist ein wichtiger Schritt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch erwähnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 900 zusätzliche Stellen als sachgerecht angemeldet hat und dass derzeit auch 40 Beamte der Bundespolizei ihren Dienst beim BAMF leisten. Um es klar zu sagen: Diese wären an anderer Stelle mindestens genauso notwendig.
(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ja!)
Aber aus durchaus verständlichen Gründen sind diese Mitarbeiter derzeit zum BAMF abgeordnet worden; sie sollen dort die Arbeitsbelastung etwas reduzieren. Wenn durch die Deklaration von drei Ländern des westlichen Balkans als sichere Herkunftsländer erreicht wird, dass die Verfahrensdauer bzw. die Dauer der Einzelprüfung verkürzt wird, dann wird dies auch zusätzliche Ressourcen im BAMF schaffen. Diese Ressourcen sind dringend erforderlich angesichts der weiterhin rasant wachsenden Asylbewerberzahlen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich empfinde es als unanständig von der Fraktion Die Linke, wenn uns in dem Antrag unterstellt wird, dass die Mitarbeiter des BAMF erst einmal dazu angehalten werden müssen, sorgfältig, gewissenhaft und gründlich zu prüfen.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Dafür haben wir Belege, Herr Mayer!)
Das ist kein Affront gegenüber der Bundesregierung und uns – das würde man im politischen Geschäft vielleicht noch verstehen –, sondern gegenüber den Mitarbeitern des BAMF. Es ist, sehr verehrte Kollegin Jelpke, wirklich nicht fair, dass Sie den Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die wirklich keinen einfachen Job machen und unter einer enorm hohen Arbeitsbelastung leiden, unterstellen, sie würden die Anträge nicht gewissenhaft und gründlich prüfen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich möchte auch noch einmal auf Folgendes hinweisen: Es gibt ein gemeinsames Ziel. Ich hoffe, dass das Ziel, die Dauer der Asylverfahren zu reduzieren, von allen hier im Haus geteilt wird. Derzeit beträgt die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren neun Monate. Es gibt die klare Aussage im Koalitionsvertrag, dass wir die Dauer der Asylverfahren auf drei Monate reduzieren wollen. Wenn wir nur annähernd an dieses Ziel herankommen wollen, dann ist es erforderlich, diese Länder, insbesondere die, bei denen die Schutz- und Anerkennungsquoten gegen 0,0 Prozent tendieren oder wirklich 0,0 Prozent betragen, als sichere Herkunftsländer zu deklarieren.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns aber auch die Mühe machen, in dem anstehenden Gesetzgebungsverfahren intensiv zu prüfen, noch zwei weitere Länder des westlichen Balkans, Albanien und Montenegro, als sichere Herkunftsstaaten zu deklarieren. Auch ich bin da für eine vorurteilsfreie und offene Prüfung. Wenn man sich aber zum Beispiel im Falle Albaniens ansieht, dass im letzten Jahr insgesamt 1 247 Erstanträge gestellt wurden und allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 3 204, also fast dreimal so viel wie im gesamten letzten Jahr, dann sollte dies, glaube ich, schon Anlass sein, intensiv zu prüfen, ob nicht auch Albanien ein sicheres Herkunftsland ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau andersherum!)
Zur Erklärung: Wie kommt es gerade im Fall Albaniens zu diesem rasanten Anstieg? Frankreich hat genau das getan, was wir jetzt bezüglich der drei anderen Länder vorhaben.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Frankreich hat im Dezember des vergangenen Jahres Albanien als sicheres Herkunftsland deklariert.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es doch aber nicht richtig!)
Das führt jetzt zu den genannten Umlenkungseffekten, was die Ströme der Asylbewerber anbelangt. Ähnlich ist es bei Montenegro. Da waren es im vergangenen Jahr insgesamt 258 Erstanträge und allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres schon 351.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir in unserer Bevölkerung – aus meiner Sicht; das ist zumindest meine Wahrnehmung – eine außerordentlich hohe Empathie, Sympathie und auch ein großes Verständnis für die Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen haben. Die Situation der Kommunen ist alles andere als einfach. Ich möchte noch einmal sagen, Frau Kollegin Roth: Es gibt mittlerweile auch einige Bürgermeister, die der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angehören. Die ächzen genauso unter der Notwendigkeit, jetzt händeringend Unterkünfte für die Asylbewerber finden zu müssen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Das ist für keinen Oberbürgermeister, für keinen Bürgermeister und für keinen Landrat, egal in welchem Bundesland, derzeit eine einfache und angenehme Aufgabe.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vollkommen richtig! Wir sind ja in den Haushaltsberatungen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser finanziell ausstatten!)
Alle Kommunalpolitiker tun hier ihr Möglichstes, unabhängig davon, welcher Fraktion und welcher Partei sie angehören. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir die Bereitschaft in der Bevölkerung gerade auch zu ehrenamtlichem Engagement und zu einer ehrenamtlichen Unterstützung der Asylbewerber weiterhin auf diesem hohen Niveau halten.
Die Studie der Universität Leipzig, die vorgestern hier in Berlin veröffentlicht wurde, ist ja schon erwähnt worden. Was ich an dieser Studie interessant finde, ist, dass wir in Deutschland – ich glaube, darauf können wir auch ein Stück weit stolz sein – einen deutlichen Rückgang der Ausländerfeindlichkeit, auch des Antisemitismus, zu verzeichnen haben. Was ich aber aus dieser Studie mit großem Ernst und auch mit einer gewissen Sorge zur Kenntnis genommen habe – das gebe ich ganz offen zu –, ist, dass es laut der Zahlen dieser Studie eine enorme Ablehnung gegenüber Asylbewerbern gibt. In den neuen Bundesländern liegt sie bei 85 Prozent, in den westlichen Bundesländern bei 74 Prozent. Ich möchte eines nicht, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: dass wir in Deutschland wieder Zustände bekommen wie zu Beginn der 90er-Jahre. Ich möchte nicht, dass hier Brandstifter, politische Hetzer wieder das Sagen bekommen. Ich glaube, gerade deshalb müssen wir das gemeinsame Ziel haben, die Empathie, das Verständnis der Bevölkerung gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen auf diesem hohen Niveau zu halten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist daher richtig, sich Gedanken zu machen, für wen wir prioritär offen sein sollen. Die syrischen Flüchtlinge sind da schon genannt worden. Die größte humanitäre Katastrophe auf unserem Globus spielt sich aus meiner Sicht derzeit in Syrien und in den Anrainerländern von Syrien ab. Gerade gegenüber syrischen Flüchtlingen gibt es in Deutschland eine hohe Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Mayer, lassen Sie uns einen Antrag machen! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Wir machen einen Antrag!)
Frau Kollegin Roth, ich wehre mich dagegen, dass Sie uns unterstellen, wir würden die Menschen gegeneinander ausspielen oder das eine Schicksal gegen das andere Schicksal aufwiegen. Aber ich bin schon der Meinung, dass wir für zusätzliche Kontingente gegenüber syrischen Flüchtlingen offen sein sollten. Wir unterstützen hier unseren Bundesinnenminister in seinen Verhandlungen mit seinen Länderkollegen.
Ich sage ganz offen: Es muss weitere zusätzliche Kontingente für die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen geben.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)
Ich füge aber hinzu: Wir bekommen diese Bereitschaft in der Bevölkerung nur dann, wenn wir die Bevölkerung nicht überstrapazieren und nicht überfordern. Deshalb sollten wir, glaube ich, in den nächsten Wochen –
Die Zeit, Herr Kollege!
– dieses Gesetzgebungsverfahren gründlich, aber auch zügig vorantreiben. Insbesondere unsere Kommunen harren dringend darauf, dass wir diese Probleme lösen.
In diesem Sinne freue ich mich auf ein konsequentes, auf ein gründliches, aber auch auf ein zügiges Gesetzgebungsverfahren.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Daniela Kolbe, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3492302 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Asylrecht |