06.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt 26

Daniela KolbeSPD - Asylrecht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich in meinem Redebeitrag auf den arbeitsmarktpolitischen Teil des Gesetzentwurfs konzentrieren. Er ist mir ein bisschen zu kurz gekommen, und ich finde es wichtig, dass wir uns darüber auch noch einmal kurz unterhalten.

Mit dem Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, Asylbewerbern und Geduldeten bereits nach drei Monaten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. – Viele der Zuhörerinnen und Zuhörer wissen das vielleicht nicht: Nach der geltenden Gesetzeslage dürfen Asylsuchende erst nach neun Monaten arbeiten und Geduldete erst nach zwölf Monaten. – Die Opposition hat das hier in ihren Redebeiträgen anklingen lassen, aber ein bisschen kleingeredet. Die Kollegin Amtsberg hat es als „Zückerchen“ bezeichnet.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch nicht einmal!)

Das finde ich, ehrlich gesagt, sehr schade; denn für die Betroffenen ist das ein riesiger Schritt nach vorn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir als SPD stehen dafür, dass es ein starkes Recht auf Asyl geben muss. Frau Roth, da sind wir uns sicherlich einig. Wir wollen Schutzsuchenden Schutz gewähren, und wir müssen das auch tun. Aber wenn wir uns das gegenwärtige Asylsystem anschauen, dann sehen wir, dass selbst für die Menschen, die davon profitieren – das sind doch einige –, das Asylsystem derzeit eine zeitweilige Sackgasse ist, weil es sie ganz ungewollt in Passivität und Hilfsbedürftigkeit drängt.

Die Regel, über die wir heute sprechen, dieses zwölfmonatige Arbeitsverbot, stammt aus dem Jahr 1980. Damals gab es einen Anstieg der Zahlen der Asylsuchenden, auch dadurch ausgelöst, dass mit dem Anwerbestopp von 1973 legale Zuwanderungsmöglichkeiten beseitigt worden waren.

Seither hat sich nicht nur die Welt weitergedreht, sondern es hat sich auch einiges auf dem Arbeitsmarkt – und nicht nur da – verändert. Wir reden wieder über legale Zuwanderung, wir reden über Fachkräftebedarf, wir reden über Globalisierung und eine weltoffene Gesellschaft. Insofern ist es schlichtweg anachronistisch, dass wir Menschen per se von Erwerbstätigkeit ausschließen, zumal diese vielfach nichts lieber täten, als ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

(Beifall bei der SPD)

Viele gut ausgebildete Menschen landen im Asylsystem. Bezeichnenderweise wissen wir, ehrlich gesagt, eigentlich gar nicht so richtig, was für eine Ausbildung die Asylsuchenden mitbringen. Das ist bezeichnend, weil wir uns bisher in diesem Zusammenhang gar nicht mit diesen Menschen auseinandergesetzt und uns gefragt haben, was für Fähigkeiten sie mitbringen. Ich weiß nur, dass ich in den Heimen, in den Asylbewerberunterkünften, die ich besuche, auf sehr unterschiedliche Menschen treffe, vielfach auch auf Ärzte, auf Ingenieure, auf Menschen, die vor allen Dingen eines beschreiben: dass sie es unerträglich finden, dass sie in diese Langeweile, in dieses Nichtstun, in dieses Ausharren gesteckt werden. Das empfinden sie wirklich vielfach als das größte Übel, das sie erleben, wenn sie hier in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Die Neuregelung ist insofern längst überfällig. Wir schaffen jetzt das formale Arbeitsverbot nach einer dreimonatigen Ankunftsphase ab. Das freut mich sehr.

Das Asylrecht hat bisher den Aufenthaltsstatus von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern grundsätzlich als vorübergehend angesehen, als Provisorium. Die Realität sieht aber anders aus. Wir haben heute schon viel von Schutzquoten gehört. Im Durchschnitt liegt die Schutzquote bei 25 Prozent. Bei Menschen aus vielen Herkunftsstaaten liegt sie aber bei deutlich über 50 Prozent, zum Teil bei über 80 oder 90 Prozent, zum Beispiel bei Menschen aus Syrien.

Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, den eigenen Aufenthaltsstatus zu legalisieren. Viele der 85 000 Menschen, die geduldet in Deutschland leben, leben hier sehr lange, jahrelang. Insofern leben die Menschen nicht regelmäßig nur vorübergehend hier, sondern regelmäßig nicht vorübergehend. Auch dieser Denkweise werden wir an dieser Stelle mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gerecht. Denn bisher war es so, dass wir Tausende Menschen über Jahre hinweg systematisch vom Arbeitsmarkt desintegriert haben, um sie dann nach einer positiven Aufenthaltsentscheidung individuell wieder zu integrieren. Erst dann gab es Sprachkurse, erst dann gab es Qualifizierung. Das war viel mühevoller und hatte viel weniger Aussicht auf Erfolg. Das ist total widersinnig, teuer, unmenschlich und falsch, sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft insgesamt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir geben den Betroffenen mit diesem Gesetz ein Mehr an Selbstbestimmung und die Chance, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Gesellschaft spart den Arbeits- und Kostenaufwand, der mit der Wiedereingliederung dieser Menschen, die jahrelang nicht auf den Arbeitsmarkt durften, verbunden wäre.

Richtig ist auch – das ist von der Opposition angesprochen worden –, dass die Vorrangprüfung erhalten bleibt und die Arbeitsaufnahme im Regelfall nur nachrangig möglich ist. Gleichwohl ist das ein deutlicher Schritt, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Es ist ein ganz starkes Signal in Richtung der betroffenen Menschen: Sobald ihr euch nach drei Monaten zurechtgefunden habt, dürft, könnt und sollt ihr versuchen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, euren Lebensunterhalt selber zu bestreiten. – Es gibt auch derzeit schon Bereiche, in denen Menschen, die noch nicht gut Deutsch sprechen oder vielleicht auch nicht die erforderliche Qualifikation mitbringen, händeringend gesucht werden. Das heißt, trotz Nachrangigkeitsprüfung gibt es Bereiche, in denen Asylsuchende eine Chance haben.

(Beifall des Abg. Rüdiger Veit [SPD])

Es gibt auch Bereiche, die nicht von der Nachrangigkeitsprüfung betroffen sind. Da geht es um die Berufsausbildung und Weiterbeschäftigung; auch das sei an dieser Stelle gesagt.

Ehrlich gesagt ist mir ein Punkt am wichtigsten – er ist noch gar nicht angeklungen –: Dadurch, dass diese Menschen nun den prinzipiellen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, haben sie unabhängig davon, ob sie einen Job finden oder nicht, Zugang zu Leistungen, zu arbeitsmarktpolitischen Leistungen aus dem Bereich der Bundesagentur für Arbeit, dem SGB III, und zu einigen ESF-Programmen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das nicht so laut! – Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Richtig laut sagen wir das sogar!)

– Ich sage das trotzdem, und zwar richtig laut. Ich erkläre Ihnen einmal, worum es dabei geht. Es geht um Beratung, um Vermittlung in Arbeit, um Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Jetzt sage ich Ihnen auf Deutsch, was das heißt. Dabei handelt es sich zum Beispiel um die Übernahme von Bewerbungskosten, wie Dolmetscherkosten, und von Kosten für die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse.

Nach dem SGB III hat man auch ein Recht auf Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung sowie zur beruflichen Weiterbildung, ein Recht auf Einstiegsqualifizierung und einen Eingliederungszuschuss und ein Recht auf die Förderung der Teilhabe behinderter Menschen, was für viele Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, auch sehr wichtig ist; denn es kann auch für Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen denkbar sein, eine solche Förderung zu bekommen.

Mit dieser Änderung ist im deutschen Asylsystem beileibe nicht alles gut. Sie kennen ja die SPD: Wir wollen noch viele andere Verbesserungen. Es ist aber eine signifikante Verbesserung für die Menschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Insofern freue ich mich für die Betroffenen und auch für die gesamte Gesellschaft von Herzen über diese Veränderungen, wenn wir sie hinbekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als letzte Rednerin in dieser Debatte erhält die Abgeordnete Nina Warken, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3492304
Wahlperiode 18
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Asylrecht
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