06.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt 28

Jana SchimkeCDU/CSU - Künstlersozialabgabesatz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Künstlersozialversicherung hat eine Sonderstellung in der deutschen Sozialversicherung, und das aus gutem Grund; denn den Raum für das Andersdenken zu garantieren und Freiheit von Kunst und Kultur zu fördern, ist das Prinzip der Bundesregierung. Es ist Arbeitsauftrag und Verpflichtung zugleich.

Künstlerinnen und Künstler in Deutschland – das sind zahllose Schriftsteller, Musiker, Grafiker, Fotografen, Tänzer oder auch Schauspieler. Sie leben von ihren kreativen Leistungen, und die Gesellschaft lebt von und mit ihnen. Kunst und Kultur sind mehr als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft, sie haben identitätsstiftende Kraft. So sorgen der föderale Aufbau Deutschlands und die Kulturhoheit der Länder für eine Vielzahl kultureller Einrichtungen und eine reiche Kulturszene in Deutschland. Mehr als 100 Opernspielstätten gibt es bundesweit, so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Ebenso gehört unser Land mit über 94 000 neuen und neu aufgelegten Büchern pro Jahr zu den großen Buchnationen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe davon aus, dass alle hier Anwesenden mindestens eine Tageszeitung am Tag lesen. Die insgesamt etwa 350 Tageszeitungen und die enorme Zeitschriftenvielfalt in Deutschland sind nicht nur der Beleg für eine lebendige Medienlandschaft. Sie sind der Beleg für Meinungsfreiheit und für Vielfalt, die sich täglich in der Arbeit unserer Journalistinnen und Journalisten ausdrückt. Kunst und Kultur existieren nicht einfach so, sondern sie entstehen überhaupt erst durch die Arbeit der Künstler. Wir brauchen unsere selbstständigen Künstlerinnen und Künstler in Deutschland. Sie sind Voraussetzung für diese lebendige Kulturlandschaft.

Das alles geht nicht ohne einen Schutz in der Sozialversicherung. Die Künstlersozialversicherung bietet diesen Schutz in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und insbesondere Rentenversicherung. Sie ist eine bedeutende Einrichtung für die soziale Absicherung und Altersvorsorge der deutschen Künstler. Der heute diskutierte Gesetzentwurf zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes ist eine Antwort auf die Entwicklung der letzten Jahre.

Zum 1. Januar stieg der Beitragssatz über 1 Prozentpunkt von 4,1 Prozent auf 5,2 Prozent. Jetzt schaffen wir Abgabengerechtigkeit und Beitragssatzstabilität und setzen damit die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages um. Dazu werden wir auch die Prüfungen durch die Träger der Rentenversicherung erheblich ausweiten. Denn unser Ziel ist es, einen weiteren Anstieg der Künstlersozialabgabe zu vermeiden und die Künstlersozialkasse zu stabilisieren.

Das Ziel der Stabilisierung des Abgabesatzes ist wichtig und richtig. Wir wissen alle, dass die Höhe von Abgaben und das Ausmaß von Bürokratie Arbeit in Deutschland verteuern können. Deshalb ist es wichtig, an die Unternehmen und insbesondere an unsere kleinen Unternehmen zu denken. Sie erteilen oft Aufträge nur zum Zweck der Eigenwerbung und werden jetzt über die Einführung der Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro entlastet. Auch die Begrenzung auf stichprobenartige Prüfungen bei kleinen Betrieben ist positiv und zeigt, dass wir bei den Anforderungen kleine Betriebe berücksichtigt haben.

Natürlich kann man immer darüber nachdenken, wo weitere Entlastungen geschaffen und Vereinfachungen erzielt werden müssen. Ich halte deshalb auch die Anregungen der Wirtschaft für wichtig, künftig unter anderem über die Höhe der Geringfügigkeitsgrenze oder auch über die Anzahl der Aufträge, an die diese Grenze gekoppelt ist, zu sprechen. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir diese neuen Regelungen im Jahr 2019 einer Prüfung unterziehen werden. Sie wissen, wir reden gerade auch im Rahmen der Mindestlohndebatte darüber, wie und wann wir evaluieren. Ich glaube, das ist etwas, was alle Gesetzgebungsverfahren kennzeichnen sollte.

Eine Evaluation ist auch deshalb geboten, da der Aufwand und die zusätzlichen Einnahmen durch die verstärkte Prüftätigkeit sehr unterschiedlich eingeschätzt wurden. Ich denke, wir sind mit der jetzigen Reform auf dem richtigen Weg. Dennoch sollten wir auch für weitere Diskussionen und alternative Regelungen offenbleiben.

Nicht von der Hand zu weisen ist die Kritik, dass Unternehmen die Künstlersozialabgabe auch zahlen müssen, wenn Künstler nicht in der Künstlersozialversicherung versichert sind. Diese Regelung ist kritikanfällig, da weder der Auftraggeber noch der Künstler oder die Künstlerin selbst von diesem Beitrag profitieren. Sie erinnern sich vielleicht an die Diskussion um das Rentenpaket und die Einführung der Flexirente. Auch da haben wir diese Frage im Zusammenhang mit der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und der Beschäftigung von Rentnern diskutiert. Sie tritt hier erneut auf. Ich denke, die Debatte sollte deswegen auch in Zukunft aufgegriffen, geführt und bewertet werden.

Auch die Ausweitung des Künstlerbegriffs und die Frage „Was ist Kunst?“ sind letztendlich gerechtfertigt. Ebenso müssen wir abwarten, wie sich die Schaffung eines eigenen Prüfrechts auf die Künstlersozialkasse auswirken wird. Mit der Reform im Jahr 2007 wurde die flächendeckende Prüfung der Abgabepflicht explizit auf die Deutsche Rentenversicherung übertragen, um Abgabegerechtigkeit herzustellen. Unser zukünftiger Auftrag wird deshalb sein, zu beobachten, wie dieser Prüfauftrag wirkt.

Auch sollten wir über grundlegende Fragen wie zum Beispiel über die des Verwerters im Gespräch bleiben. Verlage, Theater oder auch Musikproduzenten können als Verwerter angesehen werden. Trifft dies aber auch auf das kleine Unternehmen zu, das sich die Homepage von einem Webdesigner gestalten lässt, der nicht in der Künstlersozialversicherung versichert ist?

Die Künstlersozialversicherung ist ein kompliziertes Konstrukt für eine spezifische Gruppe der Selbstständigen. Unser Ziel und Auftrag für die Zukunft sollte daher sein, weiterhin über die grundsätzlichen und sozialpolitischen Fragen der Künstlersozialversicherung im Gespräch zu bleiben.

Heute aber leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Rechtssicherheit in der Künstlersozialversicherung und für den Fortbestand der Kunst und Kultur in Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3492498
Wahlperiode 18
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Künstlersozialabgabesatz
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