Astrid FreudensteinCDU/CSU - Künstlersozialabgabesatz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Was macht die Kunst?“, fragt der Prinz in Lessings Emilia Galotti den Hofmaler Conti. Dieser antwortet: „Prinz, die Kunst geht nach Brot“, was so viel heißt, wie: Erst einmal muss man satt werden, bevor an die Kunst zu denken ist. Lessing war nicht der einzige Schriftsteller, der das Einkommen und die soziale Lage von Künstlern und Publizisten thematisiert hat. Johann Wolfgang von Goethe hat dem Thema bekanntlich mit seinem Torquato Tasso gleich ein ganzes Stück gewidmet. Im Vordergrund dieser Werke stehen die Abhängigkeiten der Künstler und Dichter von Mäzenen und Monarchen. Ohne die war Künstlerleben damals nicht denkbar. Nun gibt es heute keine Prinzen, Fürsten und Könige, keine Friedrichs und Ludwigs mehr, welche die Kunst und deren Erschaffer nach eigenem Gusto aus der Staatsschatulle fördern könnten. Das ist ja im Prinzip auch ganz gut so. Doch umso mehr Verantwortung für die Entwicklung von Kunst und Kultur liegt nun beim Demos, beim Volk, also bei uns.
Nun ist die Bundesrepublik Deutschland ja bekanntlich nicht nur ein Sozial- und Rechtsstaat, sondern auch ein Kulturstaat, worauf wir immer wieder gern und zu Recht verweisen. Wir haben deshalb eine ganz besondere Verantwortung. Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass wir alle Künstler alimentieren müssten. Eine Alimentierung kann nicht Aufgabe eines freiheitlichen Kulturstaates sein. Sie würde neue Abhängigkeiten schaffen, die wir nicht wollen. Was wir aber tun können, ist, den Boden zu schaffen, den Kultur braucht, um gedeihen zu können.
Das Kunstwerk, zum Beispiel einen Roman oder ein Gedicht, das der Künstler oder Publizist schafft, verstehen wir oft als öffentliches Gut. Die soziale Absicherung des Künstlers ist aber Privatsache. An genau diesem Punkt greift die Künstlersozialversicherung. Seiner Aufgabe kann der Künstler oder Publizist nämlich nur gerecht werden, wenn auch seiner sozialen Situation Rechnung getragen wird. Diese unterscheidet sich zum Teil ganz erheblich von der anderer Berufsgruppen. Die Erwerbsbiografien von selbstständigen Künstlern und Publizisten sind risikoreich. Das zeigen auch die Werdegänge berühmter Künstler und Dichter, die eben oft auch brotlose Künstler waren und sind. Die Einkommensverhältnisse unterliegen überdurchschnittlichen Schwankungen – und das oft auf niedrigem Niveau. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, zum Beispiel die Abhängigkeit vom Publikumsgeschmack oder von geistigen Modeströmungen, die wirtschaftliche Situation des öffentlichen Kulturbetriebes und die Fördermöglichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen, Stiftungen und Banken.
Umso wichtiger war die Einführung der Künstlersozialversicherung vor gut 30 Jahren. Mit ihr wurde es den freischaffenden Künstlern und Publizisten de facto erst ermöglicht, die größten Lebensrisiken abzusichern. Sie bekamen Zugang zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zu Konditionen, die sie sich leisten konnten. Damals betrat Deutschland Neuland. Bis heute ist die Künstlersozialversicherung ein weltweit einmaliges Konstrukt, aber eben auch eine herausragende sozialpolitische Institution in der deutschen Kulturlandschaft, um die wir im Übrigen von vielen Ländern beneidet werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Genauso einmalig wie die Versicherung selbst ist die Finanzierung. Die Hälfte der Kosten tragen die versicherten Kulturschaffenden selbst, 20 Prozent trägt der Bund, und 30 Prozent übernehmen die Verwerter, also die Unternehmen, welche die künstlerische Leistung in Auftrag geben.
So weit, so gut. Aber es gibt ein Problem, sonst wären wir heute nicht hier. Der Abgabesatz für diese abgabepflichtigen Verwerter steigt gerade rasant an, allein innerhalb der vergangenen beiden Jahre von 3,9 auf 5,2 Prozent. Das liegt zum einen an der stark steigenden Mitgliederzahl der Künstlersozialversicherung, zum anderen an der ausbaufähigen Zahlungsmoral einiger Unternehmen bei der Künstlersozialabgabe, was oft daran liegt, dass die Unternehmen noch nicht einmal wissen, dass sie abgabepflichtig sind. Ein steigender Abgabesatz gefällt jedoch niemandem und gefährdet die Stabilität der Versicherung als Ganzes.
Genau hier setzt der vorliegende Gesetzentwurf an, den wir von der Union ausdrücklich begrüßen. Im Kern des Entwurfs wird festgelegt, dass ab 2015 ein strengeres Prüfverfahren eingeführt wird, das die Finanzierung auf solide Beine stellt und für Abgabegerechtigkeit sorgt. Mehr Unternehmen werden regelmäßiger auf ihre Abgabepflicht hin geprüft. Denn wir bleiben dabei: Wer von der Arbeit freischaffender Künstler profitiert, muss sich auch an deren sozialer Sicherung beteiligen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Entscheidend war für uns dabei von Anfang an die Art und Weise der Prüfungen. Wir wollen ein Prüfverfahren, dass effektiv und effizient ist. Das ist, meine ich, mit dem Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, gut gelungen. Im Rahmen der alle vier Jahre stattfindenden Arbeitgeberprüfungen werden alle bei der Künstlersozialkasse erfassten Unternehmer und alle Arbeitgeber mit mindestens 20 Beschäftigten auch auf die Künstlersozialabgabe hin geprüft. So wird sichergestellt, dass Unternehmen ihre Abgabepflicht aufgrund fehlender Prüfungen nicht vernachlässigen.
Von den kleineren Arbeitgebern mit bis zu 19 Beschäftigten werden im Kalenderjahr mindestens 40 Prozent geprüft. Jene Arbeitgeber, die nicht Teil des Prüfkontingents sind, werden von den Prüfern der Deutschen Rentenversicherung beraten und bestätigen schriftlich, dass sie abgaberelevante Sachverhalte melden werden.
So erreichen wir – das war uns wichtig –, dass kleinere mittelständische Unternehmen im Schnitt nur alle zehn Jahre geprüft werden. Das bedeutet weniger Aufwand für diese und hält die allgemeinen Bürokratiekosten im Rahmen.
Trotzdem: Die Rentenversicherung benötigt und bekommt dafür zusätzliches Personal. Die Mehrkosten werden jetzt auf 12,3 Millionen Euro geschätzt. Dem stehen erwartete Mehreinnahmen in Höhe von 32 Millionen Euro gegenüber. Aufwand und Ertrag stehen also in einem akzeptablen Verhältnis zueinander.
Das alles sind Schätzungen, daher können wir nicht genau sagen, wie sich die neuen Regelungen letztlich tatsächlich in der Praxis auswirken werden. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir nach einem vierjährigen Prüfturnus eine Evaluation vorsehen. Denn erst dann sind klare Aussagen über das Kosten-Nutzen-Verhältnis möglich.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Gesetzentwurf ist die Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro. Wer innerhalb eines Jahres Aufträge erteilt, die insgesamt diese Summe nicht überschreiten, wird von der Abgabe befreit. Mit dieser Bagatellgrenze schaffen wir Rechtssicherheit; denn in diesem Punkt war das Gesetz bisher missverständlich.
Nebenbei hat diese 450-Euro-Grenze auch den Effekt, dass insbesondere kleine Unternehmen – etwa Handwerksbetriebe –, die nur in geringem Umfang Aufträge an Künstler erteilen, entlastet werden.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt damit die Aspekte der Abgabegerechtigkeit, der Effektivität und der Effizienz. Er beinhaltet die richtigen Instrumente, um die Künstlersozialversicherung kurz- und mittelfristig zu stabilisieren. Die regelmäßige Überprüfung, die nun festgeschrieben wird, ist notwendig, um das System in dieser Weise in Deutschland zu erhalten.
Wir müssen aber auch überlegen, wie wir die Künstlersozialversicherung langfristig stabilisieren können. Dabei darf eine kritische Überprüfung der Kriterien für die Aufnahme in diese Versicherung kein Tabu sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch die Abgrenzung zwischen ehrenamtlicher und künstlerischer Arbeit, wie wir sie uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben, steht noch auf der Agenda. Das Ehrenamt, das die kulturelle Vielfalt in unserem Land wahrt, darf nicht über Gebühr belastet werden.
Doch nun wollen wir mit dem Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes einen ersten und sehr, sehr wichtigen Schritt tun. Künstler und Publizisten wären in früheren Jahren vermutlich heilfroh gewesen, wenn sie eine Künstlersozialversicherung gehabt hätten. Man stelle sich einmal vor, wie viele Werke der Weltliteratur hätte Friedrich Schiller wohl noch schreiben können, hätte er eine ordentliche Krankenversicherung gehabt.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Während einer seiner etlichen Erkrankungen soll er seine Nachwelt aufgefordert haben: Sorgt für eure Gesundheit, ohne diese kann man nicht gut sein.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3492537 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Künstlersozialabgabesatz |