Claudia Roth - Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL)
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Brantner, ich kann mich noch daran erinnern, dass vor nicht allzu langer Zeit hier einmal eine Abgeordnete – sie ist heute Ministerin – gestanden und ein Lied gesungen hat; singen kann ich nicht so gut wie sie. Ich kann nur sagen, dass der Inhalt des Liedtextes in etwa dem entsprach, was Sie gerade an außenpolitischer Konzeption aufgezeigt haben: Sie malen sich die Welt, wie es Ihnen gefällt. Nichts anderes machen Sie.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn?)
Den wegweisenden und bahnbrechenden Hinweis, man solle jetzt auf Dialog setzen, nehmen wir gern auf. Nur: Das tun wir seit Ausbruch des Konflikts.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn?)
Angesichts dessen bin da ein bisschen sprachlos. Ich weiß nicht, was wir da noch tun sollen. Ich weiß nicht, wie lange Sie jetzt schon dabei sind, Frau Brantner – ich habe nicht im Volkshandbuch nachgesehen –, aber lassen Sie sich von einem zweifellos älteren Abgeordneten sagen:
(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ist Ihnen das Argument nicht zu billig?)
Auch in der vorherigen Koalition haben wir auf Dialog gesetzt. Ich habe hier schon mehrmals zum Thema gesprochen, das letzte Mal vor ein paar Tagen, als wir den gemeinsamen Antrag zu Syrien auf den Weg zu bringen versucht haben.
Der Konflikt, was Syrien angeht, hat sich natürlich auch insgesamt verändert. Man ging von einer ganz anderen Ausgangssituation aus. Wir haben über Monate hinweg Treffen mit den sogenannten Friends of Syria gehabt, die wir für die – in Anführungszeichen – „Richtigen“ gehalten haben, zumindest für solche, die hehre Motive für die Zukunft ihres Landes haben. Nur: Währenddessen hat sich der Konflikt verändert, wie Sie ja selbst sagen. Von außerhalb des Landes sind zusätzliche Spieler hinzugekommen – mit eigenen Interessen und mit einer eigenen Agenda.
Die Alternative zu unserer Dialogbereitschaft damals wäre Intervention gewesen. So schlimm das Leid in Syrien auch ist: Ich bin froh, dass wir nicht interveniert haben, weil ich mir sicher bin, die Situation wäre dadurch nicht besser geworden.
(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Deshalb sage ich, dass es von uns richtig war, von Anfang an die militärische Option vom Tisch zu nehmen.
Herr Mißfelder, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Omid Nouripour? Er ist ein bisschen älter als Sie.
(Heiterkeit)
Selbstverständlich, Frau Präsidentin.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Aber er schaut jünger aus! – Heiterkeit – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat noch nie jemand über mich gesagt!)
Wollen Sie eine Bemerkung dazu machen, Herr Mißfelder? – Nein. Gut.
Nein; ich nehme das einfach so hin.
Herr Nouripour, bitte.
Herr Kollege Mißfelder, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Selbstverständlich.
Ich glaube nicht, dass jemand im Hohen Hause sagen würde: Es gibt eine klare militärische Lösung für die Situation in Syrien. – Aber das, was die Kollegin Brantner angesprochen hat, blieb unbeantwortet. Die Frage war doch – und das ist gerade auch aus Ihren Reihen gekommen –: Wie kann man denn Druck auf Staaten machen, die doch einiges an Unheil ins Land bringen? Zu nennen sind auf der einen Seite die Russen und die Iraner, auf der anderen Seite die Golfstaaten. Wir sagen ja – nicht meine Fraktion, aber die Bundesrepublik sagt es die ganze Zeit –, dass genau diese Golfstaaten unsere Partner sind.
Also: Welche Vorstellung haben Sie davon, wie wir Druck auf Saudi-Arabien und Katar machen können? Das sind Staaten, von denen wir wissen, dass sie, während wir ihnen gleichzeitig Waffen liefern, Gruppierungen finanzieren, die nicht nur Terror nach Syrien bringen, sondern auch in Ländern wie Afghanistan oder Mali Gruppen finanzieren, die auf Bundeswehrsoldaten schießen. Wie wollen Sie diesen Druck überhaupt aufbauen und aufrechterhalten?
Sie sprechen die Problematik zu Recht an. Das betrifft unsere Partner in Peace und unsere Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ganz klar. Die Janusköpfigkeit manch unserer Partner in der Region ist uns schon bewusst. Sie ist ja auch Ihnen bekannt; Sie sind ja bei den Besprechungen dabei, Herr Kollege Nouripour.
An einer Stelle muss ich Sie korrigieren. Wenn Sie per se sagen: „Saudi-Arabien unterstützt das, Katar unterstützt das“, dann ist das nicht ganz korrekt; das wissen Sie selbst. Es sind zum Teil Einzelpersonen, die konkrete Aktionen unterstützen. Ich würde sie nicht gleichsetzen mit dem Staat. Davor würde ich warnen. Das ist gerade der Balanceakt, den man in der gesamten Golfregion schaffen muss. Es ist ja so, dass wir die Golfstaaten nicht als Partner abschreiben wollen, sondern mit ihnen zusammenarbeiten wollen, wissend, dass es schwierige Partner sind und dass Einzelpersonen, wenn nicht sogar größere Gruppierungen in einzelnen Ländern, Leute, die sehr viel Einfluss haben, konkret hinter solchen Aktionen stecken. Wir können die ja zum Teil genau lokalisieren und auch konkret benennen, wer das ist. Aber ich würde trotzdem nicht sagen: Der Staat Saudi-Arabien selbst ist hier die treibende Kraft. – Das würde ich schon differenzierter darstellen. Was die Art und Weise der Zusammenarbeit angeht: Ich kann Ihnen da – wir haben darüber schon oft gesprochen – nur recht geben. Es gibt halt kein Schwarz und Weiß in dieser Region; es gibt aber Interessen.
Wir reden hier über UNIFIL. Denken Sie nur daran zurück, wie UNIFIL auf den Weg gekommen ist. UNIFIL ist – Niels Annen hat es angesprochen – auf den Weg gekommen, weil wir damals einen Beitrag dazu leisten wollten, das Existenzrecht des jüdischen Staates Israel zu sichern. Das war der Ausgangspunkt. Bei uns lief die Debatte damals eigentlich in die falsche Richtung. Bei uns haben alle ausgeschlossen, dass Deutschland in dieser Region militärisch tätig werden könne, während der damalige israelische Premierminister Olmert uns öffentlich aufgefordert, eingeladen und dringend gebeten hat, tätig zu werden. Wir wurden tätig, aber nicht mit Landstreitkräften, sondern mittels eines sehr moderaten und, wie ich finde, gelungenen Beitrages im Rahmen von UNIFIL. Deshalb ist dieses Mandat auch eine Erfolgsgeschichte.
Wenn wir über die Region insgesamt reden, dann dürfen wir die deutschen Interessen nicht außen vor lassen. Dazu gehören auch wirtschaftliche Interessen und vielerlei andere Aspekte. Definitiv gehört aber auch der Schutz Israels dazu.
Wir beschäftigen uns mit der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien eingehend. Es ist zum Teil sehr schwer nachvollziehbar, was dort passiert. Aber aus strategischen Gründen gilt: Saudi-Arabien ist und bleibt ein wichtiger Verbündeter und Partner für uns, wenn es darum geht, den Hegemon Iran teilweise in seine Schranken zu weisen. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen. In welchem Grad Unterstützung und Kooperation stattfinden kann, das wird im Bundessicherheitsrat – das steht ja in der Zeitung – offenbar sehr lebhaft diskutiert. Wir im Parlament spiegeln diese Diskussion wider und tun uns deshalb mit Rüstungsexporten insgesamt sehr schwer. Niemand trifft hier leichtfertige Entscheidungen.
Ich komme zum UNIFIL-Mandat zurück. Ich halte dieses Mandat, wie gesagt – ich wiederhole mich – nach wie vor für eine Erfolgsgeschichte. Es zeigt, wie einsatzfähig unsere Streitkräfte mittlerweile sind und zu welch großartigen Leistungen sie in der Lage sind. Ich sehe diesen Einsatz auch deswegen als Erfolgsgeschichte an, weil es nicht jeden Tag Vorkommnisse gibt. Ehrlich gesagt, wünsche ich mir das auch nicht. Lieber berate ich hier über ein Mandat, bei dem es nur wenige Zwischenfälle gibt und das nach außen weniger spektakulär zu sein scheint. Ich werte dieses Mandat also als vollen Erfolg und sage im Namen meiner Fraktion die Unterstützung für dieses Mandat zu.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Mißfelder. – Nächster Redner ist Thomas Hitschler für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3492728 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL) |