24.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt I

Carsten SchneiderSPD - Stabile Leistungen für Lebensversicherte

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Karawanskij, ich bin mir nicht sicher, ob Sie den Gesetzentwurf tatsächlich gelesen haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zumindest die Stellungnahmen der Lobby, deren Interessen wir hier angeblich vertreten, haben Sie offensichtlich nicht gelesen; denn die sind alles andere als glücklich über diesen Gesetzentwurf. Im Gegenteil: In den Stellungnahmen, die ich in letzter Zeit bekommen habe, steht, dass wir das auf keinen Fall so verabschieden sollen.

(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Ist das Ihr Argument, zu sagen, dass alles gerecht zugeht?)

Was ist das Ziel dieses Gesetzes? Ziel ist, die Lebensversicherung, die für viele Menschen einen wichtigen Teil ihrer privaten Altersvorsorge ausmacht, dauerhaft zu sichern und dafür zu sorgen, dass der versprochene Garantiezins auch in den nächsten 10, 15 und 20 Jahren ausgezahlt und gesichert wird.

Die Lebensversicherung war in den vergangenen Jahren ein sehr intransparentes Produkt. Es gibt – Herr Minister Schäuble hat darauf hingewiesen – über 90 Millionen Verträge. In diesem Jahr werden knapp 7 Millionen Verträge fällig. Aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsphase und der Tatsache, dass ein Großteil der Lebensversicherungen in Staatsanleihen investiert hat, die derzeit noch hohe Kurswerte haben, weil sie einen Zinscoupon von 3, 4 oder 5 Prozent bieten, entstehen Buchgewinne. Diese Buchgewinne werden nicht zugunsten der Versicherungsunternehmen ausgeschüttet; im Gegenteil: Sie werden innerhalb der Versichertengemeinschaft, bei den Versicherten, belassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Innerhalb der Versichertengemeinschaft – zwischen den Versicherten, deren Vertrag in diesem Jahr fällig wird, und denen, deren Vertrag in 20 Jahren fällig wird – findet ein Interessenausgleich statt, den wir fairer und gerechter machen wollen.

Ich finde es ja interessant, dass Sie von der Linken jetzt die Interessen des Kapitals hier vertreten. Ich finde das bemerkenswert.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Haben Sie nicht zugehört?)

Nehmen wir als Beispiel für die Buchgewinne eine deutsche Staatsanleihe, die derzeit bei 110 Prozent rentiert. Diese Staatsanleihe würde jetzt zu 110 Prozent ausgezahlt, realisiert wird sie aber am Ende – der Minister hat darauf hingewiesen – nur mit 100 Prozent. Das heißt, heute wird ein Betrag ausgezahlt, der in fünf oder zehn Jahren gar nicht fällig würde. Wenn die Versicherten also in fünf oder zehn Jahren ihren Ertrag ausgezahlt bekommen wollen, dann kann der Ertrag nicht mehr erbracht werden. Das ist eine Bevorteilung derjenigen, deren Versicherungsverträge jetzt fällig werden. Sie geht zulasten der 85 Millionen Versicherungsnehmer, deren Versicherungsverträge später fällig werden. Deshalb regeln wir heute einen fairen Ausgleich. Dabei haben Sie unsere Unterstützung, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das ist aber nicht der einzige Punkt. Es gab schon einmal einen Anlauf für diese gesetzliche Regelung. Von daher können Sie nicht sagen, dass der Gesetzentwurf im Schweinsgalopp durchgepeitscht wird. Die letzte Bundesregierung hat ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wenn Sie beide Gesetzentwürfe vergleichen, stellen Sie deutliche Unterschiede fest. Dabei geht es nicht nur um die Bewertungsreserven, sondern auch um die Frage, wie in das Geschäftsmodell der Lebensversicherungsunternehmen eingegriffen wird, wie Aktionäre, also die Eigentümer der Versicherungsunternehmen, an der langfristigen Stabilisierung beteiligt werden. Ich weiß nicht, ob die CDU/CSU früher von der FDP geknebelt wurde und jetzt befreit ist, weil die SPD dabei ist;

(Beifall bei der SPD – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das als „Befreiung“ zu bezeichnen, ist ambitioniert!)

auf jeden Fall ist der Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, deutlich besser.

Wir machen das Produkt Lebensversicherung transparenter. Wir gehen auch auf die vielen Anregungen der Verbraucherschutzverbände ein, die uns im Übrigen unterstützen.

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein!)

Die Provisionen werden transparenter ausgewiesen. Die kalkulatorischen Abschlusskosten für Versicherungsnehmer werden gekürzt: von 4 Prozent auf 2,5 Prozent. Das heißt, dass die Verwaltungskosten geringer werden, was wiederum bedeutet, dass das Produkt für den Kunden letztendlich besser wird. Es wird dadurch transparenter. Man kauft dann keine Blackbox, sondern weiß, was die tatsächlichen Kosten sind und wie hoch der tatsächliche Ertrag ist.

Der zweite Punkt betrifft das, was die Versicherungsunternehmen jetzt kritisieren, nämlich die Ausschüttungssperre. Was bedeutet das? Wenn ein Unternehmen in den nächsten Jahren von der Kürzung der Bewertungsreserven Gebrauch macht, gilt gleichzeitig – darauf lege ich großen Wert – eine Ausschüttungssperre. Es gibt keine Dividende bzw. Ausschüttung an den Eigentümer, sondern der Sicherungsbedarf muss zur Stärkung des Garantiezinses in den Unternehmen verbleiben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist auch ein Vorgriff auf zukünftige Regelungen zu den Lebensversicherungen durch Solvency II. Wir machen die Unternehmen im Sinne und im Interesse der Versicherten stabiler. Wer glaubt, dass es da keine Probleme gibt, den verweise ich auf den Bundesbankbericht zur Stabilität der Lebensversicherungen. Dieser Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass, wenn nichts passiert, in den nächsten Jahren ein Drittel der Unternehmen in Schwierigkeiten kommen wird. Ich möchte nicht, dass wir, nachdem wir schon Banken gerettet haben, als Nächstes auch noch die Lebensversicherungen retten und private Kapitalanlagen mit Steuergeld subventionieren müssen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In der Haushaltsdebatte, die anschließend auf der Tagesordnung steht, wird deutlich werden, dass wir das Geld für andere Dinge brauchen.

Von daher ist es nur klug und richtig, dass der Vorschlag – ich freue mich darüber, dass er gemacht wurde – aufgegriffen wurde, eine Ausschüttungssperre einzuführen, damit nicht Ertrag aus dem Unternehmen hinaus an die Aktionäre fließt, sondern im Unternehmen bleibt. Das führt zu größerer Stabilität. Darauf legen wir als Sozialdemokraten großen Wert.

Der dritte Punkt betrifft die Risikoüberschüsse. Auch die diesbezügliche Regelung geht künftig zulasten des Unternehmensgewinns. Wenn die Unternehmen die Sterbetafel zu negativ kalkuliert haben – das war in den letzten Jahren wohl öfter der Fall –, dann gingen diese Überschüsse zu 75 Prozent an die Versicherten und zu 25 Prozent an die Aktionäre. Das ändern wir. Die Gewinne werden nur noch zu 10 Prozent an die Aktionäre gehen und zu 90 Prozent bei der Versichertengemeinschaft bleiben. Auch das ist ein klarer Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit innerhalb der Versicherungsunternehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich denke aber auch, dass wir in Bezug auf die Form der Kapitalanlagen – das soll in einer Verordnung geregelt werden – den Versicherungen mehr Möglichkeiten geben sollten, auch in langfristige Infrastrukturprojekte zu investieren. Da haben wir in Deutschland recht großen Bedarf. Mit der derzeitigen Verzinsung von 1,4 Prozent für eine zehnjährige Bundesanleihe können Lebensversicherungen jedenfalls dauerhaft keinen wirklich nennenswerten Beitrag zur Altersvorsorge leisten. Von daher brauchen sie ein bisschen mehr Freiheit, um auch in Infrastrukturmaßnahmen zu investieren.

Ich würde mich freuen, wenn das Bundesfinanzministerium den Vorschlag aufgreifen würde, die BaFin bzw. die Versicherungsaufsicht dadurch zu stärken, dass sie – so ähnlich, wie wir das im Bankenbereich haben – Eingriffsrechte gegenüber den Versicherungsunternehmen erhält. Sie sollte auch die Kontrolle über das Geschäftsmodell haben. Damit soll die langfristige Stabilität der Unternehmen gestärkt werden. Die BaFin wird so ein schärferes Schwert in der Hand haben, um die Versicherten zu schützen.

Deshalb, Herr Minister, haben Sie für den Entwurf unsere Unterstützung. Die Richtung stimmt. Es wird noch die Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages geben. Dann werden wir zügig entscheiden. Ich glaube, dieser Fortschritt für die Finanzstabilität ist absolut im Interesse derjenigen, die in den letzten Jahren Lebensversicherungsverträge unterschrieben haben und sich darauf verlassen wollen, den Garantiezins zu erhalten; sie können sich darauf verlassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Gerhard Schick das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3559275
Wahlperiode 18
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Stabile Leistungen für Lebensversicherte
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