24.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt II.4

Christian PetrySPD - Epl 08, Epl 20 Finanzen, Bundesrechnungshof, Euro in Litauen

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein fast ausgeglichener Haushalt ist die Voraussetzung – vieles haben wir heute darüber gehört – für eine soziale und gerechte Politik. Es ist eine große Verantwortung, auch in Europa eine solche Politik durchzusetzen. Dies sage ich im Hinblick auf die auch hier schon geführte Debatte über den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dabei sind die Vorgaben flexibel. Die Spielräume der Volkswirtschaften müssen gegeben sein, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Man möge nur an die Krise 2009 denken. Was hat Deutschland denn getan? Es war doch gut, dass wir die Vorgaben flexibel gestaltet und verändert haben. Das hat uns durch die Krise gebracht und uns letztlich gestärkt. Davon profitieren wir heute. Vor diesem Hintergrund ist das richtig, was Sigmar Gabriel gesagt hat: Die Akzentuierung muss sein, auf Wachstum zu setzen. – Das kann man nur zweimal unterstreichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Finanzwirtschaft darf einem solchen Prozess nicht entgegenstehen. Was in Paris vereinbart wurde, ist im Hinblick auf die Gesamtsituation in Europa zu sehen. Der französische Präsident Hollande muss letztlich ausbaden, was seine Vorgänger verursacht haben. Die Hauptursachen lassen sich in der Zeit der Regierung Chirac finden. Herr Hollande hat vielleicht seins dazugetan. Aber man darf die Ausgangssituation in Frankreich nicht vergessen. Deutschland sollte in der Lage sein, die neue Ausrichtung in Frankreich zu unterstützen. Ziel sind Impulse für die Wirtschaft, mehr Arbeitsplätze und Beschäftigung sowie für mehr soziale Gerechtigkeit in Europa.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unter diesem Eindruck beraten wir heute auch über den Beitritt Litauens, über die Vergrößerung der Euro- Zone. Litauen möchte ab dem 1. Januar 2015 den Euro einführen. Wir als Bundestag sind zur Stellungnahme aufgefordert.

Litauen erfüllt die notwendigen Aufnahmekriterien. Es hat eine hohe Preisstabilität mit einer Inflationsrate von 0,6 Prozent, ein Haushaltsdefizit von nur 2,1 Prozent, einen Staatsschuldenstand von 40 Prozent – das ist weit unter dem Referenzwert von 60 Prozent –, einen stabilen Wechselkurs gegenüber dem Euro, und die langfristigen Zinsen liegen bei 3,2 Prozent. Das alles sind hervorragende Eckdaten, sodass man sagen muss: Das hört sich zunächst einmal sehr gut an.

(Beifall bei der SPD)

Aber: Die Litauerinnen und Litauer haben dafür etwas bringen müssen. Das war sehr schmerzhaft. Das darf man nicht vergessen. Es gab Kürzungen bei der Altersrente um 8 Prozent, Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung, Kürzungen bei dem Gehalt der Beschäftigten im öffentlichen Dienst von über 12 Prozent. Das sind harte Einschnitte, die dort getragen wurden, damit heute die Voraussetzungen erfüllt sind, dass Litauen dem Euro-Raum beitreten kann. Ich glaube, man muss der Litauer Bevölkerung und der Litauer Politik ein großes Kompliment dafür machen, dass sie dies durchgestanden haben. Deshalb muss sich die Einführung des Euros in Litauen auch positiv auswirken. Sonst wird es mit der Akzeptanz vor Ort schwierig.

Das sogenannte Scoreboard des makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens – ein Zungenbrecher, wenn man es vorlesen muss; das ist ganz schlimm – weist zwei Probleme in Litauen aus, auf die auch ich hinweisen möchte: einmal das Leistungsbilanzdefizit von 12,9 Prozent, zum anderen die hohe Arbeitslosigkeit von 12 Prozent. Deshalb wünschen wir uns, dass die Einführung des Euros einen ähnlichen Effekt hat wie in Estland 2011. Im ersten Jahr ist der Export Estlands in den Euro- Raum um 31 Prozent gestiegen. Wir wünschen uns, dass dies auch in Litauen passiert und die Menschen vor Ort sehen, dass sie etwas von dem Beitritt zum Euro-Raum haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Auch für die Zukunft muss es wichtig sein, dass die baltischen Staaten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt gefördert werden, damit sie flexibel genug wirtschaften können für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, der mit dem Beitritt zusammenhängt. Künftig wird das bereits 2003 beschlossene Rotationsprinzip bei der Europäischen Zentralbank und beim Rat gelten. Deutschland verliert circa alle fünf Monate für vier Wochen sein Stimmrecht. Ich möchte hier klar sagen: Wenn man die Währungsunion als europäisches Projekt versteht und nicht als Ansammlung nationaler Interessen, dann ist dies auch absolut in Ordnung.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wird für die Zukunft in dem Bereich der EU-Gremien eine Neuorientierung geben müssen. Bei einer derart großen Anzahl von Mitgliedern werden wir die Strukturen überdenken müssen. Es wird nicht mehr jeder überall vertreten sein können. So wird die Leitungsebene entsprechend angepasst werden müssen. Das ist eine Riesenaufgabe, das wird sehr lange dauern. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Aber, wie gesagt, eine große Aufgabe steht in diesem Zusammenhang vor uns.

Es ist ein guter Tag für Europa. Litauer, seid uns willkommen! Wir wollen ein sozial gerechtes Europa der Bürger. Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie bitte diesem Punkt, der Euro-Einführung in Litauen zum 1. Januar 2015, zu.

Vielen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3559460
Wahlperiode 18
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Epl 08, Epl 20 Finanzen, Bundesrechnungshof, Euro in Litauen
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