24.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt II.6

Ulla Schmidt - Epl 15 Gesundheit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Fremdschämen sage ich jetzt einmal nichts; denn jeder muss für sich selbst bewerten, wer sich für wen zu schämen hat.

Ich möchte denen, die uns jetzt zuhören, schon sehr deutlich machen: Wir befinden uns gerade in der abschließenden Beratung des Einzelplans des Bundesministeriums für Gesundheit. Es geht hier nicht darum, wer populistisch möglichst viele Themen abarbeiten und dadurch möglicherweise sogar noch Verwirrung stiften kann. Wenn es uns gemeinsam wirklich um die Menschen geht, die pflegebedürftig sind, um die Kinder und um all die Punkte, die gerade angesprochen worden sind, dann sollten gerade wir Haushälter mit Fakten argumentieren; alles andere machen unsere Fachkolleginnen und Fachkollegen in den Ausschüssen.

Ich habe meine Rede zur Einbringung dieses Einzelplans mit einem Zitat beendet. Dieses Zitat möchte ich gerne aufgreifen:

Seit dem 10. April haben wir, die Haushälterinnen und Haushälter, in der Tat gemeinsam mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen über unterschiedliche Themen beraten, etwa über den Pflegebereich. Was die Personalsituation im Ministerium angeht, haben wir erfahren – das haben wir gerade schon gehört –, dass es einen neuen Staatssekretär gibt. Wir haben über Querschnittsaufgaben, über internationale Zusammenarbeit, über die HIV-Stiftung, über Hebammen und auch über Kindergesundheit gesprochen.

Gerade als Haushälterin möchte ich erst einmal ein paar Eckdaten des Haushaltes nennen. Dieser Einzelplan umfasst insgesamt 11 Milliarden Euro. Es ist ein sehr großer Haushalt; er hat am Gesamthaushalt einen Anteil von rund 3,7 Prozent. Die Zahl, auf die es ankommt, ist die, über deren Verwendung wir entscheiden: 78,6 Millionen Euro, großzügig betrachtet 80 Millionen Euro. Über diese Summe reden wir jetzt gerade. Wir diskutieren über Prioritäten und überlegen, wie wir dieses Geld vernünftig ausgeben können.

Wie in allen anderen Etats auch gibt es in diesem Einzelplan Absenkungen. Zum Beispiel werden die Mittel für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit um 10 Prozent gesenkt. Ich denke, die noch zur Verfügung stehenden Mittel reichen absolut aus; denn dieses Haushaltsjahr umfasst nur noch ein halbes Jahr. Auch das muss deutlich gesagt werden: Es geht nicht um die Mittel für ein ganzes Haushaltsjahr. Insofern wird diese Absenkung unserem Minister kein bisschen wehtun.

Darüber hinaus haben wir für das Ministerium weitere fünf Stellen beschlossen, zwei zur Unterstützung der Reformprozesse in Griechenland. Dabei geht es um die Umsetzung unserer Erfahrungen mit unserem Gesundheitssystem. Man überlegt sich, inwieweit man das Beste von unserem Gesundheitssystem übernehmen will. Darüber hinaus ist eine Stelle beschlossen, um den WHO- Reformprozess nachhaltig und konstruktiv zu unterstützen. Außerdem ist eine Stelle zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in strukturschwachen Gebieten und im ländlichen Raum beschlossen. Das Ganze klingt zwar ein bisschen technokratisch, aber es gehört zur Haushaltsberatung dazu.

Jetzt möchte ich auf den Punkt Absenkung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds zu sprechen kommen. Ich habe der gesamten Debatte über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, sehr aufmerksam zugehört. Gegenstand der Diskussion war immer wieder die Frage, ob wir Steuern erhöhen oder Steuern senken sollen. Wir reden nicht über einzelne Wahlprogramme – dieses Thema ist seit dem 22. September 2013 durch –, sondern wir reden über einen gemeinsam beschlossenen Koalitionsvertrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Darin sind Eckpunkte unserer Politik beschrieben. Was nach dem September 2017 gemacht wird, ist eine andere Sache. Wir haben gemeinsame Ziele, und die setzen wir auch um.

Im Hinblick auf den Gesundheitsfonds wird immer wieder behauptet – auch hier heute Morgen –, wir plünderten die Rentenkassen und wir plünderten den Gesundheitsfonds. Bei der Einbringung dieses Haushalts hat mein Kollege Lauterbach den Gesundheitsfonds noch einmal erklärt. Wenn auch ich es jetzt machen würde, würden Sie von der Opposition seine Berechtigung sicherlich ebenfalls wieder abstreiten. Daher verweise ich einfach einmal auf die öffentliche Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz 2014. Der Vertreter des Bundesrechnungshofs, Dr. Elles, hat gesagt – ich zitiere –:

Das war vom Bundesrechnungshof. Dazu könnte man eventuell noch sagen: „Geschenkt!“, aber das trifft so nicht zu.

Professor Dr. Klaus-Dirk Henke von der Technischen Universität Berlin hat ausgeführt:

Er hat auch über das Thema der versicherungsfremden Leistungen gesprochen. Aber das müssen dann die Fachkolleginnen und Fachkollegen diskutieren. Es gibt andere Länder, die dazu eine klarere Festlegung haben als wir.

(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Ich maße mir nicht an, das zu bewerten. Ich bin Haushälterin. Das machen dann unsere Fachkolleginnen und Fachkollegen.

Ich kann noch jemanden zitieren, und zwar den Professor Dr. Ulrich von der Universität Bayreuth:

Da ist nämlich die Frage: Wie setzt sich der Gesundheitsfonds insgesamt zusammen?

Wir halten fest: Wegen der Absenkung des Bundeszuschusses in diesem Haushaltsjahr wird weder ein Beitrag erhöht noch ein Beitrag gesenkt. Wir haben eine klare Zielrichtung. Wir haben gesagt – darauf vertraue ich einfach einmal –, dass danach wieder mehr Mittel für den Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds bereitgestellt werden.

Über Pflege und Pflegebedürftigkeit haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen gesprochen. Da haben wir Wort gehalten. Für das, was in den ersten Schritten auf den Weg gebracht werden muss, stellen wir auch die entsprechenden Mittel bereit. Es ist gerade schon angesprochen worden, dass wir nun statt eines Beauftragten einen Staatssekretär mit entsprechendem Personal haben.

Inhalte. Es wird dringend Zeit, dass der Staatssekretär sich mit den Haushältern einmal zusammensetzt, um seine Vorschläge vorzustellen. Ich denke, das war bei den Haushaltsberatungen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit einfach nicht möglich.

Fazit. Im Haushalt spiegelt sich unsere Prioritätensetzung auf den Bereich Pflege deutlich wider. Wir werden die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Für die Verbesserung der Pflege stehen allein in unserem Haushalt – ich komme gleich noch darauf, warum ich sage „in unserem Haushalt“ – 5,4 Millionen Euro zur Verfügung.

Für die neue Pflegekampagne sind 3 Millionen Euro vorgesehen.

Das Thema Demenz ist sehr qualifiziert mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen der Fraktionen besprochen worden. Es wird einiges auf den Weg gebracht. Ich teile auch in diesem Fall nicht Ihre Auffassung.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die SPD bisher aber immer getan!)

Jetzt komme ich zu dem Punkt Querschnittsaufgaben, Maßnahmen, Finanzen. Da ist meine Erfahrung: Das ist ein spannendes Ministerium. Es gibt herausragende Themen. Davon sind alle Generationen betroffen. Große Herausforderungen, große Themen und große Aufgaben stehen vor uns. Dazu gebe ich den Kolleginnen und Kollegen den Hinweis: Querschnittsaufgaben im Bereich Pflege und Gesundheit werden auch bei der Kollegin Schwesig im Familienministerium wahrgenommen. Zu nennen sind hier weiter die Fachkräfteoffensive im Pflege- und Sozialbereich, die Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege – auch das ist ein ganz wichtiges Thema, wenn wir die Stärkung der Kommunen wollen –, die medizinische Rehabilitation, Entgeltersatzleistungen für Arbeitsuchende und insbesondere für befristet beschäftigte Schwangere, Leistungsverbesserungen für demenziell Erkrankte, Schnittstellen zum Bereich Bildung und Forschung. Das sind die Themen, die wir im Rahmen der Haushaltsberatungen benannt und analysiert haben. Sie müssen jetzt natürlich noch im Fachausschuss inhaltlich beraten werden.

Eines möchte ich noch hervorheben, und zwar den Bereich der Kindergesundheit. In diesem Haushalt wird diese Leerstelle wieder mit Geld gefüllt, mit 500 000 Euro. In vielen Bereichen – das ist schon angesprochen worden – geht es um den Gesundheitszustand insgesamt. Hier sollten wir in der Tat bei den Jüngsten anfangen. Im Haushalt 2014 stehen also 500 000 Euro für unterschiedliche Projekte zur Verfügung.

Gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Da gibt es zwölf weitere Maßnahmen. Für Aufklärung zur Organspende stellen wir 7,5 Millionen Euro ein, für die Aufklärungskampagne zur Steigerung der Durchimpfung 3 Millionen Euro und für die Kampagne zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen 2,1 Millionen Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt komme ich noch einmal zum Thema Organspende. Die Aufstockung der Mittel für die Aufklärung zur Organspende geschieht vor dem Hintergrund, dass in dem Bereich unverantwortlich gehandelt wurde. Es sind nicht alle Ärzte und schon gar nicht alle Krankenhäuser betroffen, aber schon die einzelnen Fälle, die Verhaltensweisen einzelner Verwaltungschefs haben möglicherweise dazu geführt, dass die Menschen den Organspendeausweis zwar ausfüllen, aber das Kreuz nicht an der richtigen Stelle machen. Insofern haben wir wie folgt entschieden: Um gerade diesem Missstand, diesem Missbrauch und diesen Fehlentscheidungen, die da getroffen worden sind – es ist ein Skandal; ich nenne es auch so –, zu begegnen, wollen wir die Mittel für die Kampagne aufstocken und in der Bevölkerung noch einmal dafür werben, dass wieder in stärkerem Maße Organspendebereitschaft erklärt wird.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Frage der Kontrolle und Transparenz!)

Jetzt spreche ich die Haftung an; unabgestimmt, aber in anderen Bereichen reden wir auch über Haftungsfragen. Wenn der einzelne Arzt oder einzelne Krankenhausleitungen so unverantwortlich handeln, muss man darüber nachdenken, ob in diesem Fall die gesamtgesellschaftliche Haftung greift. Es kann nicht sein, dass wir noch einmal so viel Geld investieren, um solche Dinge auszumerzen.

Über die Bekämpfung von Aids haben wir schon gesprochen. Frau Professor Pott von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat uns in den Gesprächen noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wichtig im Bereich Aids die Aufklärung ist. Die Infektionszahlen gehen zwar zurück, aber trotzdem muss in diesem Bereich eine ganze Menge investiert werden. Bei den Drogen ist es ähnlich. Es entstehen immer wieder neue Drogen, gerade in Grenzregionen. Wir werden auf das Thema eingehen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“. Wenn wir Haushälter nicht so darauf gedrungen hätten, dass bereits im Haushalt 2014 wieder Gelder bereitgestellt werden, dann wäre dieser Titel nicht mehr aufgetaucht. Es kann einfach nicht sein, von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr Mittel einzustellen, sondern es muss eine gesellschaftspolitische Verpflichtung sein, ein ganz klares Ja zu sagen. Die 400 Betroffenen, die zurzeit noch leben, müssen sich auf unsere Aussage verlassen können. Wir haben 10 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Aber die fortfolgenden Jahre nach 2017 müssen angegangen werden. Daran müssen wir arbeiten.

Zum Thema Hebammen. Für mich ist wichtig, dass die Frauen, die werdenden Mütter, die Familien, die Väter, die Eltern entscheiden können, welche Hebamme sie wollen. Ich möchte als Politikerin kein Bindeglied zwischen Arzt, Krankenkassen, Versicherungen und der Hebamme sein. Ich möchte politisch entscheiden. Das heißt, ich möchte den betroffenen Frauen die Möglichkeit geben, sich für eine Hebamme entscheiden zu können.

Ich bedanke mich bei allen ganz herzlich, den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern, bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wir für 2014 einen guten und runden Haushalt eingebracht haben. Insbesondere bedanke ich mich bei meinem Kollegen Herrn Blienert und meiner Kollegin Hilde Mattheis.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin normalerweise sehr großzügig, aber ich werde im weiteren Verlauf der Debatte stark auf die Einhaltung der Zeit achten müssen; denn wir haben Sondersitzungen der Fraktionen vereinbart. Sonst verschiebt sich alles nach hinten.

Nächster Redner in der Debatte ist für die Bundesregierung der Minister Hermann Gröhe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3559962
Wahlperiode 18
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Epl 15 Gesundheit
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