Jens SpahnCDU/CSU - Epl 15 Gesundheit
Frau Präsidentin! Irgendwie schaffen Sie es ja immer, den Gesundheitsdebatten vorzusitzen. Ich weiß nicht, ob das in Reminiszenz an alte Zeiten ist,
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie weiß wenigstens, worum es geht!)
aber wir freuen uns sehr darüber.
Alles Zufall oder irgendwelche dunklen Mächte.
Ich glaube, jede Gesundheitsdebatte dieser Legislaturperiode war bisher von Ihnen präsidiert. Es freut uns natürlich sehr, dass Sie uns dabei begleiten.
Frau Kollegin, Sie haben gerade gesagt, Ihnen ginge das alles zu langsam.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich fragte, ob überhaupt was geht!)
Ich glaube, Sie sollten einmal einen Strich unter die ersten sechs Monate ziehen und sich ansehen, was wir in der Gesundheitspolitik – übrigens in einer seltenen Einigkeit im Vergleich zu den letzten Legislaturperioden – geschafft haben, umzusetzen. Das reicht von der Pharmaspargesetzgebung, die schon erwähnt wurde, über eine neue Systematik in der GKV-Finanzierung, die einerseits den Wettbewerb sicherstellt, gleichzeitig aber auch eine jahrelange alte Auseinandersetzung, die es hier im Haus gegeben hat, befriedet, bis hin zu dem, was wir gerade zur Pflege vorliegen haben, und zu den Planungen zum Versorgungsgesetz und zum Präventionsgesetz in der zweiten Jahreshälfte.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder ein neues Datum: zweite Jahreshälfte!)
Wenn man sich dies ansieht, kann man, glaube ich, mit Fug und Recht sagen: Gesundheitspolitik ist zu Beginn einer Legislaturperiode noch nie so inhaltstief, so konstruktiv und mit so vielen guten Ergebnissen in wenigen Monaten gemacht worden, wie es in den letzten Monaten gelungen ist. Es mag Ihnen schwerfallen, das anzuerkennen. Aber ich glaube, unter dem Strich kann man das so sagen. Wir sind auch ein Stück weit stolz darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn man sich die Situation der gesetzlichen Krankenversicherung anschaut, muss man sagen: Sie steht allen Unkenrufen zum Trotz gut da. Das hat in finanzieller Hinsicht natürlich mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung zu tun; das gilt auch für die anderen sozialen Sicherungssysteme und für den Bundeshaushalt. Es hat aber auch damit zu tun – das vergisst der eine oder andere –, dass wir in den Jahren 2010 und 2011 einen harten Sparkurs gefahren haben, der den Beschäftigten im Gesundheitswesen eine Menge abverlangt hat. Aber dadurch ist es – im Verbund mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung – gelungen, von einem drohenden großen Defizit im Jahr 2010 in eine Situation zu kommen, die wir in den sozialen Sicherungssystemen über Jahrzehnte nicht hatten: dass wir Überschüsse und Rücklagen zu verzeichnen haben.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind alles Gelder der Versicherten!)
Rücklagen sind die beste Vorsorge für eine gute Versorgung in der Zukunft. Deswegen freue ich mich erst einmal darüber, dass wir Rücklagen haben und dass die gesetzliche Krankenversicherung gut dasteht.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das denn bezahlt?)
Da hilft das Schlechtreden, das Sie gerade an den Tag gelegt haben, nicht. Ich glaube, die Menschen spüren, dass es der gesetzlichen Krankenversicherung gerade gut geht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Gelder der Versicherten!)
Das eröffnet im Übrigen die Möglichkeit, den Bundeszuschuss in diesem Jahr zu kürzen. Es macht doch auch wenig Sinn, in der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds weitere Rücklagen aufzubauen, die wir kaum sinnvoll anlegen können, während gleichzeitig der Bundesminister der Finanzen Schulden machen müsste, um den Bundeszuschuss zu finanzieren.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eine zahlt der Versicherte, das andere zahlt der Steuerzahler!)
Es macht doch mehr Sinn, die Liquiditätsreserve in dieser Situation ein Stück weit zu reduzieren, um in späteren Jahren – das ist ja gelungen und im Bundeshaushalt schon festgeschrieben – einen höheren Bundeszuschuss zu haben. Das ist vernünftig; das wissen Sie. Sonst bitte ich Sie – das gilt auch für Sie, Herr Weinberg –, sich noch einmal intensiv mit den Mechanismen des Gesundheitsfonds auseinanderzusetzen. Die Höhe der Liquiditätsreserve hat mit der Entwicklung der Beitragssätze nichts zu tun. Es können in Anhörungen noch so viele Sachverständige erzählen, was sie wollen; es wird dadurch nicht richtiger. Die Liquiditätsreserve hat nichts damit zu tun. Maßgeblich für die Höhe des Beitragssatzes ist ausschließlich die jährliche Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben. Bitte lernen Sie endlich, diese Unterscheidung vorzunehmen! Denn das führt sonst zu einer unnötigen Verwirrung in der öffentlichen Debatte, oder es wird populistisch genutzt. Das macht es aber auch nicht besser.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das wollen die doch! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den § 221! Da steht drin, wofür das Geld da ist! Das ist keine Konjunkturspritze! Das gehört den Versicherten!)
Wir nutzen die gute finanzielle Situation, um den Versorgungsaspekt stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Natürlich interessieren sich viele Menschen für die Frage: Wie wird die gesetzliche Krankenversicherung finanziert? Aber mindestens genauso sehr beschäftigt die allermeisten die Fragen: Habe ich eigentlich noch einen Hausarzt vor Ort? Wie lange muss ich auf einen Facharzttermin warten? Wie ist es um die Hygiene im Krankenhaus bestellt? Was ist, wenn ich an einem Freitagnachmittag aus dem Krankenhaus entlassen werde, sich aber niemand so recht darum gekümmert hat, wie es mit der Medikation weitergeht oder ob eine häusliche Krankenhilfe benötigt wird?
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und was machen Sie in dem Bereich? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War eigentlich die CDU die letzten vier Jahre nicht auch an der Regierung?)
Wir haben mit dem Versorgungsgesetz schon in der letzten Legislatur wichtige Akzente gesetzt. Wir haben auch im Koalitionsvertrag vereinbart – diese Debatte wird nach der Verabschiedung des Finanzgesetzes pünktlich nach der Sommerpause beginnen –: Wir wollen die Versorgungsthemen in den Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Debatte rücken. Dabei geht es um die Fragen: Wie erleben Patienten den Versorgungsalltag? Wie können wir diesen ganz konkret verbessern? Ich lade Sie herzlich ein, dabei konstruktiv mitzumachen. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie fackeln das jetzt gerade ab! Darum geht es doch!)
Ich glaube, auch das spüren die Menschen; nicht umsonst will jeder, der im Ausland erkrankt, so schnell wie möglich zurück nach Deutschland. Aber auch im besten Gesundheitssystem der Welt gibt es noch Verbesserungsbedarf.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem dann, wenn man an die Zukunft denkt! Aber daran denken Sie ja nicht!)
Wir nutzen die gute finanzielle Lage, um das anzugehen und den Patientenalltag konkret zu verbessern. Sie sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, nämlich zu der Frage: Wie geht die finanzielle Entwicklung weiter? Das eine Thema sind die Versorgungsthemen; dabei geht es um die Patientensicht. Bei dem anderen Thema geht es darum, dass wir absehen können – auch das gehört zur Wahrheit dazu, ohne Zweifel –, dass die Ausgaben stetig stärker steigen als die Einnahmen; das ist schon seit einigen Jahren so, wird durch die gute wirtschaftliche Entwicklung aber etwas überlagert. Deshalb werden wir ab 2015/2016 natürlich wieder über steigende Beitragssätze und im Zweifel auch über zu deckende Defizite reden müssen. Da sollten wir uns nichts vormachen; damit müssen wir umgehen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Und wer zahlt es?)
Kluge Politik nutzt die guten Zeiten, um über Strukturen zu reden, damit man nicht wieder die klassischen Spargesetze alter Art auf den Weg bringen muss. Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz haben wir schon in der letzten Legislatur wichtige strukturelle Veränderungen bei der Arzneimittelpreisfindung vorgenommen. Für Arzneimittel werden in Deutschland keine Mondpreise mehr gezahlt; höhere Preise werden nur noch für tatsächlich bessere Arzneimittel erstattet. Das ist eine wichtige Strukturveränderung.
Jetzt muss es gelingen – es ist uns natürlich bewusst, dass das unendlich viel schwerer ist, weil das noch einmal ganz anders in die Versorgung eingreift –, dass Bund und Länder über die Krankenhausstruktur in Deutschland reden und die Fragen klären: Was ist für eine flächendeckende Versorgung nötig? Was muss erreichbar sein in der Fläche? Wie stellen wir das sicher? Und: Wie ist die Abstufung – bis hin zur Universitätsmedizin – in den gemeinsamen Verbünden: Wer muss was machen, und was muss wie vorgehalten werden zusammen mit den Ländern? Wir wissen, dass das eine große, eine schwierige Debatte wird. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie weit es gelingen kann, sie grundsätzlich zu gestalten.
Eines ist jedenfalls sicher: Wer nicht irgendwann Spargesetze klassischer Art machen will, muss jetzt bereit sein, grundsätzlich über die Strukturen der Gesundheitsversorgung zu reden, stationär wie ambulant sowie im Zusammenspiel der beiden Systeme.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir schon seit zehn Jahren! Hinter Ihnen sitzt der beste Beweis: Die Frau Vizepräsidentin hat doch auch schon davon gesprochen!)
Wir als Koalition sind jedenfalls bereit dazu. Wir laden die Ländern herzlich ein, mit uns darüber zu reden. Wir laden Sie ebenfalls dazu ein. Auch da arbeiten wir ganz konkret: In der nächsten Woche wird die Runde mit den Ländern zum zweiten Mal tagen. Auch da wäre es gut, wenn weniger genörgelt würde und mehr konstruktiv mitgemacht würde; das wäre, glaube ich, ein guter Ansatz.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drehen Sie sich mal um! Seit wie vielen Jahren wird das diskutiert!)
Das bringt mich abschließend noch einmal konkret zum Bundeshaushalt. Ich möchte zum Ersten ganz herzlich dafür danken, auch als Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV- infizierte Personen“, dass es – darauf ist schon hingewiesen worden – in den Haushaltsberatungen gelungen ist, die 10 Millionen Euro, die wir brauchen, um die Stiftung erst einmal bis 2017 zu finanzieren, tatsächlich sicherzustellen.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Glück!)
Gott sei Dank leben HIV-infizierte Menschen mittlerweile länger, als man damals angenommen hat. Um die Leistungen sicherzustellen, braucht es eine entsprechende Finanzierung. Jetzt sind wir alle gemeinsam gefordert, für die Zeit nach 2017 gemeinsam mit den Pharmaunternehmen und den Blutspendediensten und den Ländern eine Anschlusslösung zu finden, damit wir diese Stiftung dauerhaft finanzieren können. Auch da möchte ich Sie alle herzlich einladen, mitzuwirken. Die Debatte wird noch schwer genug. Aber ich bin sehr froh und dankbar, dass es gelungen ist, erst einmal bis 2017 Sicherheit für die Betroffenen, die auf diese Renten angewiesen sind, herzustellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir alle einig!)
Das bringt mich abschließend noch einmal zu den Linken. Es ist wie immer bei Ihnen: Im Himmel ist Jahrmarkt. Sie legen hier Anträge vor, die mal eben 3 Milliarden Euro Mehrausgaben mit sich brächten. Keinen einzigen Satz, nicht einmal einen Nebensatz, verschwenden Sie darauf, wie das finanziert werden soll.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)
– Ich sehe in den beiden Anträgen, die Sie hier zur Abstimmung vorgelegt haben, keinen einzigen Nebensatz zur Finanzierung.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wider besseres Wissen reden Sie! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie sagen nicht die Wahrheit! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das sagen Sie jedes Mal! Jedes Mal stimmt es nicht!)
Sie fordern mal wieder, dass der Bund für die Länder einspringt. Es ist ja auch bemerkenswert, dass Ihrer Meinung nach der Bund ständig, immer wieder aufs Neue, Landesaufgaben einfach übernehmen soll.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Das ist natürlich die einfachste Lösung. Sie versprechen mit wohlfeilen Worten zusätzliche Gelder – da nickt erst mal jeder –, aber sagen am Ende nicht, wer das bezahlen soll.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist kreative Buchführung!)
Das ist Haushaltspolitik, die in die Irre führt. Was nützt es, vorzugaukeln, was man alles Schönes machen könnte?
Wir machen solide Finanzpolitik in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der gesetzlichen Pflegeversicherung und im Bundeshaushalt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir versprechen nicht mehr, als wir halten können; aber das, was wir machen, machen wir dann auch gut. Das unterscheidet uns deutlich von Ihnen. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum wir hier regieren und Sie hier in der Opposition sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Edgar Franke, SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3561727 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Epl 15 Gesundheit |