24.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt II.7

Marcus WeinbergCDU/CSU - Epl 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Wunderlich telefoniert. Lieber geschätzter Kollege Wunderlich, ich komme noch einmal zu der Sache mit dem Kinderzuschlag zurück, auch wenn ich gefühlt der 27. Redner bin, der das korrigiert.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann muss es ja gesessen haben!)

Ganz im Sinne von Oscar Wilde, den Sie so gerne zitieren, sage ich: „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.“ Da das Thema vom Tisch ist und die Angelegenheit bereinigt ist, bitte ich Sie: Wir sollten nicht verschiedene Dinge miteinander vermischen, die nichts miteinander zu tun haben.

Ich will in meiner Rede darauf hinweisen, dass der Anfang der Haushaltsberatungen immer eine gute Gelegenheit bietet, sehr konkret zu definieren: Worin investiert man, und wo setzt man politische Schwerpunkte? Es ist auch immer so, dass eine Haushaltsberatung insgesamt dazu dient, zu überlegen: Was ist eigentlich die Philosophie, möglicherweise sogar der gute Geist einer Koalition, wenn es um die Frage geht, wie Familienpolitik aussehen sollte? Nadine Schön hat schon viel dazu gesagt, was uns bei der Entwicklung von familienpolitischen Maßnahmen in den nächsten Jahren prägt.

Ich möchte ihre Ausführungen gerne noch um drei Punkte ergänzen. Der erste Punkt ist das Thema Wahlfreiheit. Wir sehen, dass Familien und Betroffene für sich in einer verstärkten Form von Wahlfreiheit entscheiden müssen, was die richtigen Mittel oder Möglichkeiten sind. Der zweite Punkt betrifft die Chancengerechtigkeit auf mehreren Ebenen. Es geht um die Frage des Einkommens, um die Rolle von Mann und Frau sowie inzwischen auch um die Frage von Jung und Alt und darum, hier einen Ausgleich zu schaffen. Der dritte Punkt ist die immer häufiger in unserer Gesellschaft geführte Diskussion, im Zusammenhang mit Familienbildern die Lebensqualität zu stärken. Diese Lebensqualität hängt von folgendem Dreieck der Familienpolitik ab: finanzielle Leistung auf der einen Seite, Infrastrukturmaßnahmen auf der anderen Seite und Zeitmanagement auf der dritten Ebene.

Ich möchte die Grünen, weil sie mehrfach die finanziellen Leistungen dieser Bundesregierung kritisiert haben, daran erinnern – ich erwähne es mittlerweile ungern –: Wir haben den Etat im Bereich der Familienpolitik im Vergleich zum letzten rot-grünen Etat, an dem Sie beteiligt waren, um über 76 Prozent gesteigert. Es ist ein deutliches Signal der letzten Jahre gewesen, dass in Familien investiert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])

Es gilt, bei den Grundlagen zu sehen, dass sich Familienbilder und Leitbilder natürlich verändern. Es wird unsere Aufgabe sein, in der Zukunft diese veränderten Familienbilder verstärkt anzuerkennen. Ich meine damit, die Vielfalt bedarfsgerecht zu unterstützen und dabei Vertrauen zu haben, dass die Familien, wenn sie die Wahl haben, am besten wissen, was sie zu tun haben und welche Leistungen sie in Anspruch nehmen können, und dabei den Eltern nichts vorzuschreiben, also diesen Bereich zu entideologisieren. Jahrzehntelang haben wir genau das gemacht, nämlich ideologisiert. Diese Zeit muss vorbei sein. Vielmehr muss die Anerkennung der Freiheit ganz oben auf unserer Agenda stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt dann auch, dass Familienleistungen zu überprüfen sind. Da Familienleistungen in bestimmten Jahrzehnten unter gewissen gesellschaftlichen Bedingungen entwickelt wurden, wird man immer wieder überprüfen müssen: Sind sie noch aktuell? Helfen sie noch da, wo sie helfen sollen? Das werden wir tun. All das müssen wir aber auch unter dem Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung sehen, das ein Grundziel ist. Nadine Schön hat es deutlich gemacht: Unter dem Strich ist das Wichtigste für die nachfolgende Generation, für unsere Kinder, dass wir ihnen so wenig Schulden wie möglich hinterlassen; denn sie sind diejenigen, die diese Schulden begleichen müssen. Diese Last sollten wir ihnen nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sich die familienpolitischen Maßnahmen von heute und der nächsten Jahre anschaut, dann ist es wichtig, nicht nur zu überlegen, was wir in der Politik wollen, sondern die Frage ist: Was sind die Wünsche und Erfordernisse, die von Familien definiert werden? Wenn man sich die TOP 4 der Erwartungen von Eltern an die Familienpolitik ansieht, dann stellt man fest, dass sich in den letzten Jahren nicht viel verändert hat, obwohl bereits viel passiert ist. Es sind die Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Ausbau von Krippenplätzen, Stärkung junger Familien und Schaffung besserer Bildungschancen, gerade für Kinder bedürftiger Familien. Das ist auch unser Ansatz, unsere rote Linie, die sich seit vielen Jahren durch unsere Familienpolitik zieht.

Eines ist hinzugekommen und wird sich im Laufe der nächsten Jahre noch verstärken – das bildet dieser Haushalt ab; es wird in den nächsten Jahren noch stärker abgebildet werden –: Das ist der Wunsch vieler Mütter und Väter, gemeinsam und partnerschaftlich Erwerbstätigkeit und Familienarbeit zusammenzubringen. Das ist auch unser Ansinnen in der Politik. Wir sehen, dass mehr junge Väter mehr Zeit mit Kindern verbringen wollen, dass aber auch mehr junge Mütter wieder verstärkt arbeiten wollen. Danach hat sich die Politik auszurichten. Das machen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der erste Schritt war, zu sagen: Das Elterngeld ist die richtige Maßnahme. Jetzt kommt der zweite Schritt, indem wir sagen: Diese Maßnahme muss mit dem ElterngeldPlus noch verstärkt werden. Insbesondere der Wunsch nach mehr Partnerschaftlichkeit wird sich in den Maßnahmen der Politik abbilden.

Wenn ich von dem Dreieck Infrastruktur, Geld und Zeitmanagement spreche, dann kann man mit Blick auf den Haushalt erstens feststellen, dass beim Krippenausbau Enormes geleistet worden ist. Es wurden 5,4 Milliarden Euro für mittlerweile über 800 000 Betreuungsplätze bereitgestellt. Das betraf den Rechtsanspruch ab 1. August 2013. Jahrelang von der Opposition belächelt, hat es geklappt. Jetzt wird man schauen, wie der weitere Bedarf ist, und dann wird man Lösungen finden – das ist eine klare Zusage –, wie dieser weitere Bedarf abgebildet wird.

Dazu bekommen die Länder bis jetzt noch einmal 845 Millionen Euro für die Betriebskosten, und ab 2017 kommen noch einmal 100 Millionen Euro hinzu.

Damit ist auch verbunden, dass die Länder gerade bei dem Gesichtspunkt der Qualitätssteigerung in der Verantwortung stehen. Denn es ist so, dass, wenn wir ab 2017 diese Mittel in Höhe von jährlich fast 1 Milliarde Euro bereitstellen, damit die Erwartung verbunden ist, dass uns die Länder dann auch deutlich signalisieren, dass Qualitätssteigerungen angestrebt werden.

Der zweite Punkt ist die Einführung des Elterngeldes; dafür wurden mittlerweile im Etat 2014 deutlich über 5 Milliarden Euro veranschlagt. Es ist also ein Erfolgsmodell, das angenommen wurde und deshalb auch entsprechend ausgebaut wird.

Drittens will ich noch einmal die Schwerpunktkitas Sprache ansprechen. Hierfür sind im Jahr 2014 126 Millionen Euro eingestellt worden. Gerade auch im Hinblick auf das Thema Bildungschancen – das ist ja immer Ihr Thema – haben viele Maßnahmen der Vergangenheit gut gewirkt – übrigens nicht nur im Bereich der Familie, sondern auch im Bereich der Bildung. Ich habe hierzu noch das „Haus der kleinen Forscher“ und Ähnliches im Kopf. Wer das erlebt hat, weiß, dass Bildungsimplikationen mehr und mehr an Bedeutung gewonnen haben und auch ausgeweitet wurden.

Der Bundesfreiwilligendienst und die Mehrgenerationenhäuser sind bereits angesprochen worden und werden noch einmal angesprochen werden. Dies sind wichtige Themen genauso wie das Thema Familienpflegezeit, wofür 1,1 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Auch hier werden wir uns darauf einstellen müssen, dass wir in fünf oder in zehn Jahren über ganz andere Summen und Maßnahmen sprechen werden, um dies abzufedern und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken.

Fazit für den Haushalt 2014: Sicherung, Bewahrung und Verstetigung von guten Maßnahmen der letzten Jahre. Diese werden fortgeführt, verstetigt und an der einen und an der anderen Stelle neu justiert.

Noch ein Ausblick auf 2015. Das Thema Flexibilisierung der Elternzeit ist angesprochen worden. Ich freue mich, dass die Grünen da mit an unserer Seite stehen, wenn es darum geht, dass dies ein wichtiges Thema ist. Nun kann man lange darüber reden, das noch flexibler zu gestalten. Ich meine aber, familienpolitische Maßnahmen müssen auch im Einvernehmen mit der Wirtschaft, insbesondere mit dem Mittelstand, entwickelt werden. Wir haben nichts davon, wenn wir versuchen, Themen nur über gesetzliche Grundlagen durchzusetzen, sondern es muss ein Einvernehmen geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn mittelständische Betriebe das so akzeptieren, ist es übrigens auch in deren Sinne; denn diese haben ja ein Interesse an Fachkräften und auch ein Interesse daran, dass zum Beispiel aus Teilzeit wieder Vollzeit wird. Insoweit gibt es da eine sogenannte Win-win-Situation für beide Seiten. Das ElterngeldPlus verbessert die Kombination von Teilzeit und Elterngeld. Über diese Flexibilisierung wollen wir dazu kommen, dass die Familien wirklich sehr individuell abbilden können, was sie sich wünschen – auch mit dem Partnerschaftsbonus.

Als entscheidendes Kriterium bzw. als Überbau muss für uns gelten: Wir wollen eine familiengerechte Arbeitswelt statt einer arbeitsgerechten Familie. Das heißt, der Ansatz muss immer sein, dass Familie das ist, was uns prägt, auch wenn sich die traditionellen Familienbilder verändert haben. Auch wenn es dort neue Justierungen und neue Veränderungen gibt, ist es so, dass sich die Arbeitswelt auch nach der Familie ausrichten muss. Deswegen wird man genau überlegen, welche Rechtsansprüche es gibt. Ich nenne beispielsweise die Rückkehr in Vollzeit nach Teilzeit. Wir müssen sehen, welche familienpolitischen Maßnahmen wir überprüfen müssen.

Ich glaube, es wird notwendig, die familienpolitischen Leistungen noch stärker zu bündeln und strategisch noch besser aufzustellen, auch unter Effizienzgesichtspunkten, also unter dem Kriterium, welcher Euro eigentlich für die Familien, für die Gesellschaft – auch unter dem Gesichtspunkt von Bildungsimplikationen – welchen Mehrwert hat. Das wird in den nächsten Jahren eine Aufgabe sein.

Das Zweite wird sein, noch stärker die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe zu akzeptieren und durch konkrete Maßnahmen zu unterstützen. Die Situation von Alleinerziehenden ist noch nicht gelöst. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung dazu geäußert; das wird noch ein Thema sein, das auf der Agenda steht.

Insoweit, glaube ich, haben wir mit dem Haushalt 2014 in konsequenter Art und Weise das fortentwickelt und weiter ausgebaut, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Jetzt möchte ich ein zweites Mal Oscar Wilde – Sie zitieren ihn ja immer so gern – zitieren: Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Danke!)

In diesem Sinne einen schönen Restabend.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das wird aber ein schöner Abend!)

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Stefan Schwartze das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3562064
Wahlperiode 18
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Epl 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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