Johann SaathoffSPD - Epl 10 Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Frau Mortler, Sie haben für eine Premiere in meinem Leben gesorgt. Es ist allererste Mal in meinem Leben, dass mir jemand zum Namenstag gratuliert. Ganz herzlichen Dank dafür!
(Beifall)
Ich gebe offen und frei zu: Ich habe gar nicht gewusst, dass er heute ist.
(Heiterkeit – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Da geben wir dir gerne Nachhilfeunterricht!)
Das macht Frau Mortler ab jetzt jedes Jahr; dann werden Sie sich daran gewöhnen.
Danke, Herr Präsident.
Es gibt in der Landwirtschaftspolitik viel zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. An erster Stelle steht als zentrale Zukunftsaufgabe aus meiner Sicht ganz klar die Entwicklung der ländlichen Räume.
Die SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt sich schon seit einigen Jahren intensiv mit der Entwicklung der ländlichen Räume. Unter der Federführung meines Kollegen Willi Brase
(Beifall bei der SPD)
haben wir Sozialdemokraten vor kurzem hier im Deutschen Bundestag eine Konferenz zu diesem Thema durchgeführt.
Wir sind uns alle einig, dass die Wichtigkeit der ländlichen Entwicklung deutlich stärker als bisher betont werden muss. Aus meiner Sicht ist es bei der Entwicklung der ländlichen Räume auch notwendig, das parlamentarische Bewusstsein für diese Problematik zu stärken. Die Mehrheit der Parlamentarier lebt nämlich im Gegensatz zur Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht im ländlichen Raum und erlebt somit dessen Entwicklung und dessen Probleme nicht am eigenen Leibe.
(Beifall bei der SPD)
Schulen, Arztpraxen, Dorfläden sterben. Die ländlichen Regionen verlieren zunehmend Einwohner, die sie eigentlich tragen sollen. Ich war vor meiner Wahl in den Deutschen Bundestag über zehn Jahre hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Krummhörn. Das ist ländlicher Raum, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie er im Buche steht. Von den 19 Ortschaften der Gemeinde sind mittlerweile 11 ohne jegliches Gewerbe. Jedes Jahr verloren wir deutlich Einwohner, und die Geburtenzahlen haben sich in diesen zehn Jahren fast halbiert. Die immensen Investitionen in die Dorferneuerung schienen ohne Dorfbewohner ihren Sinn zu verlieren. Es war deutlich zu erkennen, dass die Menschen ihrem Arbeitsplatz hinterherziehen – eine Folge der drastisch gestiegenen Mobilitätskosten. Außerdem suchen sie die Nähe zu Geschäften, Schulen, Kindertagesstätten und Freizeiteinrichtungen.
Aus dieser Erfahrung heraus halte ich es für unabdingbar, dass es uns mit einem Maßnahmenplan zur Reattraktivierung des ländlichen Raums gelingt, dort auch wieder Wertschöpfung stattfinden zu lassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Wir müssen uns verabschieden von der reinen Produktion landwirtschaftlicher Produkte; stattdessen muss zur Produktion die Veredelung der Produkte kommen. Hierbei geht es vor allem um regionale Produkte, die wieder zu identifizieren, herzustellen und zu vermarkten sind. Regionalität als Marke ist – insbesondere im Tourismus – noch nicht ausreichend erkannt. Vor allem ist Regionalität nicht beliebig kopierbar.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wenn über regionale Wertschöpfung wieder Arbeitsplätze im ländlichen Raum entstehen, wird das dazu führen, dass wieder vermehrt Menschen auf dem Land wohnen wollen.
Als zweites Element werden wir die Dorferneuerung als reines Programm für den Tiefbau umwandeln müssen in eine Art soziale Dorferneuerung,
(Beifall bei der SPD)
die zum Ziel hat, Initiativen und Projekte des sozialen Miteinanders und des sozialen Zusammenhaltes zu fördern. Ich denke da nicht nur an Dorfgemeinschaftshäuser, sondern auch an Dorfläden und soziale Hilfseinrichtungen wie Dorf- oder Gemeindekümmerer. Den Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss geholfen werden, wenn sie erkennen, dass die Lebensbedingungen im ländlichen Raum durch Solidarisierung gehalten und verbessert werden können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Um das zu schaffen, möchte die Koalition die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ perspektivisch zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ weiterentwickeln. Für meine Heimat Ostfriesland ist das – wie für viele andere Regionen in Deutschland auch – ein wichtiges Thema. Zum einen halte ich es nicht nur, aber auch als Deichrichter der Deichacht Krummhörn für unbedingt erforderlich, dass die Mittel für den Küstenschutz trotz der Erweiterung um den Hochwasserschutz für Flüsse und trotz der Erweiterung um die Entwicklung ländlicher Räume in unverminderter Höhe erhalten bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Küstenschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat nicht ohne Grund Verfassungsrang. Ich kann mir vorstellen, dass sich der ein oder andere alpin sozialisierte Abgeordnete
(Heiterkeit bei der SPD)
manchmal fragt, ob die Mittel für den Küstenschutz in dieser Höhe und in dieser Kontinuität erforderlich sind.
(Rainer Spiering [SPD]: Sind sie!)
„Beter düür, as neet to kopen“ ist hier die ostfriesische Devise.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ach?)
Denn die Vernachlässigung des Küstenschutzes – das lehrt uns die Geschichte und das zeigen uns Beispiele aus anderen Ländern – ist nicht billiger, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vernachlässigung ist unbezahlbar.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Ende vergangenen Jahres fegte Orkan „Xaver“ über die Nordsee. Die Flutlinie war genauso hoch wie 1962. Den stetigen Küstenschutzmaßnahmen ist es zu verdanken, dass ein solcher Orkan heute keine Katastrophe mehr zur Folge hat.
Künftig werden wir auch den präventiven Hochwasserschutz mit einem Sonderrahmenplan absichern; dieser soll bereits im Haushalt 2015 berücksichtigt werden. Die zuständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird im Herbst tagen; dann können Entscheidungen zu Maßnahmen und Mitteln getroffen werden.
Hier sollen in den nächsten Jahrzehnten Flussauen renaturiert, Polder angelegt und weitere Schritte zur Erreichung der Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie getan werden, die auch Prävention beim Hochwasserschutz bedeuten. Eines ist auch hier klar: Vorsorgemaßnahmen kommen uns volkswirtschaftlich wesentlich günstiger als Hochwasserschäden ohne präventive Maßnahmen.
Im Herbst werden wir dann weitere Schritte zur Umsetzung der GAP in Deutschland gehen. Außerdem werden wir uns mit der Hofabgabeklausel beschäftigen, wie wir heute schon mehrfach gehört haben. Wir müssen dabei die agrarstrukturelle Wirkung der Verpflichtung zur Hofabgabe genau betrachten. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Verpflichtung zur Hofabgabe zur Erlangung der verdienten Rente heute noch zeitgemäß ist.
Sie sehen also: Die Koalition hat noch einiges vor.
Das gilt auch für den Bereich der Eiweißpflanzen. Wir bekommen mit der Eiweißpflanzenstrategie 3 Millionen Euro zusätzlich für den ökologischen Landbau. Das ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und darf an dieser Stelle ruhig einmal erwähnt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sojabohnen, Lupinen und Erbsen bereichern die Fruchtfolge, fördern die Bodenfruchtbarkeit und tragen insgesamt zur biologischen Vielfalt bei. Aus SPD-Sicht möchte ich auch noch ergänzen, dass es sich dabei nicht um gentechnisch veränderte Pflanzen handelt, sondern im Gegenteil: Das ist ein erster Schritt zu mehr Unabhängigkeit von Futtermittelimporten und gentechnisch veränderten Pflanzen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])
Wir werden die Forschung in den Bereichen Bodenstruktur, Pflanzengesundheit und Nährstoffversorgung sowie andere landwirtschaftliche Fachfragen weiter voranbringen. Damit unterstützen wir eine Strategie, die mit der Entkopplung der Direktzahlungen begonnen hat und langfristig den Erhalt öffentlicher Gelder vollständig an die Erbringung öffentlicher Leistungen koppelt.
(Beifall bei der SPD)
Im Rahmen des Direktzahlungs-Durchführungsgesetzes haben wir ja gerade eine Mittelumschichtung in die zweite Säule, die Ausweisung ökologischer Vorrangflächen, den Erhalt von Dauergrünland und die Besserstellung kleinerer Betriebe beschlossen. Jetzt wollen wir mit der Eiweißpflanzenstrategie einen weiteren wichtigen Schritt machen.
Wie ich schon sagte: Es gibt viel zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Packen wir es an!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3562279 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Epl 10 Ernährung und Landwirtschaft |