Volker KauderCDU/CSU - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich zunächst einmal ausdrücklich bei unserem Bundestagspräsidenten dafür bedanken, dass er klargestellt hat, was unser Bundespräsident gesagt hat und was nicht. Ich möchte Thomas Oppermann zustimmen, der sagte, dass die Art und Weise, wie die Linke mit solchen Themen umgeht, nicht akzeptabel ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Gysi, da muss ich Sie auch persönlich ansprechen. Es geht nämlich nicht, dass man hier im Deutschen Bundestag – oder, wie heute Morgen bekannt geworden ist, einer Ihrer Parteikollegen in Brandenburg – Attacken loslässt und sich dann entschuldigt.
Frau Dagdelen beispielsweise hat sich hier im Deutschen Bundestag durch Verleumdungen und Angriffe in einer Art und Weise aufgeführt,
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!)
die diesem Haus nicht angemessen war. Danach entschuldigen Sie sich zwar öffentlich, aber nachher geht es wieder so weiter.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: So ist es!)
Das ist kein Umgang, Herr Gysi, das muss ich Ihnen klipp und klar sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen akzeptiere ich ein solches Verhalten auch nicht. Ich erwarte schon: Bevor Sie andere Fraktionen und Parteien kritisieren, räumen Sie in Ihrem eigenen Laden auf und nicht woanders. Dazu haben Sie allen Grund, Herr Gysi.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir legen heute den Haushalt 2014 vor und diskutieren in der Regierung bereits den Haushalt 2015. Beide Haushalte müssen zusammen gesehen werden, weil es in dieser Großen Koalition zu einem Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik kommt.
Schon der Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen, und ab dem Haushalt 2015 werden keine neuen Schulden mehr gemacht. Das ist tatsächlich der entscheidende Hinweis darauf, dass wir Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit ernst nehmen. Denn nichts ist für eine junge Generation wichtiger, als dass sie Handlungsspielraum hat.
Man kann viel über Nachhaltigkeit in anderen Bereichen reden, aber hinter dem Projekt „Keine neuen Schulden mehr“ steht die Aussage: Wir wissen um die Verantwortung für unsere junge Generation.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dafür sage ich Wolfgang Schäuble und unseren Haushältern herzlichen Dank, die diese schwere Aufgabe vorangebracht haben.
Der von uns eingeschlagene Weg ist der richtige, wenn es darum geht, dass wir in unserem Land Wohlstand und Sicherheit erhalten können. Wenn wir uns die Situation in Europa anschauen – die Bundeskanzlerin hat ja heute darüber berichtet, wie die Situation in einzelnen Ländern ist –, dann stellen wir fest: Diese Situation ist nicht irgendwie vom Himmel gefallen, sondern sie ist das Ergebnis falscher politischer Ansätze.
Lieber Thomas Oppermann, ich sehe das genauso, dass wir mit Sorge nach Frankreich blicken und uns fragen: Wer könnte der nächste Gesprächspartner sein? Aber natürlich hat jedes Land seine Hausaufgaben zu machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen finde ich es völlig richtig, dass auf dem Gipfel in Paris als Ergebnis nicht herauskam: „Wir werden den Stabilitätspakt aufweichen“, sondern dass herauskam – Herr Gabriel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das so klar gesagt haben –: Es bleibt dabei, der Kurs dieser Bundesregierung, der Kurs von Angela Merkel, ist der einzige, der dazu führen wird, dass Europa wieder ganz gesund werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dass Thomas Oppermann heute bestätigt hat, dass der Stabilitätspakt nicht angegriffen wird und die notwendigen Reformen in den Ländern durchgeführt werden, das ist eine gute Botschaft.
Europa ist für uns aber nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Sicherheit, sondern Europa ist für uns auch eine Frage von Frieden und Sicherheit. Wenn man sich die Situation in der Welt anschaut, kann man nur sagen: Wir können wirklich dankbar dafür sein, dass wir in diesem Europa leben dürfen. Wenn dieses Europa nicht mehr erreicht hätte, als dass in diesem Europa Frieden herrscht, dann wäre das schon Grund genug, um jeden Tag diesem Europa von Herzen dankbar zu sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dieses Europa muss natürlich offen sein für Menschen, die in ihren eigenen Herkunftsländern verfolgt werden und deswegen dort, zumindest für eine bestimmte Zeit, keine Perspektive haben. Deswegen ist es richtig, dass es in Europa eine gemeinsame Asylpolitik gibt, dass die Belastungen in Europa auf die Länder angemessen verteilt werden. Dass wir in Deutschland einen entsprechenden Beitrag leisten, habe ich an diesem Rednerpult erst vor kurzem festgestellt: Wir nehmen die meisten Asylbewerber auf. Aber wir haben ein Problem – Thomas Oppermann hat zu Recht darauf hingewiesen –: Wir nehmen Asylbewerber aus Ländern auf, die in der nächsten Zeit ganz zu Europa gehören wollen. Wir nehmen zurzeit Asylanträge von Menschen entgegen, die in ihren Herkunftsländern sehr wohl leben können, weil sie dort nicht verfolgt werden. Diese Herkunftsländer haben ein massives Interesse daran, in Europa nicht als Verfolgerländer verunglimpft zu werden. Sie sagen: Wir sind sichere Herkunftsländer.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)
Deswegen wollen wir in dieser Koalition ein Gesetz verabschieden, in dem wir definieren, welche Länder in Europa sichere Herkunftsländer sind. Dann wird gesagt: Das können Sie doch machen. Ja, in der Großen Koalition haben wir überhaupt kein Problem damit, dieses Thema zu erledigen. Aber – und jetzt kommt der Punkt – wir brauchen dafür auch im Bundesrat eine Mehrheit. Ich appelliere an die Grünen, dass sie sich dieser Verantwortung bewusst werden. Wir werden in den nächsten Tagen mit Vertretern der Grünen in den Landesregierungen reden. Wir meinen, dass wir noch mehr Flüchtlinge aus Ländern, in denen es wirkliche Probleme gibt, beispielsweise aus Syrien, aufnehmen sollten.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus Serbien auch!)
Aber wir können doch nicht die Augen vor der Wirklichkeit verschließen: Eine ganze Reihe von Städten und Kommunen hat im Augenblick erhebliche Probleme damit, Asylbewerber aufzunehmen und unterzubringen, die zu 99 Prozent nachher nicht anerkannt werden und eigentlich wieder in ihre Heimatländer müssten. Wir sollten doch für diejenigen Platz schaffen, die wirklich in tiefster Not aus Syrien zu uns kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen habe ich die herzliche Bitte – Frau Kollegin Roth, ich spreche insbesondere Sie an, da Sie mich vorhin so angeschaut haben –, dass wir uns diesem Thema gemeinsam stellen und dafür sorgen, dass wir dafür im Bundesrat eine Mehrheit bekommen können.
Ich sage dies auch voller Sorge aus einer Erfahrung heraus, die wir in den 90er-Jahren gemacht haben. Damals, noch im Parlament in Bonn, haben wir uns mit der Frage schwergetan, wie wir das Asylrecht neu ordnen. Das Thema Asyl wurde zu einem parteipolitischen Kampfthema, an dem sich alle, wir eingeschlossen, beteiligt haben. Das Ergebnis davon war nicht, dass wir der Problemlösung nähergekommen sind, sondern das Ergebnis war, dass Rechtsradikale in diesem Land in Landtage eingezogen sind.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)
Deswegen ist der Appell völlig richtig: Lassen Sie uns das Asylthema, das Flüchtlingsthema noch in den nächsten Tagen sachgerecht lösen, damit es nicht ein Nährboden für rechtsradikale Entwicklungen in unserem Land wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind dazu bereit. Wir sind auch bereit, mit Ihnen über den einen oder anderen Wunsch in der Diskussion zu sprechen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Große Koalition hat, wie ich finde, eine bemerkenswerte Arbeit geleistet – und dies, obwohl nach dem Wahlergebnis die Freude auf beiden Seiten – sowohl bei der SPD als auch bei uns – nicht besonders ausgeprägt war, schon wieder in eine Große Koalition zu gehen. Die SPD musste sich sogar zunächst einmal mit einem Mitgliederentscheid vergewissern, dass das alles auch klappen kann.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das wollten wir! Das mussten wir nicht!)
– Wollten Sie! Okay! Dann formuliere ich neutral: Sie haben sich in einem Mitgliederentscheid vergewissert. – Dafür, dass der Start gar nicht so ganz einfach war, haben wir, finde ich, Bemerkenswertes geleistet – nicht für uns, nicht für diese Koalition, sondern für unser Vaterland und für die Menschen, die in diesem Vaterland leben. Ich sage dir, lieber Thomas Oppermann, und der SPD-Bundestagsfraktion dafür einen herzlichen Dank, dass dies möglich war.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich kann sagen – das ist auch so –, dass wir uns nicht immer leichttun, zu Entscheidungen zu kommen. Gerade für die nächste Zeit haben wir wichtige Aufgaben vor uns, bei deren Bewältigung wir noch miteinander ringen müssen. Diese müssen wir jetzt aber schnell angehen. Wir müssen jetzt ganz schnell eine Antwort in Bezug auf ein Thema finden, das uns alle schwer belastet. Das ist das Thema Kinderpornografie: Wir in dieser Koalition haben versprochen, dass wir schnell zu Ergebnissen kommen werden. Das Versprechen sollten wir jetzt auch einhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen von beiden Fraktionen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nach der Sommerpause muss hier ein Ergebnis auf den Tisch.
Es gibt ein weiteres Thema, das uns großen Kummer macht. In unserem Land ist vieles wirklich sehr gut. Ich würde sogar sagen: Das meiste ist sehr gut. Es ist aber für uns eine unerträgliche Belastung, dass man in ganz Europa darüber spricht, dass wir das Land sind, in dem am meisten Zwangsprostitution und Frauenhandel stattfinden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf uns nicht ruhen lassen. Deswegen gilt auch hier: Wir können da nicht noch ewig zuwarten. Wir wollen und müssen zwar die Menschenhandelsrichtlinie der EU umsetzen. Das reicht aber nicht, um dieses Problem zu lösen, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass Deutschland nicht das Land ist, in dem in erster Linie in Europa Frauenhandel und Zwangsprostitution stattfinden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Auch da können wir nicht mehr lange warten. Ich erwarte auch bei diesem Thema, dass wir im September zu entsprechenden Ergebnissen kommen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn ich sage, dass wir viel voranbringen, dann kann ich, glaube ich, auch die Entscheidung zur Energiepolitik nennen, die wir gestern in den Koalitionsfraktionen und dann auch im Wirtschaftsausschuss getroffen haben. Das war keine leichte Aufgabe. Ich weiß sehr genau, wovon ich rede; denn in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender war es der vierte Anlauf zur Änderung des EEG. Jeder Anlauf war noch schwerer als der vorhergehende, weil unterschiedliche Interessen aufeinanderstoßen. Da haben wir schon einen entscheidenden Schritt getan. Wir versuchen, zu verhindern, dass die Kosten für die Stromverbraucher weiter anwachsen, und sorgen dafür, dass die deutsche Wirtschaft trotzdem wettbewerbsfähig bleiben kann. Diese beiden entscheidenden Punkte sind es, die dieses EEG in besonderer Weise auszeichnen. Ich sage Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, aber auch Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, einen herzlichen Dank für Ihren Einsatz in Brüssel. Ohne diesen Einsatz wäre es nicht gelungen, im Rahmen der Reform des EEG Arbeitsplätze in Deutschland im Wettbewerb zu halten. Danke schön dafür!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesem Beispiel wird deutlich, dass diese Große Koalition auch schwierige Aufgaben anpackt und schultert.
Der letzte Hinweis: Es dürfte für die Zukunft dieses Landes von größter Bedeutung sein, was wir in der Bildungspolitik machen. Darauf ist hingewiesen worden. Dazu gehört aber auch, dass wir junge Menschen ausbilden, die unseren Ruf als die Nation der Erfinder neuer Produkte vorantreiben. Das heißt, wir brauchen an unseren dualen Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten Spitzenausbildungen. Dafür stellen wir jetzt Geld zur Verfügung. Ich möchte die Länder bitten, dass das Geld, das wir für die Hochschulen und Universitäten zur Verfügung stellen, auch dort landet und nicht im allgemeinen Länderhaushalt verschwindet.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Man kann auch nicht sagen, dass wir Geld für die Allgemeinbildung brauchen. Denn auch dafür wird Geld zur Verfügung gestellt. Noch keine Bundesregierung hat so viel für Bildung getan. Jetzt kommt es darauf an, dass die Länder ihre Aufgabe in dieser Hinsicht ernst nehmen.
Ich bin also mit dem, was wir bisher in der Großen Koalition erreicht haben, durchaus zufrieden. Aber wir wissen auch, dass noch große Anstrengungen von uns gefordert sind, um unser Ziel zu erreichen, dass es den Menschen nach dieser Großen Koalition besser geht als zu ihrem Start. Dafür werden wir arbeiten. Dafür müssen wir in dieser Koalition auch zusammenhalten und die Projekte, die wir uns vorgenommen haben, jetzt schnell umsetzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Dr. Gregor Gysi.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3563191 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |