25.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt II.9

Bettina HagedornSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beginnen:

Ich finde, das ist eine prima Überschrift für diese Haushaltswoche. Die Tatsache, dass dieses Zitat aus einer Rede des Finanzministers der letzten Großen Koalition, Peer Steinbrück, vom 16. September 2008 stammt, macht deutlich, dass wir sowohl in der letzten als auch in der jetzigen Großen Koalition einen langen roten Faden und damit eine gemeinsame Tradition insbesondere in der Finanz- und Haushaltspolitik haben, die gut für Deutschland ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kollegin Hasselfeldt, ich will ganz gewiss nicht den Anschein eines künstlichen Konflikts erzeugen. Aber Sie haben gerade in Ihrer Rede mit Blick auf die Einhaltung der Stabilitätskriterien in Europa ständig vom Stabilitätspakt gesprochen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass er sich Stabilitäts- und Wachstumspakt nennt. Das haben wir – das ist keine Kleinigkeit – auch schon in der letzten Großen Koalition gemeinsam so verstanden. Sie haben eben auch darauf hingewiesen, es sei wichtig, mit dem Geld auszukommen, das man hat. Ich glaube, dem stimmen alle im Haus zunächst einmal zu. Aber die letzte Große Koalition hat bewiesen, dass es davon Ausnahmen geben kann. Diese hängen mit dem zusammen, was sich unter dem Begriff „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ subsumieren lässt. Als die durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers hervorgerufene Krise begann, standen wir unmittelbar vor einem strukturell ausgeglichenen Haushalt; das war schon damals unser gemeinsames Ziel. Aber wir haben damals sehr bewusst und richtigerweise das Erreichen dieses Ziels hintangestellt, um Konjunkturpakete auf den Weg zu bringen und Wachstumsimpulse, die Deutschland damals gebraucht hat, überhaupt erst zu ermöglichen. Wir haben beispielsweise mit dem Kurzarbeitergeld Menschen in Lohn und Brot gehalten. Nur dadurch war es möglich, dass die Wirtschaft später schnell wieder anspringen konnte – und zwar als erste in ganz Europa – und dass Deutschland, wie es die Kanzlerin heute Morgen ausgedrückt hat, zur Wachstumslokomotive wurde. Und darum: Sparen ist kein Selbstzweck. Stabilität ist gut und richtig. Aber Wachstum gehört dazu. Es ist schön, dass wir uns an dieser Stelle einig sind.

(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! Deswegen müssen wir nichts ändern!)

Wir sind uns auch über die Schwerpunkte des Haushalts einig; das haben die Haushaltsberatungen erneut bewiesen. Wir haben schon in der letzten Großen Koalition enorme gemeinsame Anstrengungen im Bildungsbereich unternommen und nicht nur wegen der Lissabon-Strategie in Europa erkannt, dass die Bildungsinvestitionen erhöht werden müssen; denn nur wenn wir in die Köpfe der jungen Menschen mehr investieren, als es traditionell in den letzten Jahrzehnten der Fall war, geht uns die wichtigste Ressource, die Jugend, nicht verloren. Wir brauchen sie, um die wirtschaftliche Stabilität in unserem Land auch in Zukunft zu erhalten. Das setzen wir in dieser Großen Koalition fort.

Es ist schon ein bisschen befremdlich, dass Sie, Herr Gysi, als Oppositionsredner sich ausgerechnet die Bildung vorgenommen haben, um die Große Koalition zu kritisieren. Es ist auch nicht wahr, was Sie gesagt haben, nämlich dass 500 Millionen Euro gekürzt worden seien.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Natürlich!)

Machen Sie sich einmal bei der Haushaltsausschussvorsitzenden Frau Lötzsch schlau. Die Wahrheit ist: Das Geld, das 2014 nicht mehr ausgegeben werden kann, weil die Vereinbarungen so sind, wie sie sind,

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Globale Minderausgabe!)

werden wir in den Folgejahren zur Verfügung stellen.

Fakt ist aber, dass wir mit diesem Haushalt Investitionen in Höhe von 9 Milliarden Euro – darauf ist vielfach hingewiesen worden – in Bildung tätigen. Das tun wir in erster Linie und maßgeblich über die Länder, aber auch über die Kommunen; denn wir sind gemeinsam von dem Gedanken getragen, dass Bildung nicht nur Hochschulbildung ist, sondern dass Bildung gerade und in erster Linie in den Schulen, in den Kitas und in den Krippen durch mehr Lehrer und Erzieher qualitativ verbessert werden muss. Dazu gehört eine verbesserte Ausbildung, damit die hohen Schulabbrecherquoten, die wir in Deutschland immer noch haben – die PISA-Ergebnisse will ich nur am Rande erwähnen –, gesenkt werden. Diese sind nicht nur eine Schande für unser Land und ganz furchtbar für junge Menschen, über die wir reden, sondern es ist auch volkswirtschaftlich ein Wahnsinn, wenn wir nicht gegensteuern. Aber wir steuern dagegen. Dafür ist dieser Haushalt ein wichtiges Beispiel.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte gerne ein paar Dinge aufgreifen, die in den Haushaltsberatungen der letzten zwei Monate geglückt sind. Auch ich möchte mich, wie es schon andere vor mir getan haben, bei meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU im Haushaltsausschuss dafür bedanken, dass wir unsere Feuerprobe in dieser Legislatur bestanden haben. Für viele war es gar keine Feuerprobe, weil wir schon eine andere Große Koalition erfolgreich hinter uns gebracht haben. Ich will darauf hinweisen, was der Haushaltsausschuss eigentlich gegenüber der ersten Lesung, die hier im April stattgefunden hat, verändert hat.

Mir ist besonders wichtig – das Thema hatten wir eben schon –, dass wir unter anderem 10 Millionen Euro mehr für die syrischen Flüchtlinge und 40 Millionen Euro mehr für Integrationskurse in diesem Land zur Verfügung gestellt haben. Ich möchte diesen Hinweis aber damit verbinden – Herr de Maizière ist jetzt nicht da –, dass wir als Haushaltsausschuss auch die Erwartung hegen, dass wir diese Nachbesserung im zweistelligen Millionenumfang bei den Integrationskursen nicht in jedem Haushaltsjahr wieder machen müssen; wir erwarten vielmehr von unserer Bundesregierung, dass sie die Integrationskurse von Anfang an in dem Umfang ausfinanziert, wie es erforderlich ist. Wir sind jetzt bei 245 Millionen Euro, und das ist das Mindeste, was wir an dieser Stelle tun müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte das Technische Hilfswerk erwähnen. Wir unterstützen das Technische Hilfswerk mit 10 Millionen Euro mehr. Ich bin sehr froh, dass das gelungen ist. Auch mit Blick auf die Debatte heute will ich nicht unerwähnt lassen, dass das Technische Hilfswerk unter anderem in Jordanien in den Flüchtlingslagern für die Bereitstellung von Wasser sorgt. Wir alle wissen, was das für die Gesunderhaltung der Flüchtlinge dort bedeutet und vor welchen dramatischen Herausforderungen ein Land wie Jordanien – die Kanzlerin hat darauf hingewiesen – steht. Das deutsche Technische Hilfswerk trägt zuverlässig zur Gesunderhaltung der Menschen bei. Dafür unser herzlicher Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Technische Hilfswerk hat eine besondere Struktur mit über 80 000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die dort tätig sind. Nur ungefähr 800 hauptamtliche Mitarbeiter halten diese Organisation aufrecht. Wenn wir an die Flut vor einem Jahr in Deutschland denken, so stellen wir fest, dass es das Technische Hilfswerk war, das gemeinsam mit anderen herausragende Arbeit geleistet hat.

Wir wollen das Technische Hilfswerk auf der Ebene der Ortsvereine maßgeblich stärken. Auf dieser Ebene wird nämlich hervorragende Jugendarbeit geleistet und wird immer wieder Nachwuchs für das THW rekrutiert. Wir investieren in die dortige Aus- und Fortbildung und mit 7 Millionen Euro in die Verbesserung seines Fuhrparks. Das ist eine gute Sache. Vielen Dank allen, die dafür gesorgt haben, dass uns das gemeinsam geglückt ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir erhöhen die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung um 10 Millionen Euro. 3,5 Millionen Euro davon fließen an eine sehr bunte Trägerschaft von Angeboten in ganz Deutschland, die mit der Bundeszentrale für politische Bildung kooperiert. Politische Bildung in unseren Bundesländern ist nach unserer festen Überzeugung ein wichtiger Baustein dafür, dass Menschen Angebote in ihrer Region wahrnehmen können, die letztendlich zu mehr Verständnis und mehr Wertschätzung gegenüber unserer Demokratie beitragen. Es handelt sich also um ein wertvolles Instrument im Kampf gegen rechts und dessen Nährboden. Die entsprechenden Angebote werden von jungen Menschen in einem ganz großen Umfang wahrgenommen – Gott sei Dank.

Neben dem Bundesfreiwilligendienst stärken wir den Heimkinderfonds Ost mit insgesamt 35 Millionen Euro. Für die Finanzierung der HIV-Stiftung stellen wir 10 Millionen Euro bereit. Die Zuschüsse für den Asse- Fonds sind verdoppelt worden. In den nächsten Jahren werden sie sogar verdreifacht; später werden sie dann verstetigt. Mit der Bereitstellung von 85 Millionen Euro stärken wir den Rückbau von Forschungsreaktoren in Deutschland. Das alles sind wichtige Aufgaben. Ich denke, es ist besonders wichtig, zu erwähnen, dass wir das alles machen und am Ende eine Neuverschuldung von trotzdem nur 6,5 Milliarden Euro vornehmen. Das ist schon eine Leistung.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass mein Kollege André Berghegger von der Union seine Rede gestern mit einer Fußballerweisheit beendet hat, als er sagte, dass das nächste Spiel immer das schwerste ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, heißt das!)

Das nächste Spiel für uns Deutsche findet ja morgen gegen die USA statt. Aber für uns Haushälter ist das nächste Spiel – um im Bild zu bleiben – die Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2015. Dafür haben wir uns eine Menge vorgenommen, vor allen Dingen natürlich, die Nettoneuverschuldung auf null zu senken.

Wir wissen natürlich auch, dass die Herausforderungen 2015 enorm sein werden. Wenn der Bund die Einnahmen aus der Brennelementesteuer zurückzahlen muss, sind womöglich Steuerausfälle im Umfang von mindestens 3 Milliarden Euro gegenzufinanzieren. Deutschland profitiert seit Jahren von historisch unglaublich niedrigen Zinsen. Das niedrige Zinsniveau hat unseren Bundeshaushalt in den letzten Jahren um zweistellige Milliardenbeträge entlastet. Das heißt, wir haben gespart, ohne uns dafür wirklich anstrengen zu müssen. Das wird möglicherweise nicht so bleiben. Wir können also durchaus irgendwann in Schwierigkeiten kommen. Risiken dieser Art schweben über uns. Aber nachdem wir diesen Haushalt so gut und kollegial miteinander aufgestellt haben, bin ich von Zuversicht getragen, dass wir das auch in den nächsten drei Jahren schaffen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dabei wollen wir den Pfad der verstärkten Investitionen in die Bereiche Bildung und Infrastruktur weitergehen. Für diese Bereiche soll also mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, und zwar seriös finanziert.

Ich freue mich, dass wir die Beratungen über den Haushalt 2014 erfolgreich abgeschlossen haben. Aber schon mit dem Kabinettsbeschluss nächste Woche starten wir in die Beratungen über den Haushalt 2015.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für den Bundesrat spricht jetzt Sven Morlok, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Sachsen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3563234
Wahlperiode 18
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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