Mark HelfrichCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte über den Einzelplan 11 zeigt eines ganz deutlich: Wir reden über sehr viel Geld. Der Einzelplan 11 stellt auch in diesem Jahr den mit Abstand höchstdotierten Einzelplan im Bundeshaushalt dar, und das, obwohl wir die 34,2 Milliarden Euro in Summe, die die Linken in ihren Änderungsanträgen zusätzlich fordern, ablehnen werden. Die Bewilligung der geforderten Mittel entspräche sportlichen 28 Prozent on top eines bereits sehr großen Einzeletats.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das entspricht den Kürzungen aus 2010!)
Das Mantra – keine Steuererhöhungen, keine neue Verschuldung –, das Sie, Kollege Birkwald, vorhin hier vorgetragen haben, stand Ihnen, wie ich finde, sehr gut. Wir alle wissen, dass Wiederholung auch eine Lernmethode ist. Insofern wünsche ich Ihnen viel Erfolg,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
und es bleibt Hoffnung für die nächsten Haushaltsberatungen.
Mit der Höhe des Etats wächst zugleich unsere Verantwortung dafür, dass die zur Verfügung stehenden Mittel effektiv und effizient eingesetzt werden. Sie sollen den Menschen zugutekommen, aber auch ihr arbeitspolitisches Ziel nicht verfehlen; denn das macht eine erfolgreiche Arbeits- und Sozialpolitik aus. Damit diese Politik zukunftsfähig ist, braucht sie eine solide finanzielle Basis und gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die haben wir in Deutschland in den letzten Jahren dank einer an Wachstumszielen orientierten und auf sparsames Haushalten ausgerichteten Politik erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ziehen wir zunächst einmal Bilanz, und zwar eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Wir haben in Deutschland so viel Beschäftigung wie seit den Wirtschaftswunderjahren nicht mehr. Wir haben seit zwei Jahren konstant die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, und wir haben Rekordüberschüsse in der Sozialversicherung. Das sind gute und nachhaltige Entwicklungen. Wir haben die höchste Erwerbstätigenquote, die es in dieser Republik jemals gab. Im Übrigen haben wir auch – das zeigen die neusten Analysen des IAB – einen starken Anstieg des Pro-Kopf-Arbeitsvolumens zu verzeichnen. Was heißt das? Das heißt, dass der Trend zu immer mehr Teilzeit- und Minijobs gebrochen ist. Auch das ist eine gute Nachricht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
So viele Menschen wie nie sind in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, und der Anteil der über 55-Jährigen an der Gesamtzahl der beschäftigten Erwerbstätigen liegt bei 61,5 Prozent. Selbst bei den über 60-Jährigen sind es noch über 46 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass in den Unternehmen unseres Landes ein Umdenken begonnen hat: Immer mehr Firmen sehen ältere Mitarbeiter als Gewinn. Angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land, der steigenden Anzahl von Schul- und Bildungsgescheiterten und des damit einhergehenden Fachkräftemangels wird qualifizierte Arbeit immer knapper. Das wird ein Riesenthema für uns. Insofern werden ältere Mitarbeiter immer wichtiger, immer wertvoller. Sie werden einen immer höheren Stellenwert in den Firmen bekommen. Das ist auch gut so; denn sie verfügen über großes Wissen und zum Teil über jahrzehntelange Erfahrung. Sie sind ein unschätzbares Kapital für unser gesamtes Land.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Genau deshalb ist richtig, was wir mit der Anhebung des Rehadeckels und der Anpassung der Rehaleistungen an die demografische Entwicklung angestoßen haben. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Wir sind auch international gut aufgestellt, was die Quote der älteren Erwerbstätigen angeht. Das EU-2020-Ziel, dass 60 Prozent der 55- bis unter 65-Jährigen erwerbstätig sind, haben wir bereits erreicht. Lediglich Schweden macht es derzeit noch besser. Ich bin mir sicher, dass, wenn wir unsere Bemühungen hier verstärken, am Ende doch noch etwas geht und wir an dieser Stelle noch besser werden können.
Eine altersgerechte Arbeitswelt zu schaffen, um Fachkräfte für unsere Volkswirtschaft zu sichern, und den Menschen eine auskömmliche Rente zu ermöglichen, das sind zwei gleichberechtigte Ziele. Sie müssen zentrale Ziele unserer Arbeits- und Sozialpolitik sein und bleiben. Nur dann wird es uns gelingen, den Wohlstand in unserem Land dauerhaft zu sichern.
Ich freue mich sehr, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern auch ins europäische Ausland schauen. Mit dem Programm MobiPro-EU ist eine Möglichkeit gegeben, zum einen Probleme, die andere EU-Mitgliedsländer haben, zu lindern und zum anderen Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen. Es ist uns gelungen, im Laufe des Haushaltsverfahrens annähernd eine Verdreifachung der Mittel auf jetzt 96,1 Millionen Euro hinzubekommen. Ich weiß, dass das in den Reihen der Opposition kritisch gesehen wird in dem Sinne, dass es zu wenig sei. Ich möchte an der Stelle sagen: Es war nie als ein Regelinstrument der Arbeitsmarktförderung gedacht, sondern immer als ein Sonderprogramm. Natürlich ist es so, dass wir das nur in dem Umfang machen können, wie wir auch Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung stellen können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So ist es! Es hat alles Grenzen!)
Die Hoffnung ist, dass wir hiermit etwas anschieben, das dann von alleine laufen lernt. Wenn Unternehmen merken, wie gut das funktioniert, dann werden sie ihre Bemühungen intensivieren. Eine Förderung aller jungen Menschen, die in Europa auf der Suche nach einer qualifizierten Ausbildung sind, werden wir mit MobiPro-EU nie erreichen können; das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit der Diskussion dazu.
Ich will nicht nur in die europäische Ferne schweifen, wenn ich über das Thema Fachkräftemangel rede, sondern natürlich auch an diejenigen Menschen denken, die bereits hier sind und die durch schwierige Situationen im Leben nicht im Arbeitsmarkt verankert sind. Es gilt, unser Augenmerk auf diese Menschen zu richten. Wir wollen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Fachkräftemangel auch aus den eigenen Reihen zu decken. Das sind Jobchancen für langzeitarbeitslose Menschen in unserem Land.
Wir haben heute 670 000 Langzeitarbeitslose weniger als 2007. Das ist ein Rückgang um 39 Prozent. Auch das ist eine Zahl, die ich beeindruckend finde. Es sind aber immer noch über 1 Million Menschen, über 1 Million Schicksale. Dies zu ändern, daran arbeiten wir, und daran müssen wir in Zukunft verstärkt arbeiten. Wir müssen denen, die arbeitslos sind, durch Weiterbildung und Qualifizierung helfen, damit sie den Sprung in eine Beschäftigung schaffen, die dauerhaft und existenzsichernd ist. Das ist das Ziel. Deshalb senken wir trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen nicht die Mittel für Betreuung und Vermittlung von Menschen, die Arbeit suchen; nein, wir stellen in dieser Legislaturperiode den Jobcentern viermal 350 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Wer sich dessen bewusst ist, dass es eine Bund-Länder- Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung im SGB II“ gibt, dem bleibt zumindest die Hoffnung, dass zukünftig mehr Geld für die eigentliche Aufgabe zur Verfügung steht und weniger Geld für Verwaltung draufgeht. Das ist auch noch etwas, von dem ich glaube, dass dadurch die Vermittlungsarbeit in den Jobcentern gestärkt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Unser Ziel ist und bleibt es, die Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen und Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. In diesem Zusammenhang möchte ich gern noch auf das Sonderprogramm des Bundes „Perspektive 50plus“ mit derzeit 78 regionalen Beschäftigungspakten für ältere Langzeitarbeitslose über 50 verweisen. Mit diesem Programm soll die Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen verbessert werden, um ihre Chancen auf Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die hier erzielten Erfolge sprechen für sich. 930 000 langzeitarbeitslose Menschen wurden von den Maßnahmen erreicht, und knapp 330 000 sind in den allgemeinen Arbeitsmarkt zurückgekehrt. Das ist eine ganz positive Bilanz.
Meine Damen und Herren, das alles zeigt, dass wir es mit dem Prinzip „Fördern und Fordern“ ernst meinen. Es zeigt, dass wir den Menschen wirklich eine Chance geben, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Die Arbeitsmarktdaten sind Beweis dafür, dass das Prinzip „Fördern und Fordern“, auf dem gute Arbeitsmarktpolitik aufgebaut ist, richtig und wichtig ist.
In der letzten Sitzungswoche haben wir hier über einen Antrag der Linken debattiert, mit dem sie die Abschaffung der Sanktionsmöglichkeiten bei Hartz IV und damit quasi ein bedingungsloses Grundeinkommen für diesen Personenkreis gefordert haben.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, kein bedingungsloses Grundeinkommen! Herr Kollege, das war etwas anderes!)
– Für diesen Personenkreis!
Meine Damen und Herren, Solidarität ist keine Einbahnstraße. Das ist hier gesagt worden, und es bleibt dabei. Es gehört zu einer verantwortungsvollen Arbeits- und Sozialpolitik – und im Übrigen auch zur Haushaltspolitik –, wenn der Staat einfordert, dass Menschen, die arbeiten können und denen Arbeit angeboten wird, diese dann auch annehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter sehr verantwortungsvoll mit dem Instrumentarium der Sanktionen umgehen und dass wir ihnen sehr dankbar sein können für diese gute Arbeitsmarktbilanz, die wir in Deutschland verzeichnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ihnen bin ich sehr dankbar für die Aufmerksamkeit und dafür, dass Sie mir eine Minute länger zugehört haben, als eigentlich geplant war. Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Um präzise zu sein: Es waren anderthalb Minuten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor.
Ich komme nächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1826. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Ich lasse über den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1827 abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist dieser Änderungsantrag gegen die Stimmen der Linken mit den Stimmen des Rests des Hauses abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Einzelplan 11 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt II.12 auf:
Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Volkmar Klein, Sonja Steffen, Michael Leutert und Anja Hajduk.
Zu den Beschlussempfehlungen liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir später namentlich abstimmen. Darüber hinaus hat die Fraktion Die Linke zwei Entschließungsanträge eingebracht, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Niema Movassat das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3565370 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |