Bärbel KoflerSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Sie, Frau Kollegin Hajduk, sie als Bagatellen abgetan haben, möchte ich zu Beginn auf einige Punkte hinweisen, die wir Fachpolitiker uns sehr wohl überlegt haben, auch wenn sich die Aufwüchse im Millionenbereich bewegen, es manchmal um 5 Millionen Euro und manchmal um 10 Millionen Euro geht. Außerdem haben wir perspektivisch für die nächsten Jahre Verpflichtungsermächtigungen eingestellt, also Planungssicherheit für die Institutionen hergestellt; darauf möchte ich schon hinweisen.
Es geht mir um ein paar Dinge, zum Beispiel um den Zivilen Friedensdienst. Er ist für uns ein ganz wichtiges Projekt und nicht zur Beruhigung gedacht. Die Mittelaufwüchse inklusive der Verpflichtungsermächtigungen sollen – das ist mit den Organisationen so besprochen – einen ordentlichen Aufbau an Expertise und Personal ermöglichen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich finde eines besonders wichtig – ich unterstreiche das am Beispiel des Zivilen Friedensdienstes –: Hier geht es um zivile Krisenprävention und um Konfliktbearbeitung. Es muss uns gelingen, für einen Aufwuchs an Personal zu sorgen. Der Zivile Friedensdienst sagt ja selbst, dass er bei einem Mittelaufwuchs wie dem, den wir beschreiben, mehr Personal in fragile Staaten entsenden und dort zur Konfliktbearbeitung beitragen könnte. Das ist nicht zur Beruhigung gedacht und wird nicht nebenbei gemacht, sondern ist ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt.
Ähnliches gilt für die Stiftungen. Wir haben hier schon oft darüber diskutiert, welch herausragendes Instrument sie für uns in Deutschland im Hinblick auf die internationale Politik sind. Ich finde es richtig, dass wir den Baransatz für die Stiftungen um 5 Millionen Euro, die Verpflichtungsermächtigungen aber um 40 Millionen Euro erhöhen. Damit eröffnen wir eine Perspektive für die Zukunft, die ich für richtig halte,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
um Demokratisierungs- und Friedensinitiativen und die Entwicklungsförderung voranzutreiben.
Ähnliches gilt – das ist von allen Vorrednern schon erwähnt worden – für den Green Climate Fund. Es war nicht selbstverständlich, dass wir die 750 Millionen Euro jetzt in unserem Haushalt haben. Ich finde es richtig, dass das BMUB und das BMZ gemeinsam die Verantwortung für diese Mittel übernehmen. Auch das ist nicht etwa Makulatur. Wir wissen ganz genau, dass es dabei um Anpassungsmaßnahmen geht; Barbara Hendricks, die Umweltministerin, sagte das ganz deutlich. Es geht um die Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, aber die geringsten Möglichkeiten haben, sich zu schützen oder eigene klimapolitische Entwicklungen voranzutreiben. Diese Mittel gehören eingestellt. Selbstverständlich – zu diesem Punkt stehe ich und zu diesem Punkt kommen wir in den nächsten Haushaltsberatungen auch noch – kann das nur der erste Schritt sein; das muss man an dieser Stelle deutlich machen. Wir wissen, welche großen Herausforderungen wir mit der Langfristfinanzierung in Kopenhagen zugesagt haben und wie groß der deutsche Anteil in den nächsten Jahren ungefähr sein wird: 8 Milliarden Euro. Hier haben wir große Herausforderungen vor uns.
Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hajduk zu?
Sicher.
Frau Kollegin, ich möchte Sie fragen: Stimmen Sie mir denn zu, dass dieser Antrag, jetzt eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 750 Millionen Euro in den Haushalt aufzunehmen, letztlich nichts anderes ist als die Bereinigung einer Lücke, die wir schon gemeinsam in der ersten Lesung festgestellt haben? Sie ist nötig, damit Deutschland sich – ich würde es mal so beschreiben – auf dem Ban-Ki-moon-Gipfel im Herbst nicht blamiert, wo wir mit leeren Händen dagestanden hätten. Das ist im Grunde nichts anderes als die Bereinigung einer Lücke; schließlich war diese Verpflichtungsermächtigung schon im letzten Etat von Schwarz-Gelb vorgesehen. Das war eine Pflichtaufgabe, würde ich einmal sagen. Ich würde Sie fragen, ob Sie dem zustimmen –vielleicht mit einer etwas anderen Rhetorik.
Über die Rhetorik können wir immer streiten. – Aber ich bin selbstverständlich der Meinung, dass es eine Pflichtaufgabe Deutschlands ist, ordentlich Mittel für den internationalen Klimaschutz einzustellen.
Wenn man im ersten Haushaltsentwurf eine Lücke feststellt, ist es doch prima, wenn man bereit ist, an dieser Lücke zu arbeiten und eine Veränderung vorzunehmen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das gilt im Übrigen auch – zu diesen Punkten möchte ich dann auch noch kommen – für eine ganze Menge anderer internationaler Verpflichtungen. Wir haben hier schon über den Globalen Fonds gesprochen. Ich finde es gut, dass wir den Ansatz für die Barmittel im Vergleich zum Haushaltsansatz 2013 um 45 Millionen Euro erhöht haben. Aber ich sage auch – das wissen wir alle, die wir hier sitzen –: Das reicht nicht. Gerade der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hat Millionen Menschen das Leben gerettet, Millionen HIV- Infizierten, Millionen Tuberkuloseerkrankten. Greifen wir im Bereich der Malariaprophylaxe Tansania heraus: Mittlerweile können 65 Prozent der Kinder dort unter einem Moskitonetz schlafen. Die Kindersterblichkeit ist um 45 Prozent zurückgegangen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich erwähne das auch deshalb, weil das ein Beispiel dafür ist, dass wir, was die Verpflichtungsermächtigungen für den Globalen Fonds anbelangen, noch einiges zu tun haben; das möchte ich in diesem Hause ganz deutlich unterstreichen. Die Wiederauffüllungskonferenz für diesen Fonds steht im Juni 2016 an. Es ist dringend nötig, darzustellen, wie wir uns den Pfad für den deutschen Anteil in Zukunft vorstellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage ganz deutlich – man kann das auch mit Zahlen untermauern –: Bei den Verpflichtungsermächtigungen müssen mindestens 750 Millionen Euro für drei Jahre eingestellt werden. Ich halte das für essenziell.
Wir haben noch viel zu tun, auch in anderen internationalen Bereichen: Ich erwähne die Impfkampagne GAVI, für die im Februar des nächsten Jahres eine Wiederauffüllungskampagne ansteht. Auch hierfür werden wir Verpflichtungsermächtigungen einstellen müssen, wenn wir beim Schutz von Menschen in Entwicklungsländern durch Gesundheitsprävention ordentlich vorankommen wollen. Das werden Summen sein, die sich in der Größenordnung von 250 Millionen Euro bewegen; das muss man an dieser Stelle deutlich aussprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])
Das gilt für die nächsten Haushalte.
Ähnliches wird auf uns bei der Globalen Bildungskampagne, der Partnerschaft für Bildung, zukommen. Wir wissen: Es ist in den letzten Jahren viel in Grundbildung investiert worden, sowohl seitens der internationalen Gemeinschaft als auch seitens der Entwicklungsländer selbst; es ist viel erreicht worden. Aber wir wissen, dass große Summen nötig sind, um die Bildung qualitativ voranzubringen und den Menschen wirklich dauerhaft Zugang zu guter Bildung zu verschaffen. Wir wissen, wir werden auch hier Verpflichtungsermächtigungen in dreistelliger Millionenhöhe brauchen; das muss man an dieser Stelle aussprechen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU])
Ich nenne diese Zahlen auch deshalb so deutlich, weil ich die Hoffnung habe, dass es dem BMZ gelingt, das Finanzministerium – leider ist vom Finanzministerium keiner da, wenn es ums Geld geht; schade! –
(Zuruf von der CDU/CSU: Kommt doch! – Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter nimmt auf der Regierungsbank Platz und entgegnet: Unterschätzen Sie mich nicht!)
zu überzeugen, dass Investitionen in diese Bereiche Investitionen in die Zukunft sind, die mittelfristig auch Gelder sparen werden, auch für Deutschland. Es ist auch ökonomisch sinnvoll, in den Klimaschutz, in die Gesundheitsvorsorge und in die Bildung zu investieren, und ich hoffe, dass das BMZ diese Erkenntnis dem Finanzministerium für den Haushalt 2015 nahebringen kann.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])
Einen Schmerz – es ist vielleicht nur ein kleiner Schmerz – verspüre ich bei diesem Haushalt schon. Ich finde es sehr schade, dass es nicht gelungen ist, dem Antrag Folge zu leisten, den wir als Fachpolitiker zum Thema „Deutsches Institut für Entwicklungspolitik“ fraktionsübergreifend eingebracht haben. Ich hoffe, hier gibt es in der nächsten Zeit noch eine konstruktive Lösung. Worum geht es? Es geht um geringe Summen und um die Verstetigung der Entwicklungsforschung in Deutschland. Für die, die es nicht wissen: Mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik haben wir eines der weltweit führenden Institute in diesem Bereich. Wenn man sich das Global Think Tank Ranking anschaut, dann sieht man, dass es auf dem Gebiet der Entwicklungsforschung zu den fünf führenden Instituten in Europa und zu den sieben führenden Instituten weltweit gehört. Ich glaube, das ist ein Bereich, den wir stützend voranbringen und weiter fördern sollten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Woran scheitert es?)
Weil wir über den Haushalt reden, was immer die Gelegenheit ist, auch noch ein paar andere Akzente zum Thema Entwicklungspolitik einzubringen, möchte ich schon auch noch einmal auf eine für mich große Herausforderung der Entwicklungspolitik in der nächsten Zeit eingehen. Eine der größten Herausforderungen ist es, für menschenwürdiges Leben und Arbeiten in der gesamten Welt Beiträge zu leisten.
Worum geht es? Es geht darum – die ILO nennt erschreckende Zahlen; das muss man sich wirklich immer vor Augen halten –, dass rund 21 Millionen Menschen – das ist eine Zahl der ILO – unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen brauchen wir verbindliche Regeln in der einen Welt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Freiwillige Selbstverpflichtungen, so schön sie von dem einen oder anderen auch sein sollen und so schön sie von der einen oder anderen Institution auch gemeint sind, reichen hier nicht aus. Sie verbessern die Arbeitsbedingungen der Menschen nicht. Sie schaffen keine neuen Fluchtwege und Sanitäranlagen und sorgen nicht für Lärm- und Gesundheitsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Das erreichen wir nicht durch freiwillige Regelungen. Sie tragen auch nicht dazu bei, dass die Menschen ausreichende Einkommen erwirtschaften können, von denen sie sich selbst ernähren und zum Beispiel einen Beitrag für die Ausbildung ihrer Kinder in der Zukunft leisten können. Hier brauchen wir verpflichtende Standards und verpflichtende Regeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Die Entwicklungspolitik hat die Aufgabe, international Anstöße zu geben. Man kann sehr wohl mit Partnern auch einmal über das dortige Arbeitsrecht sprechen. Aber auch wir müssen über unsere nationalen Regelungen und darüber nachdenken, wie wir sie verändern müssen.
Ich nenne einmal ein paar Beispiele:
Für die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte braucht man einen Nationalen Aktionsplan. Wir brauchen eine EU-Richtlinie zu den Konfliktmineralien, um hier für verbindliche Regeln zu sorgen. Die sozialen Sicherheitssysteme müssen weltweit vorangebracht werden; denn wer krank ist und durch seine Krankheit seine Arbeit verliert und mittellos wird, kann sich nicht nachhaltig selbst aus der Armut befreien. Schließlich geht es auch darum, Ressourcen in den Entwicklungsländern selbst zu gewinnen und die finanziellen Ressourcen der Entwicklungsländer zu stärken und zu verbessern. Hierbei geht es um das Steuersystem in diesen Ländern. Dazu kann man sehr viel beitragen – auch im Rahmen der Entwicklungspolitik –: durch Beratung, Unterstützung und Know-how.
Wir müssen aber auch die Frage stellen, wie zum Beispiel Transparenz bei Rohstoffentnahmen hergestellt werden kann, damit die Unternehmen – auch deutsche –, die in Entwicklungsländern tätig sind, ihre Gewinne ordentlich versteuern und die abgeführten Gelder in die Systeme der dortigen Länder eingespeist werden können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das zeigt: Es gibt eine Reihe von Herausforderungen, die wir sicher nicht nur alleine im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bewältigen können. Hier sind auch die Außenpolitik, die Umweltpolitik, die Energiepolitik, die Wirtschaftspolitik, die Rechtspolitik und zum Teil auch die Forschungspolitik gefragt. Ich glaube aber, die Entwicklungspolitik hat hier die Aufgabe, der Motor zu sein und dafür zu sorgen, dass sich die internationale Zusammenarbeit an den Zielen der Armutsbekämpfung und der nachhaltigen Entwicklung orientiert.
Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Jetzt hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3565446 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |