25.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt II.12

Tobias ZechCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eineinhalb Stunden über den Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gesprochen. Ein paar kleine Schärfungen möchte ich noch vornehmen.

Wir haben schon einige große Themen erwähnt. Drei lebensnotwendige Grundvoraussetzungen möchte ich noch nennen:

Erstens. Über 840 Millionen Menschen fehlt weiterhin genügend Nahrung und damit die Basis zum Überleben.

Zweitens. Wie wir der Presse und den Schlagzeilen mittlerweile täglich entnehmen können, nehmen die Sicherheit und die Stabilität weltweit eher ab statt zu. Die steigende Anzahl an gewaltsamen Auseinandersetzungen – ob direkt an unseren Grenzen, ob in der Zentralafrikanischen Republik oder in Syrien und im Irak – zeichnet ein äußerst beunruhigendes Bild. Die Konsequenz für unsere deutsche Entwicklungsarbeit ist unübersehbar; denn Sicherheit bedingt Entwicklung, so wie Entwicklung Sicherheit bedingt. Fehlende wirtschaftliche und soziale Perspektiven sind Brandbeschleuniger in Konflikten. Sie vermehren den sozialen Sprengstoff und verhindern den Aufbau von Stabilität.

Drittens. Wir blicken auf eine sich verschärfende Flüchtlingsproblematik.

Am 9. April 2014 haben wir vom Minister gehört:

Herr Minister, das waren die richtigen Worte. Sie haben recht mit diesem Appell. Es geht um Aufbruch und nicht um Resignation. Das ist auch die Message, die wir in der Großen Koalition im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und mit diesem Haushalt unterstreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kekeritz, Sie haben uns vorhin ja passend zur WM die drei Karten gezeigt. Leider haben Sie dabei eher an die Schiedsrichterleistung im Spiel Uruguay gegen Italien angeknüpft. Ohne der FIFA irgendwie zu nahe treten zu wollen, denke ich nämlich, die Bilanz unserer Arbeit kann sich sehen lassen. Zur Bewältigung einiger der großen Herausforderungen der zukünftigen Entwicklungsarbeit wurden bereits die drei Sonderinitiativen „Eine Welt ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ und „Nordafrika und Naher Osten“ angestoßen. Sie versetzen uns in die Lage, schnell zu reagieren, bieten uns aber auch die Möglichkeit, uns nicht nur auf die Bekämpfung von Symptomen zu beschränken.

Eine weitere Botschaft lässt sich zudem aus den ersten Tagen unserer Regierungsarbeit ablesen: Neues zu schaffen, hat mehr Wert, als zu protestieren.

Insgesamt unterstreicht der Einzelplan 23 mit der Neuausrichtung und der Erhöhung um 2,3 Prozent auf einen Etat von 6,44 Milliarden Euro die Botschaft des Ministers. Im Gegensatz zum gesunkenen Gesamthaushalt steigt der Anteil für Entwicklungshilfe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, die Mittel sind nicht unendlich. Umso genauer muss auf ihre Verwendung geachtet werden. Entwicklungspolitik muss Ursachenbekämpfung sein. Genau hier setzen zum Beispiel die politischen Stiftungen an. Als zuständiger Berichterstatter für die politischen Stiftungen in meiner Fraktion begrüße ich ganz besonders die Erhöhung der Ausgaben für die Stiftungen um circa 5 Millionen Euro, die für 2014 zur Verfügung stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ein Blick in die Welt zeigt: Neben der elementaren Grundsicherung sind funktionierende Rahmenbedingungen für eine wirklich nachhaltige Entwicklung und für Wohlstand notwendig.

Als Grenzgänger zwischen Zivilgesellschaft und Staat sind politische Stiftungen ein für uns entscheidendes Instrumentarium, um bei der Verbreitung und oft auch Verteidigung wesentlicher politischer Menschenrechte anzusetzen. Die Schaffung von Rahmenbedingungen wie Mitsprache, Erwachsenenbildung, Rechtsstaatlichkeit oder Good Governance steht seit jeher im Fokus politischer Stiftungen und nun auch im Zielsystem der Post-2015-Agenda mit den Grundprinzipien Menschenrechte, Chancengerechtigkeit und Nachhaltigkeit.

Hierfür ließen sich bei jeder politischen Stiftung unzählige Beispiele finden. Sie gestatten mir, dass ich heute nur die Tätigkeit der Hanns-Seidel-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung sowohl in Indonesien als auch in Tunesien erwähne. Nichtsdestotrotz machen alle vertretenen politischen Stiftungen sehr gute Arbeit.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Aber vor allem in Tunesien und im Nahen Osten werden über die Stiftungen Werte wie Pluralismus, Grundrechte und Good Governance vermittelt und gefördert. Das hilft nicht nur, diese Länder zu stabilisieren, sondern trägt auch dazu bei, ganze Regionen zu stabilisieren. Das sind nur zwei Beispiele aus der Arbeit unserer politischen Stiftungen, die wesentlich von lang andauernden und somit nachhaltigen Kontakten vor Ort geprägt sind und daher einer kontinuierlichen Förderung bedürfen.

Fehlende funktionierende Rahmenbedingungen schaffen nicht nur politische Unsicherheit. In der Konsequenz bewirken sie einen politischen und wirtschaftlichen Dämmerzustand. Als Dominoeffekt ziehen sich Investoren und Handel zurück. Die Transaktionskosten steigen und die Korruption verschärft sich.

Ich begrüße daher die vom Minister angekündigten 20 Millionen Euro, die zusätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit mit der Ukraine bereitgestellt werden; denn in der Arbeit mit unseren näheren Nachbarn – der Flug von Berlin nach Kiew dauert zweieinviertel Stunden – müssen wir den Fokus noch stärker auf die Etablierung von Rechtsstaatlichkeit legen. Herr Minister, schon einmal vielen Dank für das schnelle Reagieren und das gute Engagement mit Blick auf die Ukraine!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Die aktuelle Lage in der Ukraine steht beispielhaft für die beschriebene Kettenreaktion. Es droht ein Staatsbankrott, wenn nicht schnellstmöglich Mittel aus dem Ausland zur Verfügung gestellt werden. Zur Abwendung der Staatsinsolvenz werden 35 Milliarden Euro benötigt. Ich selbst war im Auftrag des Europarates als Wahlbeobachter in Kiew und konnte mir vor Ort einen Eindruck verschaffen. In Gesprächen vor und nach der Wahl am 25. Mai dieses Jahres wurde vor allem eines deutlich: Die mangelnde Rechtssicherheit stellt ein zentrales Problem dar; denn Rechtssicherheit und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung verhalten sich zueinander komplementär: Das eine kann es ohne das andere nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Zwei Botschaften lassen sich aus dem Fall Ukraine ablesen:

Erstens. Die Krise in einem Land in unserer direkten Nachbarschaft zeigt deutlich, dass Entwicklungsarbeit für Deutschland nicht nur ethische Verpflichtung ist, sondern damit auch ganz klar deutsche und europäische Wirtschaftsinteressen vertreten werden.

Zweitens. Bei den Gesprächen in der Ukraine hat sich auch gezeigt: Deutschland kann mehr als nur Geld transferieren. Es war beeindruckend, welches Interesse mir an der deutschen Expertise – wir schimpfen immer über unsere Bürokratie – im Bereich der deutschen Verwaltungsstrukturen entgegengebracht worden ist. Es ging um eine effektive und schlanke Verwaltung und um unser Rechtsstaatssystem. Hier können wir mit unserem Wissen und mit den Kontakten, die wir haben, noch viel mehr leisten.

Diese Vorreiterrolle im Ausland spielen oft auch deutsche Privatunternehmen mit ihren sozialen Arbeits- und Umweltstandards. Ein besonderes Jubiläum unterstreicht die Funktion der Wirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit: Seit 15 Jahren ist die Bundesregierung mit Entwicklungspartnerschaften des Programms „develoPPP.de“ in über 70 Ländern aktiv.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Entwicklungsarbeit ist von zahlreichen Kausalitäten gekennzeichnet, die wir alle im Blick haben müssen. Einige habe ich genannt. Unsere Arbeit muss Sicherheit genauso wie ökologische und ökonomische Entwicklung berücksichtigen. Wir müssen die Grundvoraussetzungen zum Überleben – Nahrung, Sicherheit und Menschenwürde – sicherstellen und auch die politischen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Stabilisierung durchsetzen. Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und der Staat müssen Partnerschaften eingehen.

Kurz: Unser Ansatz muss umfassend sein. Ich bin der Meinung, wir sind auf dem richtigen Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – in der Ausschussfassung. Es liegen mehrere Erklärungen gemäß § 31 der Geschäftsordnung vor.

Zum Einzelplan 23 liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen werden. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion Die Linke. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1846 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Änderungsantrag gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt.

Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1847. Wir stimmen über diesen Änderungsantrag auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen ordnungsgemäß besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.

(Unterbrechung von 18.25 bis 18.36 Uhr)

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christan Kindler, Ekin Deligöz und weiterer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014, hier: Einzelplan 23, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, liegt nun vor: abgegebene Stimmen 559. Mit Ja, also für diesen Änderungsantrag, haben gestimmt 108, mit Nein haben gestimmt 447. Enthalten haben sich 4 Kolleginnen und Kollegen. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.

Jetzt erst stimmen wir über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung ab; die Grünen hatten mit ihrem Änderungsantrag ja beantragt, diese Ausschussfassung zu ändern. Das sage ich allen, die das trotz langjähriger parlamentarischer Erfahrung nicht so ganz auf dem Schirm hatten. Das ist Demokratie.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan 23 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Deutschen Bundestag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt II.11 auf:

Berichterstatter sind die Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Karin Evers-Meyer, Michael Leutert und Dr. Tobias Lindner.

Zum Einzelplan 14 hat die Fraktion Die Linke drei Entschließungsanträge eingebracht, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich erteile als erster Rednerin in dieser Debatte das Wort Christine Buchholz, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Auch das noch!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3565578
Wahlperiode 18
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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