Michael LeutertDIE LINKE - Verteidigung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich möchte versuchen, nach Ihrer Rede einiges zurechtzurücken. Ich muss sagen: Sie sind ganz kühn in Ihr Amt gestartet. Allerdings bewegen Sie sich mittlerweile doch auf sehr dünnem Eis. Sie wussten, dass Sie eines der schwierigsten Ministerien überhaupt übernehmen. Sie wussten auch, dass schon einige gestandene Männer vor Ihnen als Verteidigungsminister Schiffbruch erlitten haben.
Aus diesem Grund haben Sie versucht, sowohl personell als auch inhaltlich eine klare Trennlinie zur Vergangenheit zu ziehen. Der Kollege Lindner hat die personellen Konsequenzen als „tragische Opfer“ umschrieben und damit Staatssekretär Beemelmanns und Abteilungsleiter Selhausen gemeint. Ich möchte noch ein tragisches Opfer hinzufügen: Staatssekretär Wolf.
Inhaltlich haben Sie versucht, eine Trennlinie zu ziehen, indem Sie sich in der Öffentlichkeit mit der Attraktivitätsoffensive, mit dem Thema „Vereinbarkeit von Dienst und Familie“ und auch mit der Nichtbilligung der Statusberichte von Großprojekten präsentiert haben.
Aber ich glaube, dass die Zeit inzwischen abgelaufen ist und die Vergangenheit Sie einholt. Die Faktenlage sieht bisher so aus: Sie waren gerade in New York und haben bei der UN wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sich die Bundeswehr in Zukunft mehr an internationalen Einsätzen beteiligen soll oder will. Zur gleichen Zeit kommt von der UN-Mission in Mali die Nachricht, dass sie auf die Unterstützung durch deutsche Transportflugzeuge gerne verzichten würden. Der Grund: Die Transall-Maschinen sind zu alt und zu schlecht. Hier sieht man ja schon, wie Realität und Anspruch auseinanderklaffen.
Hinzu kommt: Heute beraten wir abschließend den Etat des Verteidigungsministeriums, in dem Sie für alle 15 Großprojekte, ob das nun das Transportflugzeug A400M – das ist schon angesprochen worden –, der Transporthubschrauber NH90 oder der Kampfhubschrauber Tiger ist, frisches Geld vom Parlament haben wollen. Aber Sie haben, wie gesagt, nicht einen einzigen Statusbericht dieser Projekte gebilligt, und zwar – das ist klar – wegen massiver Lieferverzögerungen, wegen technischer Mängel, wegen Kostenexplosionen. Keinem einzigen Projekt haben Sie das Okay gegeben. Trotzdem wollen Sie heute vom Parlament neues Geld für diese Projekte haben. Das halte ich für absurd. Dem kann eigentlich niemand hier zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann kommt uns witzigerweise Ihre eigene Koalition zu Hilfe und streicht Ihnen in der nächtlichen Bereinigungssitzung 400 Millionen Euro.
(Karin Evers-Meyer [SPD]: Also, so war es ja nun nicht!)
Nicht dass wir Linke das nicht gut finden würden. Das ist absolut okay. Sie haben damit schon 10 Prozent unserer Forderungen erfüllt. Aber 400 Millionen Euro sind mehr, als alle Auslandseinsätze, von Afghanistan abgesehen, pro Jahr kosten. Ich würde als Minister dieses Verhalten als Misstrauensvotum betrachten, das Ihnen Ihre eigene Koalition entgegengebracht hat.
Hinzu kommt: Seit zwei Tagen wissen wir aus der Presse – so viel zur Transparenz und zur frühzeitigen Information des Haushaltsausschusses –, dass es einen neuen Bericht des Bundesrechnungshofs gibt – wir haben ihn erst heute bekommen –, wonach das Sturmgewehr der Bundeswehr, das G36, nicht weiter beschafft werden soll, weil die Mängel und die damit verbundenen Risiken mittlerweile so groß sind, dass es nicht mehr vertretbar ist. Jetzt existiert das Problem der Beschaffung nicht nur bei den Großprojekten, sondern auch bei der Standardausrüstung.
Trotzdem wird weiter davon gesprochen, dass deutsche Soldaten in noch mehr Auslandseinsätze geschickt werden sollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von prinzipiellen Differenzen zu Auslandseinsätzen: Bei dieser Ausrüstungssituation halte ich das den Soldatinnen und Soldaten gegenüber für fahrlässig.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch Heuchelei, was Sie sagen!)
Die Bundeswehr ist mittlerweile an 18 Auslandseinsätzen beteiligt. Wir haben heute wieder über zwei Einsätze abgestimmt. Das kostet pro Jahr weit über 1 Milliarde Euro. Ich vermute, ein Großteil der Abgeordneten wäre derzeit nicht mehr in der Lage, alle Einsätze ad hoc aufzulisten. Aber auch die Soldaten wissen nicht mehr genau, warum sie überall eingesetzt werden. Der Gesamtauftrag ist für sie nicht mehr klar ersichtlich.
Ich war vor zwei Wochen vom Reservistenverband zu einem Vortrag in die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg eingeladen. Dort ist – im Übrigen von aktiven Soldaten – genau das angesprochen worden. Sie haben da ein Problem, Frau Ministerin. Der Exberichterstatter Koppelin würde jetzt sagen: Es geht um Menschen. Ich darf ihn zitieren; er ist der einzige FDP- Abgeordnete, der immer gegen Auslandseinsätze gestimmt hat. Das fehlt uns jetzt im Parlament.
Die Soldaten wollen wissen, wann sie warum etwas tun sollen. In dieser Frage sind wir als Linke wesentlich konkreter, Frau Ministerin. Wir sagen Ja zur Bundeswehr mit dem klaren Auftrag der Landesverteidigung, aber Nein zu Auslandseinsätzen nach dem Motto „Koste es, was es wolle“.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Frau Ministerin, Sie haben über 32 Milliarden Euro zur Verfügung. Nutzen Sie dieses Geld für Abrüstung und Konversion! Dazu haben wir als Linke in den Beratungen ganz konkrete Vorschläge unterbreitet. Und gehen Sie in Zukunft sorgsam mit den Soldatinnen und Soldaten um!
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Kollege Rainer Arnold spricht nun für die SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3565665 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |