25.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt II.11

Henning OtteCDU/CSU - Verteidigung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Beratung des Bundeshaushaltes geht es im Allgemeinen nicht nur um bloße Zahlen; beim Einzelplan 14 geht es im Besonderen darum, immer wieder über die sicherheitspolitische Ausrichtung zu diskutieren und zu überlegen, ob wir gut aufgestellt sind. Nun erfolgt das vor dem Hintergrund einer in der Ausdehnung überraschenden Entwicklung in der Sicherheitspolitik.

Die Haushaltsdiskussionen der vergangenen Jahre über Außen- und Verteidigungspolitik waren geprägt durch die Auslandseinsätze in Afghanistan zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und somit auch zum Schutz unseres Landes oder am Horn von Afrika zur Bekämpfung der Piraterie und somit auch zum Schutz unserer nationalen Handelsflotten.

Seit nunmehr einigen Monaten sehen wir uns einer neuen Lage, ja einer sicherheitspolitischen Bedrohung ausgesetzt, die neues Denken erfordert. Mit der Annexion der Krim durch Russland – der ersten völkerrechtswidrigen Grenzverschiebung seit 1945 – hat sich die Lage elementar verändert. Russland hat mit dieser Vorgehensweise deutlich gemacht, dass es ihm in einer von ihm selbst definierten Einflusszone klar um die Durchsetzung von Interessen auch mit militärischen Mitteln geht. Diese vielleicht nicht überraschende, aber doch völlig unerwartete Entwicklung kann uns aufgeklärte Europäer nicht unberührt lassen. Die Vorgehensweise des russischen Präsidenten ist mehr als ein unfreundlicher Akt gegen die liberale und pluralistische Gesellschaft, wie wir sie in Europa zu leben pflegen.

Diese Vorgehensweise Russlands soll offensichtlich auch einen Abstand vom westlich-freiheitlichen gesellschaftlichen Leben schaffen – zugunsten einer primär am Staatswohl orientierten Gesellschaft. Leider nur zu oft wird diese russische Gesellschaftsdoktrin von der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag ideologisch verteidigt und propagiert.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Kalter Krieger, was? – Weiterer Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE])

Es wäre gut, Sie würden sich um die Soldatinnen und Soldaten sowie um die Sicherheit unseres Landes so viele Gedanken machen, wie Sie sich offenbar Gedanken um diese Doktrin machen; über die Vorgehensweise Russlands sind Sie ja informiert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit dieser Haltung bedroht Russland den bisherigen Weg einer erfolgreichen wirtschaftlichen europäisch- russischen Kooperation und auch den Weg einer erfolgreichen sicherheitspolitischen NATO-Russland-Kooperation.

Die NATO hat das Ziel, eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung auf Grundlage unseres Wertesystems im Bündnisgebiet zu erreichen. Genau diese Ziele sind durch das Vorgehen gefährdet, nämlich die Ideale von Freiheit, Frieden und Pluralismus. Offenbar ist Russland sogar bestrebt, mit seiner aktuellen Politik die beiden in Europa relevanten Bündnisse, EU und NATO, zu schwächen. Nur so ist zu verstehen, dass Putin radikal europafeindliche Kräfte lobt wie die französische Europagegnerin Marine Le Pen und – ich füge hinzu; auch Sie haben es eben gesagt – die Partei Die Linke in Deutschland.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Oh! Ganz furchtbar!)

Meine Damen und Herren, versetzen wir uns dabei in die Lage unserer östlichen Bündnispartner, zum Beispiel Polens oder der baltischen Staaten! Sie fühlen sich durch das aktuelle Vorgehen und das große Militärpotenzial Russlands konkret bedroht.

Russland – und insbesondere Russlands Präsident – bleibt aufgefordert, zukünftig einen stetigen und vertrauensbildenden Beitrag zur Schaffung und zum Erhalt einer gerechten Friedensordnung auf dieser Erde zu leisten.

Die aktuell nicht unberechtigten Sorgen unserer Partner dürfen wir in Deutschland nicht ignorieren oder wegdiskutieren. Wir sind aufgefordert, unseren Bündnispartnern zur Seite zu stehen. Es geht dabei um mehr als nur bloße Sicherheitspolitik; es geht auch darum, für eine Art und Weise, zu leben, einzutreten – und das selbstverständlich in erster Linie politisch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Hellmich [SPD])

Das russische Vorgehen muss diplomatisch beantwortet werden. Alle Kräfte müssen aufgebracht werden, um eine diplomatische Lösung zu bekommen. Genau deswegen brauchen wir eine schlagkräftige und damit glaubhafte militärische Rückendeckung; denn nur aus einer glaubhaften Position der Stärke heraus können wir erfolgreich diplomatisch agieren und Einfluss geltend machen.

Ich rede hier nicht einem Militäreinsatz das Wort – niemand in der Bevölkerung Europas und auch niemand in der Bevölkerung Russlands will eine militärische Auseinandersetzung –, aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir glaubhaft dokumentieren müssen, dass die NATO als Militärbündnis und dass insbesondere auch unsere Bundeswehr einsatzbereit und einsatzfähig sind.

Deswegen ist es richtig, dass der Ansatz „Breite vor Tiefe“ bei der Neuausrichtung der Bundeswehr zur Anwendung gekommen ist und wir in der Lage sind, eigene, selbst zu wählende Fähigkeiten in die mandatierten Strukturen der EU und der NATO einzubringen. Diese Fähigkeiten sind Ausdruck nationaler Souveränität.

Das gilt übrigens auch für die Wehrtechnik. Es ist vom Kollegen Arnold gesagt worden: Nur mit einer deutschen Wehrtechnik ist Deutschland auch in der Lage, eine eigene Sicherheitsvorsorge zu gewährleisten und darüber hinaus mit einer geregelten Exportpolitik gestaltend, auch politisch gestaltend, tätig zu werden – im Sinne einer Stabilisierungspolitik.

(Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE])

Lassen Sie uns das in der Großen Koalition gemeinsam konsequent umsetzen!

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Hören Sie mal zu! Da können Sie noch viel lernen!)

Wir werden von unseren Partnern um unser breites Fähigkeitsprofil beneidet. Durch eine solide Finanzpolitik – ich füge hinzu: eine solide unionsgeführte Finanzpolitik – sind wir auch in der Lage, dieses abzubilden.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der SPD?)

Lieber Herr Kollege Dr. Lindner, es ist doch ein gutes Zeichen, wenn durch die Abschmelzung des Schuldendienstes der Bundesrepublik der Verteidigungsetat nach „Arbeit und Soziales“ auf Platz zwei kommt. An erster Stelle steht Arbeits- und Sozialpolitik. Aber das alles geht nur mit Sicherheitspolitik. Deswegen ist das eine gute Reihenfolge.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Guttenbergs Zeiten war das anders!)

Die Sicherheit ist die Grundlage für Freiheit und Wohlstand. Hier dürfen wir keine Abstriche machen. Die Strukturen unserer Streitkräfte sind richtig. Die Ausrüstung als Arbeitswerkzeug muss jedoch stets modern, einsatzbereit und in ausreichendem Maße vorhanden sein. Vor diesem Hintergrund sehe ich durchaus Modernisierungsbedarf.

Deutschland übernimmt Verantwortung in Europa, in der NATO, in der Welt, weil es als Rechtsstaat mit seiner sozialen Marktwirtschaft und mit seiner Parlamentsarmee erfolgreich bewiesen hat, verantwortungsvoll für Frieden und Freiheit einzutreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber als Verantwortungs- oder Führungsnation in Europa und als sicherheitspolitischer Anlehnungspartner müssen wir einen höheren Anspruch haben, als nur über den Etat der Bundeswehr zu sprechen.

Um konkret zu werden: Es geht nicht nur um die Frage, ob NATO-Truppen verstärkt an den östlichen Grenzen Europas, vielleicht in rotierenden Formen, stationiert werden sollen, sondern um eine grundlegende Initiative. Wir müssen nicht nur durch unsere Anstrengungen dafür sorgen, dass sich unsere östlichen Bündnispartner sicher fühlen, sondern auch dafür sorgen, dass das Bündnis in seinen Fähigkeiten und im Zusammenhalt gestärkt wird. Ich schlage vor, dass wir unseren östlichen Bündnispartnern eine enge Zusammenarbeit anbieten, wie wir es erfolgreich mit den Niederländern bei der Eingliederung der Luftmechanisierten Brigade demonstriert haben, wie auch unsere Bundesverteidigungsministerin in Stadtallendorf sehen konnte. So können wir europäische Fähigkeiten sinnvoll zusammenfassen und den Verteidigungsetat sinnvoll einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Rein mathematisch addiert sind die Kräfte der NATO überlegen. Aber wir müssen unsere östlichen Bündnispartner in die Lage versetzen, auf Augenhöhe zu sein. Der Anspruch ist, für eine Integration im Sinne der Anlehnungspartnerschaft einen vergleichbaren Grad an Modernität zu erreichen. Wir müssen die Alliierten gerade an der östlichen Grenze unseres Bündnisses in die Lage versetzen, leistungsmäßig an unserer Seite zu stehen. Dies ist derzeit nur in Teilbereichen der Fall.

Deutschland muss den Partnern eine tiefgreifende strukturelle Zusammenarbeit und eine umfassende Ausrüstungsverbesserung anbieten. Das ist Arbeitsteilung im besten Sinne. Dies alles ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Aber durch eine solide Haushaltsführung, durch eine Bewältigung der Wirtschaftskrise in Europa unter Führung unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel sind wir in der Lage, auch über solche Dinge zu diskutieren.

Herr Kollege Otte, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es darf kein Tabu sein, vermehrt Geld für die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger in die Hand zu nehmen. Wir müssen uns hier engagieren. Das sollte uns unsere Sicherheit und Freiheit wert sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Henn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3565706
Wahlperiode 18
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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